Mitterlehner: "Bei der SPÖ bohren wir Bretter"

Mitterlehner: „Wir haben mit 26 Prozent in den Umfragen eine solide Ausgangsbasis für die Zukunft“.
Der Vizekanzler drängt, "Reformen zu beschleunigen". Die ÖVP sieht er auf gutem Weg zur "liberal-konservativen Partei".

VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Wirtschafts- und Wissenschaftsminister, "ist sich sicher", dass Griechenland in der EU bleibt. Er drängt, in Österreich die "Reformen zu beschleunigen". Die ÖVP sieht der neue Chef auf gutem Weg zur "liberal-konservativen Partei".

KURIER: Herr Vizekanzler, die deutsche Wirtschaft wuchs im Vorjahr um 1,6 Prozent, unsere nur um 0,3. Unsere Arbeitslosenzahlen steigen permanent. Was machen die Deutschen besser?

Reinhold Mitterlehner: Auch die Deutschen haben Probleme – vom Mindestlohn bis zur Pensionsreform. Wir müssen unsere Reformen beschleunigen und sicher nicht den griechischen Weg gehen.

Was heißt beschleunigen? Wo gibt’s Reformen?

Im Gesundheitsbereich etwa. Das Gleiche wird in der Verwaltung passieren, so wir die Ausgaben dämpfen. Und unsere Steuerreform wird den Konsum ankurbeln. Die Wirtschaftsstimmung muss drehen; und da habe ich durch die jüngste Entwicklung in der Ukraine durchaus Hoffnung.

Es gilt schon als Sensation, wenn das Innenministerium dem Heer Hubschrauber borgt. Aber wann werden Sie die Beamten dort einsetzen, wo der Staat sie braucht?

Wo es um festgefahrene Rechte geht, ist das Bohren dicker Bretter mühsam, aber auch hier ist etwas in Bewegung.

Uns scheint, die Bretter werden immer dicker.

Nein, wir bohren gerade beim Koalitionspartner.

Ist die SPÖ das Brett?

Naja schon, nicht das Brett vorm Kopf, aber es fehlt dort noch die Bereitschaft zu sehen, dass unsere Systeme in Ordnung sein müssen. Ich meine Arbeitsmarkt, Pensionen und Verwaltung. Nur wer die Kosten und die Leistungen im Einklang hat, erreicht ein Wirtschaftswachstum. Wir können nicht auf Schuldenbasis die Zukunft genießen.

Mitterlehner: "Bei der SPÖ bohren wir Bretter"

Der Bundeskanzler hat im KURIER-Interview Kanzlerin Merkel vorgeworfen, sie sei zu zögerlich. Sie sagen, er sei zögerlich.

Die meisten Länder haben das gleiche Antrittsalter von Frauen und Männern längst vollzogen. Weil es auch die Chancengleichheit der Frauen erhöht. Wir werden wieder eine bessere Konjunktur haben und dann haben Frauen mit der ausgebauten Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch mehr Chancen. Die Kontonachricht von der Pensionsversicherung zeigt vielen Frauen, was in Zukunft noch zu entwickeln wäre. Wenn wir auf diese Fakten verweisen, heißt es, es sei ein Griff in die Mottenkiste, was nicht der Fall ist.

Koppeln Sie eine Pensions- an die Steuerreform?

Nein, aber wir wollen ja weiter entlasten. Und das geht nur, wenn wir die Systeme sanieren. Dann können wir uns eine zweite, insgesamt größere Etappe der Steuerreform leisten.

Bei der Steuerreform wird es wahrscheinlich eine Enttäuschung geben, es wird jeder 20 bis 30 Euro herausbekommen und bei der Gegenfinanzierung mithelfen müssen. Oder?

Ich weiß‚ die Erwartungshaltung ist riesengroß. Als ob wir bei dieser Budgetsituation Geschenke verteilen könnten.

Geschenkt wird uns eh nichts, die Bürger müssen alles selbst finanzieren.

Wir streben eine Tarifreform an, die dem Steuerzahler weit mehr als 20 Euro pro Monat bringen soll.

