Experte: "U-Ausschuss besser als Kommission"

Experte: "U-Ausschuss besser als Kommission"
Klaus Hoffmann rät zu einer raschen politischen Klärung des Finanzdesasters.

Klaus Hoffmann war zuletzt Verfahrensanwalt im Korruptions-Untersuchungsausschuss. Der erfahrene Jurist war lange Präsident der Anwaltskammer, und gilt als exzellenter Kenner der Materie.

KURIER: Mehr als hunderttausend Menschen haben bereits eine Petition zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Causa Hypo unterschrieben. Sind Sie auch dafür?

Klaus Hoffmann: Wir haben schon das Recht zu erfahren, was mit dem vielen Geld passiert ist. Die ganze Geschichte währt jetzt schon über sechs Jahre, es wurde viel untersucht, prozessiert, sogar verurteilt. Dennoch haben wir ein Recht zu erfahren, ob seit der Verstaatlichung alles ordnungsgemäß und gesetzmäßig war, und ob es eine politische Verantwortung gibt.

Die Regierungsparteien sagen, es brauche zuerst eine Reform des U-Ausschusses – zu Recht?

Ja, schon. Aber die Absicht, die Verfahrensregeln zu novellieren, ist kein ausreichender Grund, jetzt keinen U-Ausschuss einzusetzen.

Soll ein U-Ausschuss durch eine Minderheit im Parlament, also durch die Opposition, eingesetzt werden können?

Ja. Die Verfassung sieht vor, dass der U-Ausschuss als Mittel der Kontrolle des Parlaments über die öffentliche Verwaltung eingesetzt werden kann. Diese wird in der Regel von den Regierungsparteien geführt, so kann man zwingend nur zum Schluss kommen, dass die regierende Mehrheit einen U-Ausschuss nicht verhindern dürfen sollte.

Soll die Minderheit auch Zeugen vorladen dürfen und über das Ausschuss-Ende entscheiden?

Wenn man ein Minderheitenrecht einführt, dann muss letztlich auch die Minderheit den nötigen Einfluss haben, was und wie untersucht wird. Das ist diffizil, aber alles andere hätte doch keinen Sinn.

Es wird argumentiert, dass ein U-Ausschuss keinen Sinn macht, solange die Justiz noch ermittelt.

Ich war immer der Meinung, dass Untersuchungsausschüsse auch neben gerichtlichen Untersuchungen arbeiten können. Die rechtliche Beurteilung obliegt Gerichten. Die Prüfung des U-Ausschusses geht in eine andere Richtung, etwa ob bei der Verstaatlichung rechtliche Fehler gemacht wurden oder ob bei der Erstellung der Gutachten über die Werthaltigkeit Fehler gemacht worden sind.

Also nicht warten auf die Justiz?

Nein, die Untersuchung der politischen Verantwortung muss möglichst prompt geschehen. Es hat überhaupt keinen Sinn, dass man Dinge überprüft, wenn die Minister überhaupt keine Minister mehr sind. Denn dann kann man keine Konsequenzen mehr ziehen, etwa durch eine Ministeranklage.

Ist es sinnvoll, dass der Vorsitzende nur den Ausschuss leitet und nicht selber Fragen stellen soll, wie das Präsidentin Prammer vorgeschlagen hat?

Da bin ich anderer Meinung. Als Parlamentspräsidentin muss man möglichst ein objektiver Leiter der Diskussion sein. Aber ein U-Ausschuss ist etwa anderes: Der soll untersuchen. Dafür braucht es eine starke leitende Persönlichkeit, die auch eine gewisse Sitzungspolizei ausüben kann. Denn der Vorsitz, so wie er jetzt ist, ist zu schwach.

Also viel mehr Macht für den Vorsitz?

Ja, das wäre sinnvoll. Der Vorsitzende sollte wie ein Strafrichter in einem Prozess agieren können.

Und der Verfahrensanwalt, braucht der auch mehr Rechte?

