Kontenöffnung: "Land der Sammler, datenreich"

Matthias Strolz
Neos-Chef Strolz kämpft im Parlament gegen einen "Generalangriff auf Bürgerrechte".

Der Zorn über die Regierungspolitik schwillt an. Anders ist nicht zu erklären, warum eine Parlamentsrede eines Oppositionspolitikers zum Hit wird. Mehr als eine halbe Million User haben die letzte Rede von Neos-Chef Matthias Strolz auf Facebook angeklickt.

Mit dem Plan, den Finanzbeamten ungehinderte Einschau in alle Privatkonten einzuräumen, erregt die Regierung öffentliches Ärgernis. Strolz verlieh dem ein Ventil. Im Nationalrat wetterte er: "Fünf Jahre nach der Hypo-Verstaatlichung wissen wir immer noch nicht, wie hoch die Haftungen der Bundesländer sind; gibt es immer noch keine Transparenz bei öffentlichen Finanzen – aber der Staat will in alle Privatkonten hineinschauen." Einen "gläsernen Staat statt eines gläsernen Bürgers" fordert Neos. Gemeinsam mit dem Team Stronach hat Neos für morgen eine Sondersitzung des Nationalrats auf die Agenda gesetzt. Süffisanter Titel der Veranstaltung: "Land der Sammler, datenreich".

***

Die Regierung ist den Bürgern eine Menge an Transparenz schuldig.

Amtsgeheimnis In Österreich ist noch alles "geheim", was nicht ausdrücklich als öffentlich erklärt wird. In reifen Demokratien ist es längst umgekehrt. Und was bei uns alles für "geheim" befunden wird, wurde zuletzt bei den Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss offenkundig. Da schwärzten Beamte sogar Presseaussendungen.

Journalisten können sowieso Bücher damit füllen, wie von öffentlichen Stellen systematisch Auskunftsverweigerung und mitunter auch absichtliche Irreführung der Öffentlichkeit betrieben wird.

Bundesländer-Finanzen Trotz Hypo-Debakels gibt es immer noch keine Transparenz bei den Bundesländern, weder bei Haftungen, noch bei ausgegliederten Firmen, noch gibt es ein einheitliches Haushaltsrecht.

Förderdschungel Mit der Transparenzdatenbank wollte der Staat Licht in den Förderdschungel bringen. Die Stadt Wien hat das Projekt nach jahrelangem Gezerre endgültig versenkt. Alle Energie und Mühe umsonst.

Umgekehrt sammelt der Staat Daten der Bürger und startet "einen Generalangriff auf die Privatsphäre", so Strolz.

Dabei nimmt Neos zwei Regierungsvorhaben unter Beschuss .

Öffnung von Privatkonten ohne richterliche Kontrolle. Die von der Regierung geplante Öffnung aller Privatkonten für Finanzbeamte wurde vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts zerrissen. Die Regierung plant nämlich, die Daten auch bereits aufgelassener Konten zehn Jahre zu speichern.

In Deutschland wird Kontenöffnung mit richterlichem Beschluss seit einigen Jahren praktiziert. 2005 wurden von den Finanzbehörden 8700 Konten eingesehen, 2014 waren es bereits 230.000 ohne richterlichen Beschluss. "Die Zugriffszahlen in Deutschland explodierten", sagt Strolz.

Das geplante Staatsschutzgesetz Aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll mit erweiterten Befugnissen ein zusätzlicher Inlandsgeheimdienst werden, der keiner parlamentarischen Kontrolle unterworfen ist. Auch sieht das Gesetz Grundlagen für neun Landesgeheimdienste vor. Dem Rechtsschutzbeauftragten kann jederzeit mit dem Argument "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" die Akteneinsicht verwehrt werden.

Für Neos ist das alles untragbar. "Der Staat steht im Dienst des Menschen und nicht umgekehrt", sagt Strolz. Für Neos seien Freiheit, individuelle Entfaltung und Bürgerrechte zentral. Es sei ein gesellschaftliches Megathema, wie man mit den Möglichkeiten der Digitalisierung umgeht. Strolz: "Die Technik kann mehr, als erlaubt ist. Darauf wurde noch keine Antwort gefunden."

Abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken traut Strolz auch den heimischen Behörden nicht ganz über den Weg. Er glaubt, dass sie politisch eingesetzt werden. Beispiele: "Zufällige" Steuerprüfungen bei Neos-Aktivisten; Primarärzte, denen nahegelegt wird, sich nicht für Neos zu engagieren. Strolz: "Ich glaube zwar an das Gute im Menschen, aber eine gewisse Naivität habe ich abgelegt."

***

Obwohl Neos gerade den Einzug in zwei Landtage verpasste, ist Strolz nicht trübsinnig. Er glaubt, dass es künftig wieder mehr Raum für seine liberale Partei geben wird. Strolz: "Die ÖVP ist dabei, den liberalen Anstrich, den sie sich aus Angst vor Neos gegeben hat, zu verlieren. Die Landtagswahlen haben gezeigt, dass die ÖVP in Richtung FPÖ ausrinnt. Die ÖVP wird mit einem Rechtskurs versuchen, diese Flanke abzudichten."

Kommentare