Lacina: "Faymann soll unverzüglich Platz machen"

Lacina über Faymann: Verbleib zeugt von schlechtem Charakter
Ex-SPÖ-Finanzminister sieht Faymanns Rückzug nach der verlorenen Bundespräsidenten-Wahl als Charaktersache. Oberhauser: Personaldebatte "bringt nichts".

Vor der kurzfristig anberaumten SPÖ-Präsidiumssitzung (Montag, 18 Uhr) meldet sich mit Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina ein weiterer ehemaliger SPÖ-Grande zu Wort, der nach dem Debakel bei der Hofburg-Wahl Faymanns Ablöse fordert. SP-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser warnt hingegen vor Schnellschüssen und spricht sich für Alexander Van der Bellen aus.

KURIER: Herr Lacina, welche Konsequenzen soll Ihre Partei, die SPÖ, aus dem Wahldesaster vom Sonntag ziehen?

Ferdinand Lacina: Wenn Werner Faymann jetzt nicht zurücktritt, zeugt das von schlechtem Charakter. Neue Köpfe genügen zwar nicht, sind aber eine Voraussetzung für das Überleben der SPÖ.

Wer soll ihm nachfolgen?

Faymann muss unverzüglich Platz machen, ich würde fast sagen, einerlei, für wen, nur nicht für Leute des Zuschnitts eines Niessl oder Doskozil.

Was werfen Sie Faymann vor?

Unter anderem, dass er zuerst Merkel bei allem nachgelaufen ist, wissend, dass das auf Dauer nicht haltbar sein wird. Und dann hat er eine 180-Grad-Wende gemacht und versucht, die FPÖ rechts zu überholen. Wenn Faymann auch nur einen Funken für die SPÖ übrig hat, muss er so schnell wie möglich zurücktreten. Wir haben genügend junge Leute in der Partei, die das übernehmen können.

Wie soll sich die SPÖ jetzt bei der Stichwahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen verhalten?

Ich weiß nicht, ob der Rückstand noch aufholbar ist, aber ich vermisse schmerzlich eine klare Wahlempfehlung der SPÖ für Alexander Van der Bellen.

(Interview: Daniela Kittner)

Lacina: "Faymann soll unverzüglich Platz machen"
09.02.2016 Wien , Ministerrat Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPOE) Copyright Agentur DIENER / Alex Domanski

Oberhauser: Personaldebatte "bringt in so einer Situation nichts"

KURIER: Frau Minister, braucht es eine Mitgliederbefragung für eine klare Linie der SPÖ – vor allem in der Flüchtlingspolitik?

Sabine Oberhauser: Eine Mitgliederbefragung ist nie eine schlechte Idee, aber das ist ganz schwierig an der Flüchtlingsfrage festzumachen. Und die Frage nach einer Koalition mit den Blauen stellt sich ganz sicher nicht.

Was sagen sie zur Debatte über Parteichef Faymann?

Eine Personaldebatte bringt in so einer Situation überhaupt nichts. Niemand, der vernünftig ist, führt jetzt eine Personaldebatte.

Aber weiterwursteln wie bisher wird auch nicht gehen ...

Was sicher stimmt ist, dass wir nicht zur Tagesordnung übergehen können. Wir müssen klar bei den Inhalten nachschärfen. Das muss man sich gut überlegen und darf keine Schnellschüsse machen. In erster Linie geht es jetzt darum, dass der Mann des Ausgleichs, Alexander Van der Bellen, im zweiten Wahlgang gewinnt und wir ihn nach Kräften unterstützen.

Ziel sei es, sich bei dem Treffen um 18 Uhr im Parlament klar hinter Parteichef Werner Faymann zu stellen: "Es gibt nur eine SPÖ und als solche sind wir alle dafür verantwortlich, an unserer politischen Strategie etwas zu ändern", so Schmid. "Was uns sicher nicht weiterhilft, sind Personaldebatten. Gemeinsam mit unserem Parteivorsitzenden, Bundeskanzler Werner Faymann wollen wir die SPÖ wieder so aufstellen, dass sie für die Menschen eine vertrauenswürdige Kraft darstellt", hieß es im Namen aller neun Landesparteivorsitzenden.

Zuvor hatte sich die frühere SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer im KURIER kritisch geäußert: "So kann es nicht weitergehen. Es wird Veränderungen geben müssen." Im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung forderte Ederer gar Faymanns Ablöse.

Rumoren in Wiener SPÖ

Innerhalb der Wiener SPÖ sind erste Wortmeldungen in diese Richtung vernehmbar. Die stellvertretende Wiener Klubchefin Tanja Wehsely fordert ausdrücklich eine Personaldiskussion. "Ich gehe davon aus, dass es entsprechende Gespräche geben wird und dass es dabei keine Tabus gibt. Nach so einem Ergebnis ist alles infrage zu stellen. Da muss man auch ernsthaft über Personen diskutieren." Sie wolle kein "Faymann-Bashing" betreiben, sagte Wehsely. Aber man müsse sich die Frage stellen, ob es zum Beispiel sinnvoll sei, mitten im Wahlkampf eine Notstandsdiskussion zu führen.

