Kern nimmt Kurs auf Duell mit Kurz
Morgen ist Schluss mit sommerlustig am Millstätter See, an dem Christian Kern ein paar Tage weilt. Internationale Termine stehen auf der Agenda: Am Donnerstag ist der SPÖ-Kanzler mit den übrigen sozialdemokratischen Regierungschefs bei einem "Working Lunch" in Paris, am Samstag trifft er sein deutsches CDU-Gegenüber Angela Merkel im Schloss Meseberg in der Nähe Berlins. Dort wie da geht es um die Vorbereitung des EU-Sondergipfels am 16. September in Bratislava zu den Folgen des Brexit.
Bühne im Ausland
Drei Tage später wird Kern im Rahmen der UN-Generalversammlung in New York sein – unter anderem bei einem Gipfel zur Flüchtlingsfrage, zu dem Noch-Präsident Barack Obama lädt. Aufritte im Ausland, die sich auch in Österreich bildlich gut machen.
Druckmacher ÖVP
Mit der Arbeitslosigkeit steigt die Zukunftsangst im Land, immer mehr Menschen stehen Flüchtlingen skeptisch gegenüber. Kerns Koalitionspartner ÖVP versucht, daraus Polit-Kapital zu schlagen. Nahezu täglich macht sie Verschärfungsbegehrlichkeiten öffentlich. Kerns SPÖ, die keine Themen setzt, ist irritiert.
Bisherige Sprachregelung war: Nicht sofort Nein sagen, sich "diskussionsbereit" geben. Oder gar dafür sein. Er unterstütze "den politischen Wunsch" von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz, Burka und Niqab im öffentlichen Raum zu verbieten, sagte SPÖ-Klubchef Andreas Schieder kürzlich. Mit Entgegenkommen ist es nun aber vorbei.
SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda kritisiert scharf – nicht Vizekanzler und Parteichef Reinhold Mitterlehner, sondern Kurz. Die Roten haben ihn im Visier, weil sie wissen, dass Mitterlehners Zeit als ÖVP-Oberst begrenzt ist. Und die Schwarzen Kurz zum Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl machen könnten.
Populismuswettlauf
Mit diesem habe Kern "einen großen Herausforderer, was kreative Zukunftsvorschläge betrifft", befindet Glück. Auch Kurz ist abseits der eigenen Klientel beliebt, auch er weiß sich zu verkaufen.
Populistisch sei Kerns Ansage nicht, meint der Ex-SPÖ-Geschäftsführer und jetzige Kommunikationsfachmann Josef Kalina. Das sei "Realismus. Über 80 Prozent der Österreicher stimmen zu. Die SPÖ braucht eine Führung, die mehrheitsfähig sein kann." Derzeit hat allerdings die FPÖ laut allen Umfragen eine relative Mehrheit. So auch nach einer von Kalinas Institut Unique research für profil gemachten Befragung: Die Blauen liegen mit 33 Prozent vor den Roten (26 %) und den Schwarzen (21 %).
Kerns Herausforderung werde, "Rote, die zur FPÖ gegangen sind, zurückzuholen", sagt Kalina. Für Glück muss er "seine SPÖ-internen Bremser von einer aktiven Wirtschaftspolitik überzeugen, wie er sie angekündigt hat". Leadership habe er zu zeigen: "Er muss in einem klugen Mix aus Leben-und-Leben-lassen-Regierungsarbeit vorweisen." Kern formulierte es vor 100 Tagen so: "Wenn wir jetzt nicht kapiert haben, dass das unsere letzte Chance ist, dann werden die beiden Großparteien von der Bildfläche verschwinden."
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