1000 Euro pro Person und pro Jahr?

Solche Festlegungen sind immer irreführend. Es werden aber wesentlich mehr als 20 Euro pro Monat sein.

Und wie läuft die Gegenfinanzierung?

Wichtig wird die bessere Bekämpfung des Betrugs. Wir müssen zum Beispiel auch besser kontrollieren, ob die Mehrwertsteuer beim eCommerce abgeführt wird.

Österreicher mit Schwarzgeld in der Schweiz ließen sich dieses rücküberweisen, das Bankgeheimnis schützte sie. Ist das noch zeitgemäß?

Ich möchte keine Ansagen zum Bankgeheimnis bemühen, aber das Finanzministerium klärt, wie die Sachlage ist.

Warum tut sich die angeblich leistungsorientierte ÖVP so schwer damit, Arbeit stärker zu entlasten und Erbschaftssteuern einzuführen?

Wir haben in Österreich eine hohe Lohn- und Abgabenquote, jetzt wollen wir nicht auch noch Substanzsteuern.

Wenn aber Sie gleichzeitig die Einkommensteuer senken?

Die kann ich gar nicht so schnell senken. Da würden viele Menschen ihre Leistungen gefährdet sehen, dazu kommt, dass noch mehr Geld aus Österreich abfließen würde als bisher. Stiftungen, die Betriebe besitzen, gehen schon weg.

Die SPÖ fordert weiterhin Vermögenssteuern. Wird es im Zweifel gar keine Steuerreform geben?

Erst geht es ums Tarifsystem, dann um konventionelle Gegenfinanzierung. Zum Schluss gehen wir – oder auch nicht – über die Brücke der eventuell noch offenen Finanzierung.

Im KURIER-Antrittsinterview haben Sie und der Kanzler gesagt, Sie wollen den Menschen wieder das Gefühl geben, dass die Regierung für sie da ist. Jetzt wird wieder über alles gestritten.

Es ist wieder Bewegung in den Wählermarkt gekommen, wodurch die Parteisekretariate etwas lebhafter wurden.

Worauf Sie dem Kanzler gleich vorgeworfen haben, er kampagnisiert.

Ja, das tut die SPÖ auch. Jeder macht halt das, was er für richtig hält. Wir arbeiten gemeinsam an Lösungen. Das Thema der Finanzierung des Heeres haben wir gelöst – und die ÖIAG-Reform. Die Steuerreform kommt.

Über das transatlantische FreihandelsabkommenTTIP – wird weiter gestritten?

Es kann sich jeder international umhören. Nicht nur Merkel, auch SPD-Chef Gabriel sagt, dass ein gut gemachtes Handelsabkommen zur Belebung der Wirtschaft beiträgt.

Faymann sagt, wenn nicht-staatliche, internationale Schiedsgerichte kommen, ist er gegen TTIP?

Der Kanzler hat gemeinsam mit uns das Mandat der EU-Kommission gegeben.

Minister Stöger sagt im KURIER, die Privatisierung der Voest sei "ein Fehler" gewesen. Man sollte eher verstaatlichen als privatisieren. Wie sollen ÖVP und SPÖ da je zusammenkommen?

Da trennen uns Welten. Die privatisierte Voest hat sich viel besser entwickelt als davor. Der Markt will keine Unternehmen, die politisch geführt sind. Das ist Retro und kein Zukunftskonzept.

Die Voest baut halt jetzt in Amerika ein Riesenwerk und nicht in Österreich.

Die Voest ist ein internationales Unternehmen, das von Linz und nicht von einem politischen Management geführt wird. Und das soll auch so bleiben.

Kommen weitere Privatisierungen, beispielsweise bei der Post, um den Staatsanteil auf die Sperrminorität von 25 Prozent zu reduzieren?

Wenn das Unternehmen gut aufgestellt ist, sehe ich eigentlich keinen Grund, nicht auf 25 Prozent plus 1 herunterzugehen. Das setzt natürlich Gespräche mit dem Koalitionspartner voraus, weil das nicht im Regierungsprogramm steht.

