BUWOG-Affäre: Mit Fluggastdaten und Kreditkarten auf Korruptionsjagd

Game Over? Ex-Minister Karl-Heinz Grasser soll 2017 jedenfalls vor Gericht. Ob er schuldig ist oder nicht, das entscheidet ein Schöffensenat
BUWOG-Serie, Teil 4: Sie überprüften Hunderte Kontobewegungen, erstellten Bewegungsprofile der Verdächtigen und fanden bei unerwarteten Razzien geheime Tagebücher und Notizen. Wie die Korruptionsjäger KHG & Co in die Zange nahmen.

Ein übles Gefühl? Das hatte Walter Meischberger an jenem Jänner-Abend sicher; wahrscheinlich hatte er sogar Angst. Immerhin ging und geht es, wie in seinem Tagebuch steht, um seine Existenz. "Ich bin jetzt ein bisserl verunsichert", sagte also der Mann, den Freunde "Walli" nennen, ins Telefon.

Am anderen Ende der Leitung: Ernst Karl Plech. Der Immobilien-Experte und väterliche Freund von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser war gerade in Australien – Urlaub. Walli beneidete ihn deshalb. Keine Anrufe, keine lästigen Journalistenfragen zur BUWOG-Affäre, die die Öffentlichkeit seit Monaten beschäftigte. Meischberger plagten Sorgen wegen seines Steuerberaters: "Ich hab’ gestern den Rat gekriegt, ich soll dem Koller (Meischbergers Steuerberater) nichts erzählen von der ganzen G’schicht, und des macht mi unrund. Weil das jetzt natürlich ein bisserl ein Vertrauensproblem ist. Der wird sagen: ,Was, Sie haben da... und ich weiß nichts davon? Ich bin ja Ihr Steuerberater!’"

Telefonate im Gerichtssaal

Wenn die Ankläger der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in einigen Monaten gegen Meischberger, Grasser, Plech und 13 andere Angeklagte den "BUWOG-Prozess" führen, werden sie den Schöffen auch Meischbergers Telefonat nach Australien vorspielen. Das Gespräch soll zeigen, wie die Angeklagten nach dem Auffliegen der Affäre die Verschleierung ihrer Taten absprachen, um eine, wenn nicht die größte Korruptionscausa der Zweiten Republik doch noch zu vertuschen.

Die Schuldfrage ist, das muss klar festgehalten werden, ungeklärt. Ob KHG und seine Spezis den BUWOG-Verkauf sowie die Einmietung des Finanzministeriums in den Linzer Terminal Tower manipuliert haben, um millionenschwere Provisionszahlungen zu kassieren, wird ein Gericht klären – für alle gilt die Unschuldsvermutung, Grasser selbst hat erst am Samstag wieder via Krone beteuert, die Klagsschrift sei ein "Kriminalroman" und habe mit der Wahrheit nichts zu tun.

Dessen ungeachtet hat sich der KURIER entschieden, die Anklage im Zuge einer Serie aufzuarbeiten. Denn das 825 Seiten starke Dokument ist nicht nur, was Umfang und Inhalt angeht, bemerkenswert. Es bietet zudem einen interessanten Einblick, mit welchen Methoden die Korruptionsjäger Malversationen und Schmiergeldzahlungen nachjagen.

Konto-Öffnungen und Geldfluss-Analysen

Die Konten, auf denen für die Justiz zu hinterfragende Millionen lagen, befinden sich in Ländern wie Liechtenstein, Zypern oder den USA, die zugehörigen Gesellschaften ressortieren in Ländern wie der Schweiz oder Belize.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat deshalb insgesamt 40 verschiedene Anträge an ausländische Staaten gestellt, damit deren Justiz bei Konto-Öffnungen und Hausdurchsuchungen hilft. Neben 206 Akten-Ordnern mit jeweils mehreren Hundert Seiten sichteten die Staatsanwälte 156.000 Gigabyte (!) an elektronischen Daten. Die Konto-Bewegungen stellten die Ermittler in Rastern dar und suchten nach auffälligen Mustern. So stellen sie etwa einen Zusammenhang zwischen einem Vaduzer Nummern-Konto und dem privaten Giro-Konto des Ex-Ministers her. Am 26. Jänner 2007 werden 50.000 Euro in Vaduz in bar abgehoben, vier Tage später landen 47.000 Euro in bar auf Grassers privatem Konto. Wieder und immer wieder geht das so. Kein Zufall, sagen die Ankläger. Das Schmiergeld sei so auf seinem Konto gelandet. Unsinn, antwortet KHG. Das Bargeld sei von der Familie – um die Hochzeit zu bezahlen.

Bewegungsprofile

Die Strafverfolger haben diverse Informationen wie Fluggastdaten oder Kreditkartenabrechnungen miteinander verknüpft, und Bewegungsprofile der Beschuldigten erstellt. Solcherart konnten sie nachweisen, dass Karl-Heinz Grasser bei Befragungen zu den angeblich seiner Schwiegermutter gehörenden 500.000 Euro offensichtlich nicht die Wahrheit gesagt haben kann – er war nie gleichzeitig mit seiner Schwiegermutter in der Schweiz.