Die Position muss gestärkt werden, mit einer eigenen Verantwortlichkeit, der das Wort ergreifen oder die Befragung unterbrechen kann, wenn eine Frage nicht zulässig ist, und das auch begründen können muss. Dann muss darüber diskutiert und entschieden werden.

Soll die Streitschlichtung der VfGH (Verfassungsgerichtshof) machen?

Nein. Der U-Ausschuss ist ein Gremium des Hohes Hauses, und daher müsste eine Schiedsstelle im Parlament angesiedelt sein. Alles andere wäre keine gute Lösung. Wenn immer der VfGH angerufen werden muss, ist ja alles gelähmt, bis dieser entschieden hat.

Oder Elder Statesmen, die schlichten?

Ich bin selber schon ein alter Mann, und finde, diese Entscheidung soll man den im Saft stehenden Jungen überlassen, die sich nicht anmaßen, dass die Lebenserfahrung so weit reicht, dass man unfehlbar ist.

Derzeit steht nur fest, dass jetzt eine Kommission untersuchen soll – unter der Leitung von Irmgard Griss.

Sie ist eine wirklich hoch qualifizierte Juristin, die als Richterin bewiesen hat, dass sie die Kompetenzen hat, so etwas zu leiten. Da gibt es keine Zweifel. Aber sie hat ein stumpfes Instrument. Sie kann niemand zwingen, Unterlagen zu schicken, nur einladen, nicht vorladen, und man muss als Zeuge nicht die Wahrheit sagen. Sie hat nur die Möglichkeit, durch ihre Erfahrung herauszuhören, was wahr sein könnte.

Hätten Sie die Leitung dieser Kommission angenommen?

Würde ich gefragt werden, was sicher nicht der Fall sein wird, müsste ich ablehnen. Das ist für mich nicht das Instrument, das jetzt geeignet ist.

Am Donnerstag will der Bundestag erweiterte Rechte für die Opposition beschließen, gut 100 Tage nach dem Antritt der Großen Koalition. Denn die stellt 80 Prozent der 615 Abgeordneten, womit die Opposition jetzt so klein ist wie nur einmal vor fünfzig Jahren. Damit war von Anfang an unbestritten, dass sie mehr Rechte erhalten soll.

Der Antrag von Union und SPD sieht bei der Redezeit im Plenum für Grüne und "Linke" einen satten Bonus vor: Je nach Debattenlänge sollen sie zusammen zwischen 26 und 32 Prozent der Gesamtzeit erhalten, obwohl es nach dem Sitzverhältnis nur 20 Prozent wären.

Wirksamer für die Oppositionsarbeit dürfte aber deren Verbesserung in den Untersuchungsausschüssen sein. Die Opposition soll auch gegen die Regierungsfraktionen Ausschüsse einberufen können. Bedingung wäre allerdings, dass alle Mitglieder der Oppositionsfraktionen dafür stimmen, also Einstimmigkeit von Linkspartei und Grünen. Das ist in der Praxis eine gewisse Hürde. Auch deshalb, weil sich in der Außenpolitik die Kluft zwischen den beiden linken Parteien gerade wieder vergrößert.

Auch in den Ausschüssen selbst bekommt die Opposition mehr Rechte als in Österreich: Auch hier ist sie bald überproportional vertreten und kann, so sie geschlossen stimmt, auch gegen den Willen der Regierungskoalition Zeugen laden. Im ersten, von allen vier Parteien beschlossenen U-Ausschuss der neuen Legislaturperiode zur US-Abhörpraxis stellt die Opposition zwei der acht Mitglieder, also 25 Prozent. Sie wird damit kaum die Chance auslassen, Kanzlerin Merkel wegen angeblich zu schwacher Reaktionen vorzuladen.

Trotzdem ist der Opposition der Machtzuwachs zu wenig: Sie will auch das Recht, von der Mehrheit beschlossene Gesetze durch das Verfassungsgericht überprüfen zu lassen – und dies notfalls dort auch einklagen.

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