Tanja Wehsely sprach sich auch für eine Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen aus. Eine erste offizielle Empfehlung für den Ex-Grünen-Chef gab es indes von der Wiener Bezirks-SPÖ in Mariahilf. Man unterstütze damit "jenen Kandidaten, der unseren sozialdemokratischen Vorstellungen am Nächsten kommt", so die Begründung.

"Relaunch der Sozialdemokratie"

Der Mariahilfer SPÖ-Bezirksvorsteher Markus Rumelhart fordert außerdem Veränderungen. "Es ist eine intensive interne Debatte nötig. Es braucht einen Relaunch der Sozialdemokratie" sagt er. Indirekt tritt Rumelhart auch für eine Personaldebatte ein. Denn nach einer inhaltlichen Neupositionierung müsse man als zweiten Schritt darüber nachdenken, "wer das dann wie am Besten repräsentieren kann". Lediglich Personen auszutauschen, werde aber nichts ändern, begründete der Bezirkschef seinen "Relaunch"-Appell.

Wiens roter Bürgermeister Michael Häupl hatte noch am Wahlabend personelle Konsequenzen ausgeschlossen. Scharfe Worte kamen hingegen von den Jung-Sozialisten: "Der Faymann-Doskozil-Kurs ist klar gescheitert", hieß es in einer Aussendung des Verbands Sozialistischer Student_innen (VSStÖ) und der AKS. "Was es jetzt braucht, ist eine rasche inhaltliche und personelle Neuausrichtung und eine Rückbesinnung auf Grundwerte und Menschlichkeit." Ederers Forderung nach einem Rücktritt Faymanns sei keine Einzelmeinung: "Wir fordern deshalb die rasche Einberufung eines Bundesparteivorstandes und eine breite Debatte über die künftige inhaltliche und personelle Ausrichtung."

Stöger: Mehr Glaubwürdigkeit

Die SPÖ müsse wieder mehr Glaubwürdigkeit beim Wähler erlangen. Diesen Schluss zogen Sozialminister Alois Stöger und die Wiener Soziallandesrätin Sonja Wehsely aus dem Debakel des roten Hofburg-Kandidaten Rudolf Hundstorfer. Eine Personaldiskussion wollten die beiden am Rande der Landessozialreferentenkonferenz nicht lostreten. Wehsely meinte, die Personalfrage sei das eine, aber es gehe auch darum, mit mehr Wahrhaftigkeit und einer Neuausrichtung die Menschen wieder zu erreichen. Bei der Wien-Wahl sei dies mit einer klaren Positionierung auch schon gelungen. Auch Stöger wollte die Personalfrage nicht in den Vordergrund stellen. Vielmehr betonte er, dass gute Politik und Glaubwürdigkeit die Basis dafür seien, die Wähler zurückzugewinnen.

Foglar: Personaldiskussion "wie Amen im Gebet"

ÖGB-Präsident Erich Foglar hat den Ausgang der Bundespräsidenten-Wahl als "Zeitenwende" und "Zäsur" erlebt. Dass es in der SPÖ nun eine Personaldiskussion geben werde, sei "so sicher wie das Amen im Gebet", gibt er sich realistisch. Das Präsidium am Montagabend werde aber Geschlossenheit signalisieren und keine Personalentscheidungen fällen.

Es werde eine "eingehende Analyse" des für den SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer desaströsen Wahlergebnisses brauchen, räumt der ÖGB-Chef ein. Zugleich verweist er auf die Aussendung der SPÖ-Landesorganisationen vom Montag, die einer Personaldiskussion eine Absage erteilt hatten. Es liege auf der Hand, dass nun "Geschlossenheit gefragt ist" und es werde heute keine Personalentscheidungen geben. Die Diskussionen über die Parteiführung "haben bisher schon bestanden und werden jetzt wieder losbrechen. Das ist Gegenwart und Realität", weiß Foglar, was auf seine Partei zukommt. Das werde sich auch bis zum Wahlparteitag im Herbst hinziehen.

Mit Wortmeldungen wie jener von Ederer kann Foglar aber nichts anfangen: Eine Personaldiskussion sei natürlich "legitim", doch "man muss auch Antworten haben auf die möglichen Konsequenzen". Und das vermisse er bei solchen Forderungen. "Fürchten muss sich niemand in diesem Land", sagte er noch auf die konkrete Frage, ob Faymann vor dem Parteitag zittern muss.

Mit oder ohne Faymann

Es gibt aber auch Stimmen aus der Gewerkschaft, die personelle Konsequenzen nicht ausschließen. Die Partei müsse sich neu positionieren, meinte "younion"-Vorsitzender Christian Meidlinger - ob mit Faymann oder ohne ihn: "Wer diese Antworten gibt, ist für mich sekundär." Mit Neuwahlen im Herbst rechnen aber weder er noch Baugewerkschaftschef Josef Muchitsch - solche wären "ein Schuss ins Knie", glaubt letzterer.

Auch der frühere SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch meinte, die SPÖ müsse sich nun rasch erneuern - ob mit oder ohne Faymann an der Spitze.

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