Fischer: "Keine Durchsuchung von Morales-Jet"

Fischer: "Keine Durchsuchung von Morales-Jet"
Der Präsident erzählt im KURIER-Interview erstmals, wer im Jet von Evo Morales wie Nachschau nach Ed Snowden hielt.

KURIER: Herr Bundespräsident, Sie haben eine aufregende Woche hinter sich. Wann wurden Sie am Mittwoch wegen der erzwungenen Zwischenlandung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales geweckt?
Heinz Fischer:
In den frühen Morgenstunden habe ich einen Anruf am Handy erhalten.

Das heißt Ihr Handy ist in der Nacht immer an?
Ja, mein Handy ist in der Nacht immer an.

Benutzen Sie ein Krypto-Handy, das abhörsicher ist?
Mein Krypto-Handy liegt für besondere Fälle im Büro, im Normalfall telefoniere ich mit einem ganz gewöhnlichen Handy. Als ich die Nachricht erhalten habe, habe ich Morales angerufen und erfahren, dass er mich auch erreichen wollte. Er war fassungslos, dass ihm – als er sich bereits nahe der französischen Grenze befand – der weitere Überflug von einigen europäischen Ländern verwehrt wurde. Er hatte die Wahl, nach Moskau zurückzufliegen oder in Wien zu landen. Er hat sich für die Landung in Wien entschieden.

Haben Sie je von so einem Vorfall gehört oder je einen solchen erlebt?
Nein, noch nie. Das war auch für mich eine Premiere.

Evo Morales und Sie sagen übereinander, sie seien „Freunde“. Er kam vor allem in den USA in Diskussion, weil er meint, dass nicht die Herstellung, sondern die Verwendung von Drogen ein Problem sei – eine problematische Aussage. Teilen Sie diese?
Mein Freund Morales hat eine ganz plausible Haltung in dieser Frage. Er sagt: Koka ist eine Pflanze, die per se nicht verteufelt werden kann; abzulehnen ist die Verwendung von Koka als Grundlage für Drogen. Morales verurteilt den Drogenhandel, aber nicht die Kokapflanze als Lebensgrundlage für seine Bauern.

Fischer: "Keine Durchsuchung von Morales-Jet"
Morales war zur Landung gezwungen, weil die USA Ed Snowden an Bord vermutet haben. Ist tatsächlich überall nachgeschaut worden, ob er als blinder Passagier mit an Bord ist?
Die Darstellung, die ich erhalten habe, hat mir auch Präsident Morales und die Frau Innenministerin bestätigt: Die Maschine hat wegen technischer Probleme um Landeerlaubnis ersucht. Daher hat jemand vom Flughafenpersonal nach der Landung das Flugzeug bzw. den Piloten aufgesucht, um sich nach der Art des technischen Problems zu erkundigen. Der österreichische Beamte hat die Auskunft erhalten, dass der Defekt bereits behoben sei und hat bei dieser Gelegenheit gesehen, dass das Flugzeug leer ist. Er hat nicht unter den Sitzen nachgesehen. Es hat keine formelle Nachschau gegeben, aber es haben sich keine weiteren Personen an Bord befunden.

Das heißt, das Flugzeug wurde also nicht durchsucht?
Es gab keine Durchsuchung im kriminaltechnischen Sinne. Dafür war völkerrechtlich auch kein Anlass gegeben. Das Flugzeug eines Staatspräsidenten gehört zu „seinem Hoheitsgebiet“ und kann nicht ohne weiteres durchsucht werden.

Also eine österreichische Lösung?
Wie immer Sie das nennen wollen. Der Ablauf, den ich Ihnen geschildert habe, ist sowohl von bolivianischer als auch von österreichischer Seite so bestätigt und von keiner Seite kritisiert worden.

