Jobs: Rot-Blau bevorzugt Burgenländer

Mehr als eine Milliarde Euro an EU-Förderungen hat das Burgenland seit 1995 erhalten. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU freut Hans Niessl und Johann Tschürtz weniger.
Die Landesregierung will den Ausländeranteil bei den Arbeitnehmern in öffentlichen Betrieben zurückdrängen.

Während die rot-blaue Regierung im Burgenland ihrer Kür im Landtag am 9. Juli entgegenfiebert, sind Vorboten ihrer Arbeitsmarktpolitik bereits deutlich erkennbar. Die zielt darauf ab, "burgenländische Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen und mit dem Ziel Vollbeschäftigung mehr Beschäftigung für Burgenländerinnen und Burgenländer zu erreichen", wie im eiligst geschmiedeten Koalitionspakt ein wenig holprig getextet wurde.

Ungarn ersetzt

In der landeseigenen Therme Lutzmannsburg wurden schon in den vergangenen Monaten Nicht-Burgenländer durch Burgenländer ersetzt. Die Schubumkehr erfolgte nicht durch Kündigungen, sondern nach Neuausschreibungen. Burgenländer würden angestellt, "wenn die Qualifikation passt", betont Franz Kast, Vorstand der Wirtschaft Burgenland GmbH, Förderagentur des Landes und Eigentümerin der Therme. Dabei gelten auch das klaglose Beherrschen der deutschen Sprache und räumliche Nähe des Wohnorts zur Therme als Aufnahme-Kriterien, denn "90 Prozent unserer Gäste kommen aus Österreich", erläutert Kast. EU-Recht – etwa Arbeitnehmerfreizügigkeit – werde dadurch nicht verletzt, versichert auch das Arbeitsmarktservice.

Lohngefälle

Wer aber glaubt, dass Burgenländer Schlange stehen, irrt. Trotz der mehr als 1000 Arbeitslosen im Bezirk Oberpullendorf sind ungarische Bewerber immer noch haushoch in der Überzahl. Ein Mindestlohn von 1400 Euro brutto und regelmäßige Wochenendarbeit schrecken heimische Bewerber ab – und ziehen Ungarn an. Kein Wunder beim dortigen Mindestlohn von 400 Euro brutto, weiß ÖGB-Experte Bertold Dallos.

Dennoch: "Aktuell kommen 52 Prozent der rund 190 Mitarbeiter in der Therme aus dem Burgenland", vermeldet Kast, 48 Prozent kämen hauptsächlich aus Ungarn. Vor einem halben Jahr lag der Ausländeranteil bei 58 Prozent. Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) wollte das kurz vor der Landtagswahl nicht länger hinnehmen.

Von seinem ÖVP-Vize Franz Steindl, der sich im "freien Europa" weigerte, zwischen burgenländischen Arbeitsplätzen und Jobs für Ausländer zu unterscheiden, verlangte Niessl damals eine "Kurskorrektur". Auf SP-Druck wurde die Förder-AG des Landes vor der Wahl in eine GmbH umgewandelt, damit die Politik dem Management Weisungen erteilen kann. FP-Boss Hans Tschürtz, der schon 2010 "burgenländische Arbeitsplätze für Burgenländer zuerst" getrommelt hatte, frohlockte: Es tue gut, dass "der Landeshauptmann unseren Weg geht".

Jetzt machen sich Niessl und Tschürtz tatsächlich gemeinsam auf den Weg. Blaue Forderungen haben Eingang ins Regierungsprogramm gefunden, wurden aber gleichsam sozialdemokratisch eingehegt und weichgespült. "Es ging uns nie darum, nur Burgenländer zu beschäftigen, sondern, dass sie zuerst eine Chance erhalten", präzisiert der künftige FPÖ-Wirtschaftslandesrat Alexander Petschnig.

Über den Tellerrand

Wirtschaftskammerpräsident Peter Nemeth warnt vor einer Verengung der Perspektive: Viele Branchen seien schlicht auf ausländische Beschäftigte angewiesen, man denke nur an die Pflege. Und Ungarn würden um 130 Millionen Euro in Österreich einkaufen, wolle man denen signalisieren, dass sie lieber heimfahren sollten? Nemeth: "Was machen wir mit unseren Firmen, die in Polen Straßen bauen oder in Deutschland arbeiten? Man muss schon über den Tellerrand hinausschauen und der hört nicht in Kittsee auf".

Gemeindewache

Apropos Grenzort Kittsee: Dort und in anderen Gemeinden mit "hoher Kriminalitätsrate" soll es künftig ein "Gemeindesicherheitskonzept" geben. Vielleicht kommt da durch die Hintertür noch eine weitere freiheitliche "Job-Initiative" zu Ehren: Gäbe es in jeder Kommune eine eigene Gemeindewache, könnten auf einen Schlag an die 800 neue Arbeitsplätze im Land geschaffen werden, hatte Tschürtz vor der Wahl im Landtag getönt – vielleicht bald ein weiteres Beispiel rot-blauer Burgenländer-Beschäftigung.

Warum brennt „Ausländerbeschäftigung“ Rot und Blau unter den Nägeln? Beim EU-Beitritt 1995 gab es im ärmsten Bundesland 75.300 Arbeitsplätze, 2014 waren es 98.600 – 60 Prozent der neuen Jobs gingen an Ausländer, meist Ungarn. Seit 1. Mai 2011 sind sie zudem Inländern auf dem Arbeitsmarkt gleichgestellt, ebenso wie Bürger der ebenfalls ans Burgenland grenzenden Slowakei und Sloweniens. Mittlerweile sind 21 Prozent der rund 103.000 Beschäftigten Ausländer. Dass auch Unternehmen aus den Nachbarländern ihre Dienste uneingeschränkt anbieten können, steigert den Konkurrenzdruck bei niedrig qualifizierten Arbeitnehmern und Betrieben im Bau- und Baunebengewerbe. Und deren Beschäftigte wählen wohl meist Rot oder Blau. Dazu kommt steigende Arbeitslosigkeit, im Juni plus 8,1 Prozent auf 8636 Personen. Dass das Burgenland andererseits jahrelang am meisten von den Brüsseler Fördertöpfen profitiert hat (1,1 Milliarden Euro seit 1995) wird schnell vergessen.
Nicht nur im direkten Einflussbereich des Landes will man gegensteuern. Im „Wirtschaftsprogramm für das 21. Jahrhundert“ wird „burgenländisch gebaut“. Siedlungsgenossenschaften unterlägen nicht dem Vergaberecht und vergeben heuer Aufträge über 120 Millionen Euro an burgenländische Firmen, so Landeschef Hans Niessl. Ausländische Firmen haben keine Chance. Niessl vor der Wahl: „Warum sollten sie den Auftrag bekommen, wenn wir burgenländisch bauen?“

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