Golan: Ist Österreich feiger als die Fidschis?

UNO-Soldaten aus Fidschi lösen nun die Österreicher ab. Im Libanon bleiben sie – zu Recht?

Nach dem Streit über den Golan-Abzugs gibt es nun eine einheitliche Linie. Am Mittwoch fand die erste Verhandlungsrunde in New York statt. Die UNO hat die Anliegen an Österreich präzisiert: Ein Teil der Soldaten soll bis Ende Juli bleiben. Der Truppe von den Fidschi-Inseln soll Österreich militärisches Gerät und Ausrüstung überlassen.

Sowohl aus New York als auch aus Wien kommen Signale, wonach offene Fragen bald geklärt sein sollen.

Spätestens seit klar ist, dass Soldaten aus Fidschi und Schweden die Österreicher ersetzen werden, stellt sich die Frage: War der Rückzug militärisch und politisch wirklich geboten?

Der KURIER sprach mit Militärs und Regierungsinsidern – und beantwortet wichtige Fragen:

Sind Österreichs Soldaten feiger als andere?

Nein. Die Regierungsspitze entschied über den Abzug, nicht die Truppe. Die Soldaten haben vermittelt, dass sie bleiben könnten. Ihnen Feigheit vorzuwerfen ist zynisch – bis dato haben 22 Österreicher am Golan ihr Leben verloren.

Ist der Einsatz objektiv gefährlicher geworden?

„Die Frage nach der Gefährlichkeit ist für uns nicht von Bedeutung – jeder Einsatz ist potenziell gefährlich, das liegt im Wesen soldatischen Handelns“, sagt Generalleutnant Christian Ségur-Cabanac, Einsatzleiter im Verteidigungsressort. Entscheidend sei, ob ein Auftrag erfüllt werden könne. Am Golan sei dies in den letzten Monaten schwieriger geworden. „Zuletzt war es im vollen Umfang nicht mehr möglich.“

Warum kann der Auftrag nicht erfüllt werden?

Die Aufgabe ist die Kriegsparteien Israel und Syrien zu überwachen, ob sie den Waffenstillstand einhalten und die Pufferzone respektieren. Durch den Bürgerkrieg kann Syrien die Sicherheit der UNO-Truppe nicht mehr garantieren: UN-Einrichtungen wurden beschossen, Soldaten gekidnappt. Zuletzt wurden die Versorgungswege von Rebellen abgeschnitten – Österreich konnte den Auftrag nicht mehr erfüllen.

Hätte man – trotz Gefahr – nicht versuchen müssen, den Auftrag zu erfüllen?

Das taten Österreichs Soldaten. Das Problem: Die Regeln für den UN-Einsatz wurden der Situation nicht angepasst. „Es wäre schon vor vielen Monaten nötig gewesen, die Truppen mit einem robusteren Mandat auszustatten“, sagt Heinz Gärtner, Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik. Laut geltendem Mandat dürfen sich die UN-Truppen nur leicht bewaffnen (Pistole, Sturmgewehr) und nur im Notfall schießen. Die Aufgabe, das Einsickern bewaffneter Kämpfer in die Pufferzone zu melden, ist auf syrischer Seite Alltag.

Ist also die UNO schuld am Abzug?

„Die UNO war zumindest nicht in der Lage, das Mandat zu ändern“, sagt Brigadier Dieter Jocham, Präsident der Offiziersgesellschaft. Syrien hätte im Falle einer Mandatsänderung zugeben müssen, dass man die Lage auf der eigenen Seite nicht mehr im Griff hat. „Und dazu sind die Syrer offenbar nicht bereit.“

Die USA, Israel und die UNO sind über den Rückzug verärgert. Zu Recht?

Militärs und Politiker weisen das zurück. Außenminister Michael Spindelegger sagte, er allein habe UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon in drei Telefonaten darauf hingewiesen, dass Österreich seine Truppen vom Golan abziehen werde, sollte das Waffenembargo für Syrien fallen. „Österreich drängt die UNO seit mehr als einem Jahr zu Änderungen des Mandats – ohne Erfolg“, sagt Ségur-Cabanac.

Wieso bleibt Österreich dann im Südlibanon?

Die UNIFIL-Truppe hat ein starkes Mandat: Die Ziele der Mission dürfen notfalls mit Waffengewalt durchgesetzt werden, Bewaffnung und Schutz der Blauhelme sind besser (Panzer, Haubitzen, Seeflotte). Die Truppe umfasst rund 15.000 Soldaten.

Hat der Wahlkampf bei der Entscheidung über den Abzug eine Rolle gespielt?

„Das Militär hat der Regierung verschiedene Szenarien aufgezeigt“, sagt ein hochrangiger Beamter zum KURIER. Die Entscheidung sei letztlich wahlbedingt gefallen, denn: „Keine Regierung will über Gebühr riskieren, dass Wochen vor dem Wahltag Särge von Soldaten ankommen.“

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