Ist Ed Snowden für Sie persönlich eher ein Held oder eher ein Verräter?
Er hat offenbar gegen amerikanisches Recht verstoßen und er ist dabei, den USA beträchtlichen Schaden zuzufügen. Aber ob sich die Vereinigten Staaten klug verhalten, um den Schaden zu minimieren oder ob sie ihn nicht gerade selbst zum „Helden“ machen, das ist die Frage.

Ist Snowden eher ein Fall für die Justiz oder ein Fall für den Maria-Theresien-Orden, der einst für außergewöhnliche Courage verliehen wurde?
Ich sehe keinen Grund für einen Orden oder für eine Verherrlichung. Aber Grund- und Freiheitsrechte dürfen auch in sehr sensiblen Fragen nicht zur Seite geschoben werden.

Was im Fall Snowden offenbar passiert?
Es hat mir noch niemand einen plausiblen Grund für die jüngste Vorgangsweise gegenüber dem Präsidenten von Bolivien nennen können. Stellen Sie sich umgekehrt vor, das wäre irgendwo in Asien auf bloßen Verdacht hin gegenüber einem EU-Staatsoberhaupt oder dem Präsidenten der USA passiert.

Sollte Snowden in Österreich Asyl erhalten?
Das wäre von den Behörden oder allenfalls von den Gerichten auf Grund der Faktenlage zu beantworten. Da wäre es falsch, von oben eine Vorgabe zu machen. Das Asylrecht ist eine rechtliche und humanistische Frage. Politische Überlegungen dürfen nicht im Vordergrund stehen.

Brauchen wir einen EU-Geheimdienst, um uns besser gegen die NSA zu wehren und zu schützen?
In erster Linie brauchen wir mehr gemeinsames und selbstbewussteres Auftreten – auch gegenüber Fürstenthronen, wenn Grund- und Freiheitsrechte infrage gestellt werden.

US-Botschafter William Eacho sagt, er verstehe die Aufregung nach den Enthüllungen von Snowden nicht: Das österreichische Nachrichtenamt und die National Security Agency (NSA) kooperierten seit Jahren einvernehmlich. Hat er recht?
Ich verstehe die Aufregung schon. Wenn verschiedene Dienste vereinbarungsgemäß zusammenarbeiten und einander unterstützen, dann ist das in Ordnung. Aber Gebäude der EU mit Abhörgeräten zu spicken ist nicht in Ordnung. Das ist – wenn die Nachricht stimmt – weder korrekt noch legal und löst zu Recht Aufregung aus.

Fischer: "Keine Durchsuchung von Morales-Jet"
In Österreich haben Sie vor Kurzem große Aufmerksamkeit erregt. Sie haben sich im KURIER gegen einen Beschluss des „Demokratiepakets“ vor der Sommerpause ausgesprochen und eine Begutachtung dieser sensiblen Materie durch Experten gefordert. Da haben Sie sich durchgesetzt.
Einen derart gravierenden Eingriff in die Verfassung kann man nicht sorgfältig genug prüfen. Das ist noch nicht ausreichend durchdacht. Ich habe in vielen Gesprächen festgestellt, dass es sowohl bei SPÖ als auch in der ÖVP, auch bei manchen Grünen und vor allem auch in der Wissenschaft sehr viele Zweifel an der geplanten Stärkung der plebiszitären zulasten der parlamentarischen Komponente in unserer Demokratie gibt. Ich habe an das Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten appelliert und das ist gehört worden.

Gibt es die Furcht, dass eine Mehrheit für die Todesstrafe stimmen würde?
Es geht nicht um fürchten und auch nicht primär um die Todesstrafe, sondern darum, wie man aus der Stimme und Stimmung des Volkes vernünftige Gesetze macht. Es ist ja ein Irrtum zu glauben, dazu brauche man nur einen großen Zettel mit der Frage „Ja“ oder „Nein“. Es war ein langer Prozess, um den Weg vom Prinzip der Ja-Nein-Demokratie, wie sie ja schon vor 2500 Jahren erfunden wurde, zu einem sinnvollen und pluralistischen parlamentarischen Verfahren zu finden.