"Verspätete" Hausdurchsuchungen

Im Laufe der Ermittlungen wurde die Justiz kritisiert, Hausdurchsuchungen seien zu spät angeordnet und belastendes Material längst vernichtet worden, so der Vorwurf. Die Anklageschrift zeigt, dass die Strategie eine andere war: Viele Hausdurchsuchungen fanden tatsächlich erst statt, als voll ermittelt wurde. Der Effekt: Die Korruptionsjäger fanden Spickzettel und Unterlagen, auf denen sich die Verdächtigen Notizen gemacht haben, wie sie sich wehren wollen (Strategie, Vorbereitung auf Einvernahmen, etc.). Diese Unterlagen haben etwa gezeigt, dass Grasser seinen ehemaligen Mitarbeiter Michael Ramprecht nicht als Verleumder oder Lügner, sondern "nur" als illoyalen Verräter sieht – für die Anklage ein Indiz, dass Ramprechts Aussagen ("BUWOG-Verkauf war ein abgekartetes Spiel") glaubwürdig ist. Einer der pikantesten Funde war ein "Unterschriftenblatt", auf dem Ex-Minister Grasser in Vorbereitung einer Einvernahme die eigene Unterschrift trainiert haben soll, weil diese zuvor, so die Anklage, auf einem ihn entlastenden Treuhandvertrag gefälscht worden sein soll.

Lausch-Angriff

Die Sonderkommission BUWOG hat mehrere Dutzend Handy-Telefonate zwischen den Angeklagten abgehört, und aus den Gesprächen und Tagebucheinträgen ist ersichtlich, dass die Betroffenen zwar befürchtet, aber nicht wirklich damit gerechnet haben, von der Justiz ständig belauscht zu werden.

"Klassische" Einvernahmen

Insgesamt 700-mal wurden Zeugen und Beschuldigte von den Anklägern befragt, wobei jeder Behauptung ins Detail nachgegangen wurde. Exemplarisch: das "Mandarin"-Nummernkonto. Die Justiz betrachtet es gewissermaßen als KHGs Sparkonto. Der Vermögensverwalter und Angeklagter Norbert Wicki sagt, die Mandarin sei für seine eigene Mutter, die eine Erbschaft der Großmutter erwartet habe.Die Justiz prüfte den Nachlass. Das Ergebnis: Die Großmutter war keine Groß-Erbin.

Sie hat ihm Geld gegeben. Viel Geld. Alles in bar, es geschah an einem Wochenende in ihrer Wohnung in Zug in der Schweiz.
Er, Karl-Heinz Grasser, sollte das Geld für sie, Marina Giori-Lhota, seine wohlhabende Schwiegermutter, diskret und gewinnbringend veranlagen. Das war der Plan, so ist’s gewesen, sagt Karl-Heinz Grasser bis heute.
Insgesamt 500.000 Euro kamen zusammen, die Grasser im Jahr 2005, damals noch als amtierender Finanzminister, zum Teil in Kuverts zur Meinl-Bank gebracht hat, wo sie von einem Mitarbeiter erst im Tresor verwahrt und schließlich – peu a peu – auf das Konto einer Schweizer Briefkastenfirma, der Ferint AG, eingezahlt wurden.
Der Mitarbeiter, der die Summe entgegen genommen hat, beschrieb die Szene später als „einschneidendes Erlebnis“. Wann erlebt man das schon, dass ein Minister nach Kassaschluss vorbeischaut und unbeschriftete Bargeld-Kuverts abgibt?
Das Erlebnis war offenbar so einschneidend, dass der Minister keine Unterschrift leisten und keine Ausweiskopie hinterlassen musste.

Nationalbank prüfte

Für Karl-Heinz Grasser könnte die Episode zu einem veritablen Problem werden. Denn nach Ausbruch der BUWOG-Affäre prüfte die Nationalbank das Ferint-Konto und monierte fehlende Unterlagen. So war lange Zeit unklar, wer überhaupt der wirtschaftlich Berechtigte ist.
Meine Schwiegermutter, antwortet KHG. Von ihr hat er schließlich das Geld auch bekommen.
Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn gebuchte Flugtickets, Kreditkartenrechnungen und Giori-Lhotas private Kalender-Einträge widersprechen der Geschichte mit der Geldübergabe in der Schweiz. Grasser, seine Frau sowie seine Schwiegermutter waren 2005 nie gleichzeitig im Schweizer Zug. Zumindest nicht, wenn die Bewegungsdiagramme der Ermittler stimmen.
Dem nicht genug, erklärte Giori-Lhota gegenüber den Tiroler Finanzbehörden, dass sie mit dem Meinl-Konto nichts zu tun hat. Anders gesagt: Marina Giori-Lhota widerspricht ihrem Schwiegersohn. KHG selbst konnte das in den Einvernahmen nicht beeindrucken. Laut Strafakt sagte er zu den Ermittlern: „Was Sie an Flugbewegungen recherchieren, interessiert mich nicht. Ich war damals in der Wohnung in Zug!“

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