Politiker sagen Hass-Postings den Kampf an

"Das Aggressionspotenzial, das hier sichtbar wird, macht Sorge", sagt Wolfgang Brandstetter.
Justizminister Brandstetter erwägt höhere Strafen und will mehr Prävention.

Hundesohn, ich hoffe, dass die muslimischen Wähler aufwachen und dafür sorgen, dass solche Judengeburten, wie sie es sind, verrecken lassen. FUCK ISRAEL." Eine Reaktion auf einen Facebook-Eintrag von Sebastian Kurz, die sprachlos macht. Und die exemplarisch ist für viele der Postings, die des Außenministers Aufruf auslöste, die Gewalt in Nahost zu beenden.

Immer mehr Hass-Poster und "Shitstormer" sind in sozialen Netzen unterwegs. Eine Sturmwelle traf Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Volksmusikant Andreas Gabalier hatte die Bundeshymne ohne "Töchter" gesungen. Heinisch-Hoseks Replik: Ein Foto auf Facebook, auf dem sie den tatsächlichen Text in die Kamera hält, als "Lernhilfe" für Gabalier. Mehr hatte sie nicht gebraucht. Wegen Kommentaren dazu wurde gar die Staatsanwaltschaft aktiv. Sie prüft wegen Verdachts der gefährlichen Drohung.

Kurz wendet sich an Behörden

Kurz wandte sich selbst an die Behörden – "weil man bei Hetze und Diskriminierung nicht zuschauen, sondern die geltenden Gesetze auch nutzen soll", wie es im Außenamt heißt.

Nun schaltet sich Justizminister Wolfgang Brandstetter ein. "Das Aggressionspotenzial, das hier sichtbar wird, macht Sorge", sagt er dem KURIER. Was tun? Strafen zu erhöhen, sei ein Mittel: "Das will ich nicht ausschließen." SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist skeptisch: "Das greift zu kurz." Breit zu debattieren sei über dieses Phänomen: "Was können Netzbetreiber tun? Wie denkt die Netzgemeinschaft darüber?" Anwalt Alfred Noll warnt vor einem unüberlegten "Schnellschuss. Und dann tauchen Dinge auf, die nicht intendiert sind." Gelten sollte: "Im Zweifel pro libertatis." Abgesehen davon seien schon jetzt zwei "No-Gos" erfasst: "Niemand hat das Recht, falsche Tatsachen zu behaupten." Und es gebe das Verbotsgesetz und den Verhetzungsparagrafen. Advokat Michael Rami rät davon ab, höhere Strafen für Hass-Poster auch nur zu erwägen: "Das Strafrecht sollte immer ultima ratio sein. Für Betroffene sind solche Postings ärgerlich, man soll aber nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen." Wie Noll reichen ihm die bestehenden Gesetze.

Kaum Verurteilungen

Verurteilt wird wegen Verhetzung freilich kaum. 2013 gab es 250 Anzeigen, zehn Prozent davon führten zu einer Anklage. Nur die Hälfte derer, die vor dem Richter standen, wurden verurteilt. Die Kärntner FPÖ hat in den vergangenen drei Jahren 120 Klagen aller Art gegen Postings eingebracht. Erfolgsquote: 30 %. Derzeit drohen bei Verhetzung bis zu zwei Jahre Haft. Warum wird selten sanktioniert? Der Tatbestand könnte zu unpräzise formuliert sein, sagt Brandstetter: "Über diese und andere Fragen werden wir im Herbst bei einem Gipfel reden."

Dass Verbalumtrieben auf Twitter & Co. mit der Justiz allein nicht beizukommen ist, weiß Brandstetter. Prävention sei angesagt: "Schüler sind für solche Dinge empfänglich und interessiert daran. Man kann sie da auch immunisieren." In Schulen sollte "noch stärker" aufgeklärt werden – in Sachen "Postingkultur". SPÖ-Mandatarin Elisabeth Grossmann begehrt das ebenfalls: "Der Umgang mit Neuen Medien muss gelernt werden." Hier treffen sich Politiker und Juristen.

International wird vor allem von Medienhäusern diskutiert, wie im Internet das Einhalten grundlegender Anstandsregeln durchgesetzt werden kann. Einige Verlage wollen Klarnamen einführen, die eine eindeutige Identifizierung der Urheber von Postings ermöglichen. Eine wissenschaftliche Untersuchung des Psychologen John Suler kommt allerdings zum Schluss, dass die Anonymität nur teilweise für enthemmte Kommentare verantwortlich ist. Kampfposter schreiben auch unter ihren echten Namen gehässige Wortmeldungen, wie etwa bei Facebook nachgeprüft werden kann, wo zumindest theoretisch Klarnahmenzwang herrscht.

Ein Weg, den andere Medienhäuser, wie der KURIER, gewählt haben, ist die Moderation ihrer Foren. "Wir haben Mitarbeiter, die unpassende Inhalte entfernen, User verwarnen und im Extremfall sperren", sagt Lorenz König, Community-Manager bei der Neuen Zürcher Zeitung dem KURIER. Bei Zeit Online wird derselbe Ansatz verfolgt: "Wir sind mit unserem Moderationsmodell sehr zufrieden. 99,9 Prozent der Kommentare sind konstruktiv, die Wahrnehmung der Forenkultur wird durch wenige Kampfposter verzerrt", sagt Community-Managerin Annika von Taube. Einige wenige Aggressoren lassen sich auch durch technische Maßnahmen nicht abschrecken. "Hasspostings sind ein Störfaktor, wir sehen das aber als Teil der Online-Kultur. Im Umgang damit wäre ein wenig mehr Gelassenheit angebracht", so von Taube.

Kommentare