Mehr Geld und Personal für marode Gefängnisse

Minister Brandstetter stattete der Justizanstalt Stein einen unangekündigten Besuch ab: "Ich sehe mich raus und glaube zu wissen, was zu tun ist", sagt er über seine Reformen.
Interview: Wolfgang Brandstetter will Beamte besser einsetzen und pädagogische Betreuung für Häftlinge.

Justizminister Wolfgang Brandstetter bekommt vom Finanzminister außerhalb des Budgetplans eine millionenschwere Finanzspritze, um den von seinen Vorgängern vernachlässigten Strafvollzug zu reformieren.

KURIER: Es vergeht kaum ein Tag ohne Horrormeldung über den Strafvollzug. Wie begegnen Sie dem?

Wolfgang Brandstetter: Indem wir daran arbeiten, in der Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln zu können, dass Strafvollzug wieder funktioniert. Warum ist der Strafvollzug in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden? Weil es für die Öffentlichkeit kein Anliegen war, dafür Geld lockerzumachen. Das hat dazu geführt, dass man diesen wichtigen Bereich massiv vernachlässigt hat.

Der Chef der Justizwachegewerkschaft, Albin Simma, sieht trotz viel Reformankündigung "kein Licht am Ende des Tunnels". Was sagen Sie ihm darauf?

Ich werde ihm sagen, dass die 100 zusätzlichen Planstellen jetzt stehen. Aber es muss sich auch qualitativ etwas verbessern, in der Ausbildung, in der Struktur. Es sollte nicht sein, dass teilweise Freitagmittag das Wochenende ausgerufen wird und die Leute nur noch verwahrt werden. Das Ziel ist Resozialisierung, eine pädagogische Aufgabe. Ich habe mit jungen Justizwachebeamten gesprochen, da merkt man diesen Idealismus: "Wir wollen eine Betreuungseinrichtung sein." Es ist bedrückend zu sehen, wenn diese jungen Beamten im Alltagsbetrieb frustriert werden. Da müssen wir gegensteuern. Die Justizwache ist für die Haftanstalten da und nicht umgekehrt.

Wann konkret gibt es mehr Personal?

Die ersten Stellen werden noch 2014 schnellstmöglich besetzt. Ich muss schauen, ob ich Leute mit einer handwerklichen Ausbildung bekomme, um die Ausbildungswerkstätten, z. B. in Stein, voll auslasten zu können. Ich will die Planstellen qualitativ bestmöglich besetzen. Es geht aber auch um die Untersuchung von 400 Insassen im Maßnahmenvollzug durch unabhängige Gerichtspsychiater, ob die dort optimal betreut werden können, wo sie gerade sind. Dass Justizwachebeamte überfordert sind mit schweren psychischen Fällen verstehe ich, das ist nicht ihre Aufgabe. Und es wurden bisher Insassen in Anstalten untergebracht, die dafür nicht geeignet sind. Wir müssen auch den Aufgabenbereich der Anstalten verändern. In Stein wird der Maßnahmenvollzug reduziert, zehn Insassen wurden nach Asten transferiert, das von der Volksanwaltschaft hervorragend bewertet wird. Wir wollten mehr transferieren, aber einige wollten unbedingt in Stein bleiben.

Wann gibt es die Alternative zur U-Haft für Jugendliche?

In zwei Wochen sind wir so weit, dass wir Verträge mit vier Vereinen für betreutes Wohnen unterschreiben.

Werden die Zimmer dort versperrt oder nicht?

Nein, die Art und Intensität der Betreuung ist aber unterschiedlich. Es gibt engere und lockere Formen. Juristisch gesehen ist es die Aufhebung der U-Haft gegen gelindere Mittel. Wer gegen die Auflage verstößt, muss wieder in U-Haft.

Sie wollen die Gefängnisverwaltung zurück ins Ministerium holen. Was wäre im Fall der Vernachlässigung in Stein dann anders gelaufen?

Es geht hier um die Verantwortung, die ich trage. Ich brauche unmittelbare Informationen, um rasch entscheiden zu können. Nach oben hin können Informationen immer gefiltert sein. Am meisten erfahre ich, wenn ich unangekündigt in die Justizanstalten gehe. Ich muss offen sagen: Es ist eine Riesenbaustelle. Wir haben österreichweit einige Verfahren gegen Justizwachebedienstete offen. Wir haben Gegenstände in Zellen gefunden, die dort nichts verloren haben.

Die Gewerkschaft droht mit "Dienst nach Vorschrift". Wie werden Sie reagieren?

Wir tun, was wir können. Deutlich mehr als 90 Prozent der Justizwachebeamten machen einen tollen Job. Es sind viele durch die Strukturfehler, die in den letzten Jahren entstanden sind, ohne ihr Verschulden in Situationen gekommen, in denen sie überfordert sein mussten. Deshalb spreche ich von Strukturreform. Ich bin in laufenden Gesprächen mit dem Finanzminister. Da reden wir von Mitteln, die ich nicht im Budget habe, die wir aber mittelfristig bekommen werden. Die grundsätzliche Zusage habe ich. Wir reden über einen zweistelligen Millionenbetrag für die nächsten drei Jahre, auch für bauliche Maßnahmen.

Sie sagten, mehr als 90 Prozent der Beamten machen einen guten Job. Was tun Sie mit dem Rest?

Dort, wo ich es identifizieren kann, intensive Gespräche zu führen. Die Stimmung muss sich verändern. Ich will, dass die Justizwache sagt: "Wir haben die besondere gesellschaftliche Aufgabe, Straftäter wieder sozial fit zu machen. Insofern sind wir etwas anderes als die Polizei."

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