Die FPÖ und die Radikalen: Getrennt marschieren, vereint schlagen

Montag in Wien: Eine Anti-Integration-Demo wird zur FPÖ-Wahlparty - mit Beteiligung von Skinheads
Warum die FPÖ und die rechtsextremen "Identitären" voneinander profitieren.

Kunstblut rinnt über Dachschindeln. Darüber, am First, sitzt FPÖ-Funktionär Luca Kerbl mit Gleichgesinnten und hält ein Transparent: "Islamisierung tötet!"

Am 6. April erkletterten Sympathisanten der rechtsextremen "Identitären" die Zentrale der Grünen in Graz, um gegen Alexander Van der Bellen zu "protestieren". Tage später stürmen "Identitäre" die Universität Wien und stören eine Theater-Aufführung – das Stück handelt von der Flüchtlingsproblematik.

Und schließlich, Montagabend, kommt es in Wien-Floridsdorf zu beklemmenden Szenen: Bei einer Anti-Asyl-Veranstaltung, die die FPÖ zur "Wahlkampf-Party für Norbert Hofer" (© Heinz-Christian Strache) macht, treten Skinheads auf. Die Polizei verhindert Schlimmeres, verhaftet drei Rechte.

Man könnte die Szenen als Einzelfälle abtun – derlei passiert, selbst in einem Präsidentschaftswahlkampf.

Tatsächlich ist die Sache anders. Erst am Dienstag wies das Mauthausen Komitee (MKÖ) warnend darauf hin, dass die Zahl der "Hass-Delikte" (Verhetzung, NS-Propaganda, Gedenkstättenschändung, etc.) seit Jahren rapid steige – innerhalb eines Jahres um mehr als die Hälfte (2014: 750. 2015: 1156).

"Das erinnert an die Umtriebe der Nazis vor 1938", sagt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi. "Wir weisen seit Langem auf die gefährliche Entwicklung hin. Aber leider haben das Innenministerium und der Verfassungsschutz uns ignoriert."

Kann man das so sagen? Ernsthaft? "Der aktuelle rechtsextreme Aktivismus ist mit dem Terror der Nazis vor 1938 kaum vergleichbar", sagt Bernhard Weidinger, renommierter Zeitgeschichte-Experte der Uni Wien und nunmehr beim Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. Allerdings zeigen die Aktivitäten, "dass die Hemmungen sinken" – was wiederum etwas über das gesellschaftliche Klima aussage. "Rechtsextreme Straftaten nehmen zu, wenn Aktivisten das Gefühl haben, sie hätten die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich."

Wie die FPÖ profitiert

An dieser Stelle kommt zwangsläufig die FPÖ ins Spiel. Denn wiewohl sich die Freiheitlichen seit Jahren bemühen, sich von klassischen und plumpen Neonazis zu distanzieren, sind ihnen die Aktivitäten der Identitären offenbar nicht zuwider. Erst am Montag warb der Parteichef bei seinen 334.000 Facebook-Fans für ein Identitären-Video – "junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft".

Die völkische und anti-demokratische Grundhaltung? Scheint in dem Fall zweitrangig, zumal die Annäherung für die FPÖ politisch ein Gewinn ist. "FPÖ und Identitäre stehen nicht in Konkurrenz zueinander, im Gegenteil: Sie ergänzen sich. Der identitäre Aktivismus auf der Straße und in den sozialen Medien mobilisiert jüngere Schichten für freiheitliche Ziele", sagt Weidinger.

Die Identitären würden nicht mit der FPÖ konkurrieren, weil sie nicht bei Wahlen antreten. "Aber sie profitieren von der Unterstützung freiheitlicher Politiker, die die identitäre Propaganda offensiv bewerben und ihr dadurch eine stark erweiterte Öffentlichkeit erschließen."

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