Internationale Pressestimmen vor der Richtungswahl

Internationale Pressestimmen vor der Richtungswahl
Wie ausländische Medien versuchen, die Bundespräsidentenwahl zu erklären. Ein Überblick.

Am Sonntag haben die Österreicher die Wahl zwischen zwei komplett gegensätzliche Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Ihre Entscheidung könnte die künftige Richtung des Landes mitbeeinflussen, wie keine Präsidentenwahl zuvor. Doch nicht nur hierzulande, auch jenseits der Landesgrenzen wird die Entwicklung dieser Tage aufmerksam verfolgt. Angesichts des Aufstiegs populistischer Bewegungen in zahlreichen europäischen Ländern - und auch in den Vereinigten Staaten - wird die Wahl in Österreich in der internationalen Presse überregionale Bedeutung zugeschrieben.

Economist: Vexed in Vienna

Der britische Economist beweist in seiner Analyse Einblick in die österreichischen Realpolitik. Dass Alexander Van der Bellen im Gegensatz zu seinen französischen Kollegen keine ausreichene Wähler-Koalition hinter sich scharen kann, muss bis Sonntag allerdings noch als Vermutung gelten.

"In ganz Europa hält die Mitte kaum mehr zusammen. In Österreich haben die Mainstream-Parteien ihr Bestes getan, um die Politik in eine langweilige Angelegenheit zu verwandeln - doch plötzlich wurde sie ernst und zeitigt Konsequenzen. SPÖ und ÖVP, die jahrzehntelang höhere Lebensstandards und den sozialen Friedenjahrzehnteland erhalten haben, haben offensichtlich keine Ideen mehr. Viele Österreicher können das apokalyptische Gerede über den Aufstieg der FPÖ nicht mehr ernst nehmen. In Frankreich vereinen sich Wähler hinter Kandidaten, die sie nicht mögen, um die rechte Front National aufzuhalten. Aber Herr Van der Bellen kann sich nicht auf eine solche Koalition verlassen, die ihn zur Präsidentschaft verhilft. Für Wähler mit eher konservativer Neigung könnte Herr Hofer sogar die sicherere Option darstellen."

Reuters: Shadow of Nazism looms over the Austrian election

Etwas drastischer geht es in einem Kommentar der Nachrichtenagentur Reuters zur Sache: bedrohlich tauchen die Schatten des Nazismus im Alpenidyll auf. Eine der einfacheren Varianten, Österreich zu erklären. Wahrscheinlich zu einfach.

"Hofer ist Teil einer größeren, populistischen Gegenbewegung zu Migration und Globalisierung. Er speist sich aus den Tabus der politischen Korrektheit. Er erzählt den Wählern, die Sünden der Vergangenheit würden nichts mehr ausmachen. Dass das Establishment und seine Fehler weggefegt werden können, und die Probleme gelöst würden, sobald die Populisten an die Macht kämen.

Der ungarische Premierminister Viktor Orban hat diese Stimmung ausgenützt, ebenso wie die neuen rechten Regierungen in Polen und in der Slowakei. Es ist dieselbe Welle, die die UK Independence Party (UKIP) antreibt, sowie das anstehende Referendum zum Rückzug aus der Europäischen Union. Das funktioniert auch für Donald Trump."

Bloomberg: Austria Populists Aim for Breakthrough in Presidency Runoff

Wie der Economist attestiert auch der Autor des US-Medienunternehmens Bloomberg dem Kandidat Van der Bellen eine Schwäche bei der Ansprache neuer Wählergruppen.

"Obwohl Van der Bellen, ein kettenrauchender ehemaliger Chef der Grünen und Wirtschaftsprofessor, Unterstützungserklärungen aus einem breiten politischen Spektrum erhielt, tat er sich schwer damit, jene enttäuschten Wähler anzusprechen – großteils männlich, jung, weiß und aus der Arbeitschaft –, auf die Hofers populistische Kampagne abzielt.

