Kern, ein Genosse der Jung-Bosse

Eine Frage der Tiefenschärfe: SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern und ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner treffen einander – als Partner und Konkurrenten – auf dem Feld der Wirtschaftspolitik
Der SP-Chef greift ein klassisches ÖVP-Thema auf, auch das Förderpaket für Start-ups gelingt.

In den ersten Tagen und Wochen nach seiner Angelobung am 17. Mai überraschte der neue rote Kanzler Christian Kern mit Ansagen und Forderungen nach einer Maschinensteuer und Arbeitszeitverkürzung. Dem nicht genug, brachte Kern sogar die totgesagte Vermögenssteuer neu aufs Tapet.

Kein Wunder, dass die Gewerkschaft über den frischen Wind von links jubilierte. Die Wirtschaft allerdings, die große Hoffnungen in den Mann aus ihren Reihen gesetzt hatte, warf ihm den Griff in die Maschinenstürmer-Mottenkiste vor.

Nadelstreif

Aber der angesagte Klassenkampf im Nadelstreif findet nicht statt. Nach dem SPÖ-Parteitag am 25 Juni hat sich der Fokus verschoben. Jetzt ist Kern thematisch dort angekommen, wo ihn Freund und Feind von Anfang an gesehen und erwartet hatten. Der frühere Auslandschef im Verbundkonzern und spätere Vorstandschef der Bundesbahnen muss plötzlich bei der Gewerkschaft harte Überzeugungsarbeit leisten und erntet Applaus von Wirtschaft und Banken.

Die Rede ist nicht vom 185-Millionen-Paket für innovative Start-up-Firmen, das am Dienstag präsentiert wurde. Hier sind sich alle Beobachter einig, dass die Maßnahmen von der Lohnnebenkosten-Senkung bis hin zu den Finanzierungs- und Bürokratie-Erleichterungen wichtig, richtig und ohnehin hoch an der Zeit waren. Die Rede ist vielmehr vom geplanten Aus der Bankenabgabe.

Eingeführt, um die Banken an den Kosten der Finanzkrise ab 2008 zu beteiligen, dürfte diese im internationalen Vergleich hohe Sondersteuer bereits 2016 der Vergangenheit angehören. Schon am kommenden Dienstag wollen Kern und VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner die Einigung über ihre De-facto-Abschaffung präsentieren. Das ist für Kern kein business as usual.

In der klassischen SPÖ-Wählerschaft gelten Banken als alles anderes als schützenswert. Die Abschaffung der Bankensteuer war unter Kerns Vorgänger Werner Faymann ein absolutes No-Go.

Interne Kritiker

Doch Kern tickt anders. Er hat seine Argumentationslinie gegen parteiinterne Kritiker schon parat: "Banken sind ein wichtiger Teil unseres Wirtschaftslebens, daher haben wir Interesse an ihrer gesunden Entwicklung", sagte er am Dienstag nach dem Ministerrat. Österreichs Kreditinstitute drohten außerdem abzuwandern, wenn die Bankenabgabe (550 Millionen) und – ab 2017 – die EU-Einlagensicherung (zusätzlich eine Milliarde Euro) parallel bestehen würden. Diese Doppelbelastung werde man verhindern, die Steuer aber nicht einfach streichen. Die Institute müssten eine Abschlagszahlung leisten, die der SPÖ-Chef für Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung zweckwidmen will.

Das heißt: Die Großbanken Bank Austria, Erste & Co zahlen einen einmaligen Obolus von einer Milliarde Euro, das entspricht der Bankensteuer von rund zwei Jahren. Und damit fällt die Sonderabgabe bis auf eine für die Branche verkraftbare jährliche Zahlung von (national) 100 bis 150 Millionen – plus 450 Millionen an den EU-Fonds. Zum Vergleich: Der Gewinn der Branche lag 2015 bei 3,7 Milliarden Euro.

Bank-Austria-Chef Robert Zadrazil deponierte kürzlich: "Mit dem neuen Bundeskanzler ist ein anderes Gesprächsklima entstanden." Und dieses neue Klima soll sich nicht nur für Banken und Firmengründer auszahlen. Auch die Gewerbeordnung wird bis Herbst entrümpelt. Kern und Mitterlehner wollen bis dahin noch mehr Wirtschaftsthemen angehen, die kalte Progression entschärfen sowie die Sozialversicherungen effizienter machen. Und überhaupt: Den rot-schwarzen Neustart leben.

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