"Loch-Gate": Die Zaunrebellen von Spielfeld

Winzer Erich Polz (links) und der Grazer Ex-ÖVP-Stadtrat Helmut Strobl lassen sich nicht von der Bundesregierung einzäunen
Warum Ex-ÖVP-Stadtrat Helmut Strobl und Winzer Erich Polz Widerstand leisten.

Der Zaunbau in Spielfeld avanciert immer mehr zu einem Kuriosum. Zuerst beherrschte die lähmende Diskussion um die Bezeichnung die Öffentlichkeit. Von "baulicher Maßnahme" bis zum "Türl mit Seitenteilen" reichten die Wortkreationen der Regierung. Und was wurde es dann tatsächlich? Ein Grenzzaun mit Loch. Über das "Loch-Gate", wie es in den sozialen Medien genannt wird, lacht ganz Österreich.

3,7 Kilometer hätte der Zaun lang sein sollen, davon werden nun 800 Meter freigelassen. Die zwei prominentesten Zaunrebellen in Spielfeld sind der Winzer Erich Polz (er besitzt einen 300 Meter langen Grenzstreifen) und der ehemalige Grazer Stadtrat Helmut Strobl (sein Grenzstreifen ist acht Meter lang). Mit ihrem Widerstand haben die beiden einmal mehr gezeigt, wie chaotisch das Asyl-Management der Regierung abläuft. Im KURIER-Interview erklären die beiden ihre Gründe.

KURIER: Warum haben Sie sich gegen den Zaun gewehrt?

"Loch-Gate": Die Zaunrebellen von Spielfeld
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Helmut Strobl:Meine Weigerung, einen Zaun aufstellen zu lassen, hat eine sachliche und eine politische Ebene. Ich bin überzeugt, dass kein Flüchtling die Grenzstation in Spielfeld umgehen will. Für mich ist der Zaun ein Zeichen der beginnenden Orbanisierung Österreichs. Er ist ein kompletter Unsinn.

Erich Polz: Mir ging es in erster Linie um eine Grundfrage: Wird hier ein Zaun gebaut, ohne mit den Eigentümern vorab ein Wort zu sprechen? Wir haben vom Zaunbau einfach über die Medien erfahren, niemand hat uns informiert. Aber jetzt kommt es noch besser. Offenbar hat auch keiner der zuständigen Beamten das Gelände besichtigt. Denn am Freitag habe ich die Information vom Innenministerium erhalten, dass es in den Weingärten ohnehin nicht möglich wäre, einen Zaun zu bauen.

Wie viele Weinstöcke hätten Sie roden lassen müssen?

Polz: Ungefähr 1000 Stück. Das hätte mich nicht umgebracht, aber diese Weinstöcke sind jetzt 25 Jahre alt und sie tragen die besten Reben. Aber gesehen davon: Selbst in Tito-Zeiten gab es nie einen trennenden Zaun zwischen Slowenien und der Steiermark. Wir fühlen uns hier sicher.

Es gab keinen Zaun, aber die Grenzsoldaten hatten Schießerlaubnis in der Tito-Zeit.

Polz: Ja, aber ich weiß von keinem Zwischenfall, wo jemals geschossen wurde. Die Grenze wurde damals von slowenischen und österreichischen Grenzsoldaten gemeinsam bewacht. Wenn einer über die Grenze ging, dann wurde er für einen Tag eingesperrt und gegen eine Kaution wieder freigelassen. Aber was soll der Zaun helfen, wenn die Menschen drüberklettern können?

Herr Strobl, Sie waren ÖVP-Stadtrat in Graz. Wie bewerten Sie die Politik von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner?

Strobl: Das Vorgehen der Innenministerin war sehr ungeschickt. Man hat in Wien offenbar so intensiv um den Zaun und dessen Bezeichnung gerungen, dass man ganz darauf vergessen hat, mit den Grundbesitzern vor Ort zu sprechen. Hätte das Innenministerium Beamte nach Spielfeld geschickt, hätten sie schnell entdeckt, dass es hier aus topografischen Gründen keinen Sinn macht, einen Zaun zu bauen. Mikl-Leitner hätte nach einer Analyse noch aussteigen können. Bei mir etwa ist das Gelände so steil, da wird kein Flüchtling den Weg nach Deutschland suchen.

Warum sollten sich die Flüchtlinge von einem steilen Waldgelände abschrecken lassen, wenn sie in der Ägäis ihr Leben in einem kleinen Schlauchboot riskieren?

"Loch-Gate": Die Zaunrebellen von Spielfeld
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Strobl:Das ist eine gute Frage. Aber ich glaube, es gibt doch einen Unterschied. In der Türkei haben die Flüchtlinge keine andere Wahl, als mit dem Boot nach Griechenland zu kommen. In Spielfeld gibt es eine. An der Grenzstation werden die Flüchtlinge gut betreut. Sie werden medizinisch versorgt, bekommen zu essen. Viele werden hier zum ersten Mal menschlich behandelt. Warum sollte einer dieser Flüchtlinge die Grenzstation umgehen? Außerdem sind die Menschen daran interessiert, registriert zu werden und nicht ständig illegal durch Europa zu reisen.

Sie wohnen nur wenige Kilometer von der Grenzstation entfernt. Haben Sie mitgeholfen?

Strobl: Ja, und es war ein ganz starkes Erlebnis. Meine Eindrücke decken sich aber nicht mit den medialen Berichten. Es wird immer davon gesprochen, dass mehr junge Männer nach Europa kommen. Ich hatte den Eindruck, dass 50 Prozent der Flüchtlinge Männer und 50 Prozent Familien waren. Vor allem sehr viele Kinder waren dabei. Diese Menschen sind unheimlich freundlich und sehr dankbar. Sie haben sich für jede Banane, die ich an sie ausgeteilt habe, bedankt.

Haben Sie den Durchbruch der Flüchtlinge miterlebt?

Strobl: Ganz ehrlich? Die Drängelei habe ich als harmlos empfunden. Wenn ein neues Apple iPhone auf dem Markt kommt, gibt es ähnliche Drängeleien vor den Shops. Das passierte ja nur, weil die Flüchtlinge dachten, dass sie kurz vor Deutschland sind, weil sie auf den Wegweisern Deutschlandsberg lesen konnten. Als sie bemerkten, dass das nicht stimmt, kehrten sie ohnehin wieder nach Spielfeld um.

Herr Polz, hatte Ihr Widerstand gegen den Zaun nur rein wirtschaftliche Gründe oder auch einen ideologischen Grund?

Polz: Schauen Sie, ein Zaun ist immer auch ein Zeichen für eine Krisenregion. Ich empfinde aber die Südsteiermark nicht als Krisenregionen. Ich bin sehr froh, dass der Zaun nun in meiner unmittelbaren Umgebung nicht gebaut wird. Hier ist in den letzten 20 Jahren viel investiert worden. Früher waren die Grenzabschnitte die Armutsstreifen. Und ich bin überzeugt, den Durchbruch der Flüchtlinge hätte auch ein Zaun nicht verhindert. Denn wenn 10.000 gegen einen Zaun andrücken, liegt der Zaun schnell flach und es gibt auch noch ein paar Tote. Wollen wir das?

Wie waren die Reaktionen?

Polz:Manche haben mir geschrieben, dass sie nie wieder einen Polz-Wein trinken werden, weil wir die Sicherheit gefährden. Aber das war die Minderheit. Die Mehrheit der Reaktionen war positiv.

Strobl: Ich werde in Graz auf der Straße angesprochen. Die Menschen gratulieren mir, dass ich keinen Zaun bauen lasse.

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