Möglicherweise haben wir aber ab dieser Woche ganz andere Sorgen, nämlich ein Land weniger in der Eurozone: Wenn Griechenland sich bei den Verhandlungen nicht bewegt, ist es dann besser, wenn es aus der Eurozone austritt?

Ich bin sicher, dass sich Griechenland und die EU bewegen werden. Das, was sich in den letzten Tagen abgespielt hat, sehe ich eher als publikumsorientierte Darstellung.

Würden Sie sich so wie der Kanzler von Ihrem griechischen Wirtschaftsminister-Kollegen auch gerne als "Freund" bezeichnen lassen?

Ich hoffe, das wird kein teurer Freund (lacht). Aber so lange ich nicht die gleiche Denkhaltung einnehmen muss, habe ich auch nichts einzuwenden. Denn in Wirklichkeit kommen auch die neuen politischen Bewegungen wie Griechenland rasch in die Rolle, dass sie als Blitzableiter ausgedient haben und die konventionellen Probleme lösen müssen.

Zurück nach Österreich. Dieser Tage sorgen neuerliche Pannen bei der Zentralmatura für Empörung bei Eltern, Lehrern und Kindern. Ist Heinisch-Hosek als Unterrichtsministerin noch tragbar?

Meine Tochter ist auch eine Betroffene. Sie hat gerade ihre vorwissenschaftliche Arbeit gemacht und nicht hochladen können. Pannen können überall passieren. Schlimm ist, dass es bei der Zentralmatura eine Serie von Pannen gibt, die den Eindruck erwecken, dass es hier an der Vorbereitung mangelt.

Die zuständige Ministerin Heinisch-Hosek hat aber weiterhin Ihr Vertrauen?

Ich bin nicht der, an dem es liegt, ihr das Vertrauen auszusprechen oder zu entziehen. Dass die Kritik zunimmt, ist aber unübersehbar. Es bleibt abzuwarten, ob das Ministerium so reagiert, dass das Projekt Zentralmatura nicht gefährdet ist.

Sie haben sich für die Nichtdiskriminierung von Homosexuellen ausgesprochen, eine Forderung, die vor 20 Jahren das Kirchenvolksbegehren erhoben hat. Hinkt die ÖVP der Kirche hinterher?

Die Forderung hat sich an die Kirche gerichtet; und so weit ich das sehe, hat die Kirche noch nicht wirklich darauf reagiert. Wir müssen all diese Fragen mit offenem Ausgang diskutieren. Die volle Gleichstellung von Homosexuellen auch bei der Ehe ist in der ÖVP noch mit einem Limit versehen. Anders als früher diskutieren wir das alles jetzt offen und kommen möglicherweise in ein paar Jahren auch zu neuen Ergebnissen.

Die ÖVP wird unter Mitterlehner liberaler?

Die ÖVP ist eine liberal-konservative Partei. Das heißt im Klartext, dass wir Grundwerte haben, die immer wieder neu diskutiert werden. Dabei sollen aber möglichst viele mitreden und mitgehen können. Das werden alle größeren Parteien in Europa tun müssen, sonst werden sie keine Akzeptanz in der Bevölkerung haben.

Die Gratiszeitung "Österreich" hat von einem "Django-Effekt" geschrieben, der jetzt vorbei sei. Haben Sie zu wenige Inserate geschaltet? Kann man sich gute Berichterstattung kaufen?

Manche glauben, dass es möglich ist. Ich beschäftige mich nicht mit den Inseraten. Das wird nach dem Medientransparenzgesetz abgewickelt. Auf Dauer ist alles andere eine sehr durchsichtige Vorgangsweise, weil sich der Wähler sehr gut ein Bild machen kann, was authentisch und was nur medial aufgesetzt ist. Wir haben in jedem Fall mit unseren rund 26 Prozent in den Umfragen eine solide Ausgangsbasis für die Zukunft, obwohl wir weder kampagnisiert noch den Entwicklungsprozess der Partei abgeschlossen haben.

Sich mit Steuergeld Zeitungen zu kaufen, kann nicht erfolgreich sein?

Ich glaube, langfristig nicht.

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