Neue Reifeprüfung ist noch unreif

Neue Reifeprüfung ist noch unreif
Mathematik-Experten kritisieren die Qualität der Aufgaben und fürchten Nivellierung nach unten.

Noch ist nicht klar, wie die Ergebnisse der zentralen Reifeprüfung ausfallen werden. Doch es mehrt sich schon die Kritik über die Qualität der Aufgaben. Im Fokus steht die Mathematik-Zentralmatura.

"Nach Durchsicht der Zentralmatura für Mathematik befürchte ich katastrophale Auswirkungen auf den Mathematik-Unterricht in Österreich", warnt Gerhard Pillwein, ein Experte, der fast 30 Jahre lang Kursleiter der Mathematikolympiade war. "Denn ein Sprichwort passt hier gut: Ein Pferd springt so hoch, wie der Zaun ist." Pillwein erklärt: In Österreich wurde heuer erstmals eine vollzentrale Matura abgehalten, an allen AHS-Schultypen werden dieselben Aufgaben gestellt, unabhängig von der Schwerpunktsetzung der Schule. "An einem Oberstufenrealgymnasium gab es also die gleichen Aufgaben wie an einem schulautonom auf Mathematik spezialisierten Realgymnasium. Also musste der Zaun so niedrig sein, dass auch Schüler mit wenig Mathe und einem zum Beispiel ausgeprägten künstlerischen Schwerpunkt nicht überfordert werden."

Nachhilfe für Studenten

Neue Reifeprüfung ist noch unreif
Pillweins Sorge: Wenn "ein bisschen Mathematik" künftig reicht, um die Matura zu bestehen, wird sich niemand mehr große Mühe beim Lernen und Lehren geben. "In Anbetracht der mathematischen Anforderungen in der Studieneingangsphase, etwa an der Wirtschaftsuniversität, wird die Studierfähigkeit von Maturanten in Zukunft kaum mehr gegeben sein. Die studentischen Nachhilfeinstitute werden boomen", befürchtet der Experte. Er plädiert für eine teilzentrale Matura, bei der ein allgemeiner Pflichtteil und ein je nach Schultyp konzipierter Kür-Teil abgefragt wird.

Auch der anerkannte Mathematik-Experte Professor Rudolf Taschner vom Institut für Analysis und Scientific Computing ist verärgert: Ein einziges Beispiel (siehe rechts oben), sei "hervorragend" gewesen, weil Wissen abgefragt werde, das auch später im Leben sinnvoll sei. "Zum Kernstoff der Mathematik-Matura sollten nur Aufgaben gehören, die jede allgemeingebildete Person versteht, auch wenn diese nicht auf Anhieb gelöst werden können." Doch ihn ärgere, dass auch Beispiele (Beispiel 12) abgefragt werden, deren Lösungsverfahren die Schüler nie wieder brauchen werden, es sei denn, sie studieren ein Mathematik-Fach. Das sieht auch TU-Professor Karl Svozil so: "Hier werden Potemkinsche Dörfer abgefragt", klagt der Professor, der ein großes Interesse an der Zentralmatura hat, da manche Maturanten von heute bald "seine" Studenten sein werden.

Die abgelaufene Matura wird nun von Fachleuten evaluiert. Bleibt zu hoffen, dass die Zentralmatura 2015 weniger Kritik auslösen wird.

Spannung nach der Zentralmatura: Die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung gibt es demnächst. Schüler, die einen Fünfer haben, können ihn bei der Mündlichen noch ausbessern. Wer dann noch einen Fleck hat, darf hoffen. Der Maturant kann Widerruf gegen die Note einlegen – egal ob er zur neuen oder alten Matura antrat. In erster Instanz geht der Widerruf, der innerhalb von fünf Tagen zu machen ist, über die Schule an den Landesschulinspektor. Bestätigt dieser die Note, hat der Maturant die Möglichkeit, sich an den Bundesverwaltungsgerichtshof zu wenden. Dort wird nach geltendem Recht ein Urteil gefällt.

