Häfensuche für Ernst Strasser

Einst "Law & Order"-Innenminister und ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, demnächst Häftling: Ernst Strasser ist, wie sein Anwalt es formulierte, "beruflich und gesellschaftlich tot". Der 58-Jährige muss zumindest sechs Monate absitzen, dann könnte er Hausarrest bekommen.
Der Ex-Innenminister und EU-Mandatar wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Jetzt wird taktiert, wo er die Strafe absitzen soll.

Er hätte es noch billiger haben können. Oder um mit seinen Worten zu sprechen: Die Rechnung, die "ich saftig bezahlt bekommen habe", hätte geringer ausfallen können. Dann hätte "Agent 007" Ernst Strasser der Justiz aber nicht mit seiner Geheimdienstposse kommen dürfen, er habe nur einen Nachrichtendienst enttarnen wollen. Er hätte von Anfang an zugeben müssen, nach der "Karotte" gegiert zu haben, die ihm die britischen Undercover-Journalisten "wahnsinnig geschickt vor die Nase gehalten haben" (Verteidiger Thomas Kralik).

Wie sein ehemaliger Kollege im EU-Parlament, der Slowene Zoran Thaler, der ebenfalls wegen Bestechlichkeit aufgeflogen ist. Sein Geständnis wurde Thaler mit einer Wochenendhaft von bloß zweieinhalb Jahren gelohnt.

Aber der einstige ÖVP-Innenminister und Delegationsleiter im EU-Parlament, Ernst Strasser, behauptete selbst in seinem Schlusswort noch in schlechtem Deutsch, dass er in "nicht überbietbarer Weise klargemacht" habe, für keine gekauften politischen Interventionen zur Verfügung zu stehen. "Niemand anderer wie ich kann das in dieser Klarheit sagen, weil ich selber dabei war."

Ein Übel

Freilich: Es gibt mitgeschnittene Gespräche, in denen Strasser 100.000 Euro im Jahr dafür verlangte, für eine Abänderung von EU-Richtlinien zu sorgen. "Ein korrupter Europa-Abgeordneter" aber "ist ein Übel, das die gesamte Union infrage stellt", wie OGH-Präsident Eckart Ratz als Vorsitzender des Berufungssenats am Montag erklärte.

Dafür habe es keine Strafe auf Bewährung geben können. Wegen der "ungeheuren persönlichen Nachteile", wofür einem Strasser "auch leidtun" könne, setzten die Höchstrichter aber die Strafe "auf ein maßvolleres Maß herunter": drei Jahre Haft statt (wie im Ersturteil) dreieinhalb Jahre und ohne generellen Ausschluss der Fußfessel: "So weit muss es auch wieder nicht gehen" (Ratz). Strasser wird also zumindest die ersten sechs Monate hinter Gittern sitzen (wie es im Gesetz festgeschrieben ist). Ob er den Rest im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßen darf, wird dann der Anstaltsleiter entscheiden.

Um welches Gefängnis es sich handeln wird, darum gibt es jetzt ein taktisches Manöver: Strasser hat zwei Wohnsitze, Wien und Oberösterreich, in Wien steht die Justizanstalt Simmering für ihn bereit, in OÖ käme die Justizanstalt Suben in Betracht.

Beide haben Vor- und Nachteile: Im Gerichtssprengel Wien wird die vorzeitige bedingte Entlassung nach der Strafhälfte äußerst selten gewährt. Auch wenn Verteidiger Kralik meint: "Wenn jemand in der Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt, dann ist das Strasser", kommt die bedingte Entlassung hier in der Regel erst nach Verbüßung von zwei Drittel in Betracht. Dafür zeichnet sich Simmering durch offene Wohngruppen aus.

Für Suben gibt es zwar auf der privaten Homepage knast.net die Empfehlung eines Ex-Insassen: "Wenn ich wieder mal einfahre, werde ich sicher wieder Suben wählen." Andere warnen jedoch vor der Kälte in den Zellen. Dafür sind die Chancen auf bedingte Entlassung im Sprengel Linz traditionell größer.Voraussichtlich noch heuer wird Strasser zum Strafantritt aufgefordert. Die Zuweisung nimmt die Vollzugsdirektion vor. Voraussetzung dafür ist, wo der Lebensmittelpunkt des Verurteilten liegt. Aber dafür lassen sich passende Kriterien finden.

Offene Verfahren

Mit dem Urteil in der Bestechungsaffäre hat Strasser vorerst Ruhe von den Korruptionsjägern. Die Ermittlungen in der "Blaulicht-Affäre" (Vergabe eines digitalen Behördenfunks in Strassers Amtszeit) laufen zwar noch. Doch hier ist das Augenmerk der Ermittler vor allem auf Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly gerichtet. Strasser, so hieß es gestern in der Staatsanwaltschaft Wien, sei kein Beschuldigter.

Jetzt also drei Jahre Haft. So viel bekommen manche Vergewaltiger nicht. Auch Eltern, die ihre Kinder misshandeln, fassen selten mehr aus. Ganz zu schweigen von Alkolenkern, die Menschen zu Tode fahren. Insofern passt das Urteil über Strasser zum Plan des Justizministeriums, die Strafen anzugleichen: Mehr Strenge, wenn jemand verletzt oder getötet wurde, weniger Härte bei "bloßem" finanziellen Schaden.

Das Mitleid mit Raffzahn Strasser hätte sich Richter Ratz freilich sparen können. Wer sich um ein hohes Amt bewirbt, nur damit er sich die Taschen vollstopfen kann, muss einem nicht leidtun, wenn er auffliegt.

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