Amnesty: Österreichs Regierung bricht Menschenrecht

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich
Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt nennt nationale Flüchtlingspolitik "erbärmlich".

"Wir sind in Österreich mit einer Regierung konfrontiert, die Menschenrechte verletzt, Gesetze aushöhlt, Völkerrecht bricht." So lautet der Befund von Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, über die gegenwärtige Bilanz der österreichischen Flüchtlingspolitik, erstellt anlässlich der Präsentation des Amnesty-Jahresberichts 2015/16 auf einer Pressekonferenz am Dienstag.

"Jeder macht seine eigenen Spielregeln"

"Die Genfer Flüchtlingskonvention ist nicht irgendeine nebulose Sozialidee", erinnerte Patzelt, sondern Völkerrecht, EU-Recht "und in Österreich verbindliche gesetzliche Grundlage. (...) Sie kennt keinen Begriff 'Obergrenzen', 'Tagesquote, 'sicheres Herkunftsland' und sie kennt auch nicht den Begriff 'sicherer Drittstaat' mit dem man Ping-Pong spielen kann mit den Menschen." Wer als Regierungsmitglied "grundlegende Spielregeln derart flagrant infrage stellt und als lächerlich und irrelevant bezeichnet, der rüttelt an den Festen unseres Staates, die 'Rechtsstaatlichkeit' heißen", sagte Patzelt. "Es geht auch nicht, dass jeder sich seine eigene Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn macht und jeder festlegt, wo man parkt", illustrierte der AI-Generalsekretär seine Kritik. "Genau das ist am Schluss der Effekt: Jeder macht sich seine eigenen Spielregeln - und das heißt dann Anarchie."

"Unsere Regierung spielt Domino mit Menschen aus Fleisch und Blut", spielte Patzelt auf den im Zusammenhang mit den diversen "Grenzmanagement"-Maßnahmen oft zitierten und bereits beobachtbaren "Domino-Effekt" in Richtung der Westbalkan-Staaten an. "Sie drängt die Staaten auf der Balkanroute dazu, diesem menschenrechtsverletzenden Beispiel zu folgen."

80 Asylanträge täglich: "erbärmlich"

Inakzeptabel ist es für Patzelt zwar, wenn andere EU-Staaten, die wie Frankreich - "wo Menschen im sogenannten 'Dschungel' (bei Calais) dahinvegetieren" - oder Großbritannien, "das nicht nur menschenrechtlich nie in der EU angekommen ist" - nun Österreich für seine Verschärfungen kritisierten. "aber nur, weil andere seit Monaten versagen, zu sagen 'dann brauchen wir auch nicht mehr', das ist unerträglich."

Wenn der Bürgermeister von Beirut angesichts einer knappen Million Flüchtlinge in seiner Stadt meine, "jetzt wird es langsam ein bisschen schwierig", dann ist das für Patzelt "eine Obergrenze, die zutiefst nachvollziehbar ist". Wenn aber Österreich erkläre, nicht mehr als 80 Asylanträge pro Tag bearbeiten zu können, dann sei das nur "erbärmlich, lächerlich und unerträglich". Wobei auch für ihn gilt: "Wir sind nicht die Idioten der Europäischen Union, das ist gar keine Frage. Aber das Versagen Anderer kann doch niemals berechtigen, dass wir lustvoll und überzeugt mitversagen."

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