Lacina: "SPÖ wird bald geschlossen sein"

Lacina: "SPÖ wird bald geschlossen sein"
Ferdinand Lacina beklagt, dass in der "außerordentlich verengten" SPÖ keine guten Leute aufkommen.

Kommende Woche hält die SPÖ ihren Bundesparteitag ab. Über den Zustand der SPÖ sprach der KURIER mit dem früheren Finanzminister und Kreisky-Sekretär Ferdinand Lacina.

KURIER: Herr Lacina, eigentlich müsste es der SPÖ gut gehen. Die Reichen werden reicher, das ist unbestritten, und dies spricht für das Kernprogramm der SPÖ, nämlich Umverteilung. Was läuft dennoch schief?

Ferdinand Lacina: Der Parteitag findet in einer Zeit statt, in der eine kritische weltwirtschaftliche Situation droht: Rezession in Japan, deutlich niedrigeres Wachstum der Weltwirtschaft, hohe und tendenziell steigende Arbeitslosenraten sowie eine Investitionslücke. Im öffentlichen Bereich gibt es die Investitionslücke, weil die Defizite zurückgefahren werden; im privaten, weil Investitionen in Finanzkapital immer noch rentabler sind als in Sachkapital. Die Einkommensschere klafft immer weiter auseinander, was bewirkt, dass ein guter Teil des zusätzlichen Einkommens nicht konsumiert, sondern wieder angelegt wird, was in Richtung Blasenbildung geht, siehe Aktien- und Grundstücksmarkt. So erklärt sich die Absurdität, die wir derzeit sehen, dass die Aktienkurse steigen, obwohl das Wachstum zurückbleibt, und es den Unternehmen nicht wahnsinnig gut geht.

Was ist die Antwort der Sozialdemokratie darauf?

Franz Voves hat auf dem steirischen Parteitag gesagt: Die Sozialdemokratie hat keine programmatische Antwort auf die Probleme des 21. Jahrhunderts. Damit hat er nicht unrecht. In dem einen oder anderen Fall weiß die Sozialdemokratie zwar, was richtig wäre, aber sie kann sich nicht durchsetzen, was damit zusammenhängt, dass sie nicht imstande ist, Bündnispartner anzusprechen. Der Herr Franziskus in Rom zum Beispiel sagt selbst, dass er schon wie ein Kommunist redet.

Aber die SPÖ verlangt doch ohnehin eine Millionärssteuer.

Es ist schon gut, eine Millionärssteuer zu verlangen, aber es glaubt jeder, es geht nur um Neid. In Wahrheit ist es so, dass in der Wirtschafts- und Finanzkrise riesige Vermögen gerettet wurden unter Einsatz der Mittel der Steuerzahler, wodurch in Europa die öffentliche Verschuldung um zehn bis zwölf Prozent gestiegen ist. Diese Verschuldung wird nun zurückgeführt, indem Sozialleistungen gekürzt werden. In Südeuropa sind die Leute in Richtung Armut unterwegs. In Griechenland zum Beispiel sind das Sozialprodukt und die Einkommen insbesondere der kleinen Leute massiver zurückgegangen als zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Dass die Kompetenz der Sozialdemokratie nicht vorhanden ist, diese Zusammenhänge glaubwürdig darzustellen, sondern dass sie sich im Gegenteil als Großvater-Partei darstellen lässt, das beklage ich.

Worauf führen Sie das zurück?

Das hängt damit zusammen, dass sich die SPÖ in den letzten Jahren außerordentlich verengt hat. Früher hieß es, ein Stück des Weges gemeinsam mit der SPÖ zu gehen. Heute hat man den Eindruck es heißt, lieber einsam als gemeinsam. So kommt es, dass der Sozialdemokratie in vielen Fragen die glaubwürdig vorgebrachten Argumente fehlen.

Hat die SPÖ ihr politisches Know-how vergessen?

Leute, die glaubwürdig und mit Durchschlagskraft auftreten könnten, kommen in einem Klima, in dem Kritik nicht erwünscht ist, einfach nicht auf. Diese Leute interessiert es dann auch nicht mehr, sich in der Sozialdemokratie zu engagieren. Eine Sozialdemokratie, die nur davon redet, dass sie geschlossen sein muss, wird bald geschlossen sein.

Was sollte die SPÖ ändern?

Man sollte jungen Leuten, die bereit sind, sich zu engagieren, zuhören und Einflussmöglichkeit geben. Es wäre vernünftig, nicht nur auf SPÖ-Mitglieder zu hören, sondern darüber hinaus zu gehen. Wenn nur im eigenen Saft gekocht wird, kommt es dazu, dass Leute, die früher SPÖ gewählt haben, plötzlich Neos-Wähler werden, weil Neos spannender sind. Die SPÖ wird wieder spannend sein, wenn das eine oder andere kontrovers diskutiert wird, wenn mehr Ecken und Kanten da sind. Früher war die SPÖ imstande, kontroversielle Debatten, auch auf einem Parteitag, auszuhalten.

Bei der Wehrpflicht legte die SPÖ eine spannende Kursänderung hin. Warum ging das schief?

Die Wehrpflicht ist ein Musterbeispiel dafür, dass nicht nur die Kampagnenfähigkeit nachgelassen hat, sondern dass niemand diskutiert oder erklärt hat, was eigentlich die SPÖ dazu brachte, diesen Kurswechsel vorzunehmen. Es den Leuten nur über die Kronenzeitung auszurichten, ist zu wenig. Die Kronenzeitung hat einen gewissen Einfluss, aber sie garantiert keine Wahlerfolge, auch Briefe und Inserate in der Kronenzeitung tun das nicht.

Ferdinand Lacina: Duett mit Johannes Ditz

Lacina: "SPÖ wird bald geschlossen sein"
Johannes Ditz, Ferdinand Lacina
Politische Karriere: Ferdinand Lacina (72) war Kabinettschef von Kanzler Bruno Kreisky. Unter Fred Sinowatz war er Verstaatlichtenminister, unter Franz Vranitzky Finanzminister.

Im Duett: In der großen Koalition bildete Lacina eine Achse mit ÖVP-Finanzstaatssekretär Johannes Ditz. Sie führten die Steuern auf Kapitalerträge ein, schafften Vermögenssteuer ab.

Privat: Lacina ist mit Ex-Bischöfin Gertraud Knoll verheiratet.

Kommentare