Geltendes Recht ist die Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO), in der nichts davon steht, dass ein Schüler mindestens 60 Prozent der Aufgaben richtig lösen muss. Im Bildungsministerium begründet man das damit , dass die neue Matura als Schulversuch läuft und auf das Kompetenzniveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) abgestimmt ist – einem international anerkannten Test.

Für Theodor Saverschel eine „nicht nachvollziehbare Begründung.“ Schließlich gelte laut LBVO (§ 14 Abs. 5), dass ein Schüler den Stoff in den wesentlichen Bereichen überwiegend beherrschen muss. Weil man also das Wesentliche und nicht das Ganze wissen muss, erhielt man meist bei mehr als 50 Prozent einen Vierer. Das sollte auch für die Matura gelten. Klagt jetzt ein Maturant, hat er laut Schuljuristen gute Chancen, dass aus seinem Fünfer ein Vierer wird. Saverschel: „Hoffentlich gibt es da irgendwann eine rechtliche Klarheit.“

Das Pannen-Institut bifie bleibt weiterhin eine Spielwiese der Parteipolitik. Nachdem SP-Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek die beiden Direktoren Martin Netzer, ÖVP, und Christian Wiesner, SPÖ, mit Stichtag 1. Juli gefeuert hat, müssen die mit 150.000 Euro dotierten Chefjobs ausgeschrieben werden. Aber wie bei Personal-Ausschreibungen in Österreich im öffentlichen Bereich meist üblich, steht der Spitzenkandidat ohnehin schon vorher fest.

So auch beim "Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens", dessen Spitze in schöner Tradition immer proporzgemäß besetzt wurde und das seit seiner Gründung – zu Recht – Kritik ausgesetzt ist. Jetzt soll Hanspeter Huber in den Chefsessel gehievt werden.

Was im Ministerium für heftigen Unmut sorgt. Denn der Karriere-Beamte war Büroleiter von Hoseks Vorgängerin Claudia Schmied, SPÖ. Auch in Wirtschaftskreisen ist man darüber verärgert. "Das Institut muss dringend reformiert werden und dann soll wieder eine politische Postenbesetzung durchgedrückt werden", empören sich Insider.

Die Ausschreibung wurde noch nicht gestartet, man wolle die Ergebnisse der internen Expertengruppe über das bifie abwarten, erklärt Ministeriums-Sprecherin Katharina Ebhart-Kubicek. Offen sei ebenfalls, ob das Institut wieder eine Doppelführung bekommt oder nur einen Chef. Der stehe aber keineswegs schon fest, beteuert Ebhart-Kubicek.

Huber war von Schmied 2009 zum Generalsekretär befördert worden, blieb aber weiterhin ihr Büroleiter. Was die Ministerin damals ernsthaft als "weiteren Schritt der Weiterentwicklung effektiver Leistungs- und Verwaltungskultur" feiern ließ. 2011 machte Schmied Huber zum Sektionsleiter für "Internationale Angelegenheiten und Kultus".

Schon als Schmied die ersten beiden bifie-Direktoren bestellte, gab’s den Vorwurf politischer Interventionen. Der VP-nahe Josef Lucyshyn wurde (laut Disziplinarbehörde zu Unrecht) fristlos entlassen, der Vertrag seines roten Pendants Günter Haider ("Mister PISA") nicht verlängert. Nachfolger Netzer war Kabinettschef bei der früheren schwarzen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, sein Kollege Wiesner wird der SPÖ zugerechnet.

Schmied hat zwar ihren Bürochef gut versorgt, ist selbst aber immer noch auf der Suche nach einem Job. Sie soll sich den Wiedereinstieg in die Wirtschaft nicht so schwierig vorgestellt haben, hört man aus ihrer Umgebung. Kein Wunder, agierte Schmied als Bankerin ähnlich glücklos wie als Politikerin. Sie war im Vorstand der Kommunalkredit, die sich als biederer Gemeindefinanzierer mit Hochrisiko-Papieren verzockte und notverstaatlicht werden musste. Schmied saß im Aufsichtsrat der zypriotischen Tochter. Über diese wurden die Wertpapier-Geschäfte abgewickelt. Die Staatsanwaltschaft stellte 2013 die Ermittlungen gegen Schmied ein.

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