Wie die Armee in Schuss kommt

Verteidigungsminister Mag. Gerald Klug im Gespräch mit vier Grundwehrdienern über Verbesserungspotentiale im Grundwehrdienst im Österreichischen Bundesheer. Ort: Maria-Theresien-Kaserne. Reporter: Kurier-Redakteur Christian Böhmer.
Abrüster erklären dem Minister, wo Grundwehrdiener der Schuh drückt.

Zwischen Stacheldraht und Öl-Tonnen steht ein Auto im Schnee. Die jungen Soldaten sollen kontrollieren, was damit los ist. Wer sind die Passagiere? Haben sie Waffen?

Kalter Wind bläst über den Kasernenhof, aber die Rekruten hat das nicht zu stören. Die Uniform ist winterfest, und das Training an der improvisierten Straßensperre gehört für Garde-Soldaten in der Wiener Maria-Theresien-Kaserne zum Stundenplan. Alltag eben.

Weit ungewöhnlicher ist da schon das Treffen, das gleichzeitig ein Stockwerk weiter oben passiert: In einem gut beheizten Zimmer sitzt Verteidigungsminister Gerald Klug vier Rekruten gegenüber: Der eine ist Richtschütze in einem Panzer, der andere Sanitäter; der Dritte lernte als Pionier, wie man mit Motorsägen hantiert; und der Vierte im Bunde ist in der Kaserne quasi daheim – er ist Gardist.

Alle vier sind Grundwehrdiener, und bis auf den Panzersoldaten, der verlängert, werden sie dem Heer bald den Rücken kehren. Im April bzw. Mai heißt es „Abrüsten“ – und genau das macht die Herren für den Minister so interessant. Denn sein wichtigster Job ist in den nächsten Monaten, den Grundwehrdienst spannender zu machen. Und wer sollte dazu mehr Ideen haben als die Abrüster?

Deshalb sitzen sie also hier: der Pionier Raphael Suda, der Richtschütze Ademir Mirvic, David Spiegl von der Garde und Robert Vielnascher, der Sanitäter aus Korneuburg. „Erzählts einfach, was euch bei uns gestört hat. Gerade heraus, wir sind unter uns“, sagt der Ressortchef. Und die Burschen legen gleich los.

Eine Zumutung

Ihr erster Punkt: die Infrastruktur. „Die Bausubstanz ist an vielen Standorten eine Zumutung“, sagt Rekrut Spiegl.

Alte, baufällige Kasernen mit abgewrackten Toiletten- und Duschanlagen seien de-motivierend. Spiegl: „Beim Heer wird Fitness großgeschrieben. Das ist gut, allerdings frage ich mich: Wie sollen 120 Leute eine Kraftkammer benutzen, wenn darin nur drei Geräte stehen?“

Ja, wie, Herr Minister? Gibt’s mehr Geld? Immerhin hat das zuletzt auch die parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission gefordert. „Ich will der Versuchung des Populismus widerstehen“, antwortet Gerald Klug. „Es wäre leicht zu sagen: ,Wir brauchen für alles und jeden mehr Geld, ich organisier’ das!‘ Aber das wäre unseriös, und ich bin ein Teamspieler, der sich dem Budgetpfad verpflichtet fühlt.“

Mit anderen Worten: Mehr Geld gibt’s – zumindest vorerst – nicht; aber man könne ja intern im Ministerium umschichten, um Verbesserungen zu finanzieren.

Ein anderes Reizthema ist der Sold. „301,38 Euro im Monat ist im Vergleich zu Zivildienern wenig – zumal viele davon auch das Benzin für die Fahrt in die Kaserne bezahlen müssen“, sagt Rekrut Suda. Auch hier sind sich die Soldaten einig: Als Wehrpflichtiger leiste man einen wichtigen Dienst. Der müsse doch so viel wert sein wie die Mindestpension (838 Euro).

Was das Geld anlangt, hat Gefreiter Vielnascher noch einen anderen Vorschlag: Könnte das Militär Sanitätern wie ihm nicht später, im Zivilleben, die Fortbildungskurse als Sani zahlen? Wäre das nicht ein Anreiz für eine Miliz-Karriere?

Die Frage mit dem fehlenden Geld, sie lässt sich an diesem Tisch nicht lösen.

Doch es gibt auch Vorschläge, die de facto kostenlos sind. Und der Ressortchef verhehlt nicht, dass ihn die besonders interessieren.

Einen bringt Richtschütze Mirvic: „Die Sport-Ausbildung bietet zu wenig Abwechslung.“ Natürlich sei Laufen ein gutes Ausdauer-Training. „Aber es wäre sinnvoll, viel öfter andere Sportarten einzustreuen. Fußball, Klettern. Und was spricht dagegen, ab und zu einen Wettbewerb zu veranstalten?“

„Da spricht gar nichts dagegen, ich nehme das gerne mit“, sagt der Minister.

Hart angefasst

Die 40 Minuten, die sein Stab für das Treffen veranschlagte, sind längst vorbei. Doch er ist neugierig geworden, und jetzt stellt der Politiker selbst ein paar Fragen: „Wie ist es mit dem Umgangston? Gibt’s da Probleme?“

Die Antwort ist überraschend unspektakulär: Nein.

„Wir wurden mitunter hart angefasst, aber es blieb immer korrekt. Unmenschliche Schikanen, die früher offenbar häufig vorkamen, sind heute eher Ausnahmen“, sagen die Rekruten. Und was ist mit der Stellung? „Wurdet ihr da gut vorbereitet und über das Heer informiert?“

Die jungen Soldaten überlegen – wie war das gleich?

Aber dann sind sie sich auch in diesem Punkt einig: „Wir wurden über viele Karriere-Optionen aufgeklärt, das ja“, sagen sie. Doch eigentlich war das meiste umsonst. „Es wurden falsche, überzogene Erwartungen erzeugt. Und wenn du dann im Heer beginnst, bist du vor allem eines: enttäuscht.“

Nichts kann Gerald Klug weniger gebrauchen als frustrierte Grundwehrdiener. „Da müssen wir etwas tun“, sagt er. „Und zwar schnell.“ Es geht um die Zukunft der Armee. Und auch um seine als Minister.

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