Also soll es höhere Hürden bei der Unterschriftenzahl und mehr Ausnahmen von Themen geben?
Manche sagen, bei der Todesstrafe, bei der EU etc. müssen wir eine Ausnahme machen. Wieso eigentlich? Wenn es wahr wäre, dass die „Volksdemokratie“ oder eine „Volksgesetzgebung“ besser ist, weil das Volk besser weiß, was für Österreich gut ist als das Parlament, dann dürfte man keine einzige Ausnahme machen. Warum soll das Parlament darüber entscheiden, wo das Volk gescheit ist und wo nicht. Es geht also nicht um die Ausnahmen, sondern um das System als solches.

Die Schweiz wird gerne als Vorbild genannt.
Das ist irreführend, weil das System in der Schweiz ist ein anderes. Dort können die Bürger bei Gesetzesbeschlüssen des Parlaments letzten Endes Nein sagen. Also, das Schweizer System enthält eine Stopptaste für Gesetze, die unpopulär sind. Das österreichische System einer „Volksgesetzgebung“ wäre anders: Es würde ein Tor öffnen, um populäre Vorschläge, die im Parlament keine Mehrheit finden, nach dem Schwarz-Weiß-System ins Bundesgesetzblatt zu bringen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Ihnen wäre lieber, man würde den Parlamentarismus stärken?
Ja, mir wäre lieber den Parlamentarismus zu stärken und bewährte Elemente der direkten Demokratie in vernünftiger Weise anzuwenden, aber nicht im dauernden Spannungsfeld zwischen Populismus und Verantwortungsbewusstsein den Populismus zu stärken. Auch die meisten führenden Verfassungsrechtler stehen diesem Vorschlag skeptisch gegenüber. Ich bin jedenfalls dankbar, dass man sich zu einer genauen Prüfung dieser Materie in Form eines Begutachtungsverfahrens entschieden hat.

In vielen Wirtschaftsbereichen wird mehr und härter gearbeitet, soll das auch für Lehrer gelten?
Ich habe viel Verständnis für Gewerkschaften, die die sozialen Rechte verteidigt. Aber in den Verhandlungen um das Schulthema und das Lehrerthema steckt offenbar ein gutes Stück Parteitaktik und Verhinderungstaktik. Hier müssen sich beide Seiten im Interesse der Zukunft unseres Landes bewegen.

Wann kommt dazu, so wie bei der Demokratiereform, ein ernstes Wort des Bundespräsidenten?
Ich glaube, dass man mir zutraut, dass ich mich bei Demokratie und Verfassung recht gut auskenne und dabei einen unparteiischen Standpunkt vertrete. In der Lehrerfrage und in die Fragen der Gehaltspolitik bin ich weniger eingearbeitet.

Was sagen Sie als Vater und Großvater?
Als Vater sind meine Kinder schon aus der Schule und als Großvater kommen sie erst in die Schule. Und daher hoffe ich, dass wir in der nächsten Gesetzgebungsperiode etwas Vernünftiges zusammenbringen.

Werden Sie in Österreich Ihren Sommerurlaub verbringen?
Ich werde zum Teil am Hallstätter See sein und zum Teil in Mürzsteg.

Machen Sie aus Prinzip Urlaub in Österreich?
Ich mache Urlaub in Österreich, weil es mir hier gut gefällt. Aber es ist kein Prinzip, das ich noch nie durchbrochen hätte. Im Mai 2010 habe ich z. B. ein paar Tage Urlaub in Südtirol gemacht.

Das ist aber nicht das große Fernreise-Abenteuer.
Auslandsurlaub ist mir zu unsicher. Da fahre ich vielleicht ewig weit hin und im Ende gefällt es mir nicht.

Heinz Fischer-Interview Teil 2 im Montag-KURIER: Was Faymann & Co von Kreisky unterscheidet

Kommentare