(…)

Sollte Hofer am Sonntag gewinnen, könnte es der Startschuss für eine Reihe von Wahlen sein, die Rechtspopulisten quer durch Europa vorwärts treiben würden."

Guardian: Is Austria's presidential hopeful a 'wolf in sheep's clothing'?

Der Guardian beschäftigte sich hingegen recht intensiv mit der FPö und der Person Norbert Hofers, beziehungsweise, mit seiner wahren Identität. Ist er Wolf, ist er Schaf, oder irgendetwas daziwschen? Seine Chancen stünden jedenfalls gut, meinen die Briten, womit sie schon einmal nicht danebenliegen.

"Nach dem Rücktritt des Kanzlers Werner Faymann, Norbert Hofers geschicktem Auftritt in TV-Duellen gegen seinen Rivalen Alexander Van der Bellen und einer Zeit, in der es keiner der Zentrumsparteien gelungen ist, ihre Anhänger hinter dem letzten verbliebenen Gegner Hofers zu vereinen, halten viele Österreicher es für möglich, dass das „freundliche Gesicht der FPÖ“ (Kurier) mit den „Rehaugen“ (Spiegel ) ihr Land bald auf der internationalen Bühne vertreten könnte."

Washington Post: Austria’s right-wing populism reflects anti-Muslim platform of Donald Trump

Die altehrwürdige Washington Post steigt gleich mit amerikanischer Perspektive in ihre Analyse der FPÖ ein: Norbert Hofer, der erinnert doch an jemanden.

"Er will einen Zaun ans der südlichen Grenze bauen, um Migranten draußen zu halten. Er gelobt die „Invasion der Muslime“ zu stoppen. Und obwohl viele seine Kandidatur zunächst nicht ernst genommen hatten, hat er es bis an die Schwelle der Macht geschafft.

Donald Trump?

Nein. Norbert Hofer.

Analysten sehen Hofer, den Führenden der Präsidentenwahlen in Österreich, als Teil eines transatlantischen Rebranding von Populismus. Durch das Eintauschen fanatischer Reden und hasserfüllter Slogans gegen entwaffnendere Methoden, lässt eine neue Art von westlichen Politikern nationalistische Rhetorik nicht nur appetitlich, sondern auch unterhaltsam erscheinen."

Agence France-Presse: Austria torn between far-right ‘gladiator’ and ‘glitterati’ professor

Auch interessant: die französische Nachrichtenagentur Agence France Presse hat "Schickeria" mit "Glitterati" übersetzt. Und auch auf den Philippinen wird über die Wahl berichtet.

"Der eine ist ein teilweise gehbehinderter Waffenenthusiast der Rechten, der andere ein angesehener, älterer Professor mit Rückhalt der Grünen – Österreichs Präsidentschaftskandidaten spiegeln den tiefen Spalt wider, der das Land teilt, während es sich auf die Stichwahl am Sonntag vorbereitet."

Financial Times: Israel finds strange bedfellow in Austria’s far-right

Die Financial Times beleuchtet die mögliche Wahl Hofers von einer anderen Seite: Wie würde Israel darauf reagieren? Womöglich nicht mehr mit dem Abzug des Botschafters, wie einst im Jahr 2000.

"Österreichs Präsidentenwahl am Sonntag wird das europäische Polit-Establishment wahrscheinlich alarmieren, wenn – wie vielfach erwartet wird – Norbert Hofer, der weit rechts stehende FPÖ-Kandidat, gewinnt. Für Israel könnte das Dilemma genauso akut werden. (…) Vergangenes Monat verblüffte Heinz Christian Strache viele Israelis, weil er während einer Israel-Reise auch dem Holocaust-Gedenkzentrum Yad Vashem einen privaten Besuch abstattete."


FAZ: Das System funktioniert nicht mehr

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erkennt die vielen Gesichter der FPÖ. Der Korrespondent Stephan Löwenstein lässt den Wahlkampf noch einmal Revue passieren, analysiert, warum die "Rechten" so stark sind hierzulande und schildert ausführlich, wie es den Freiheitlichen gelungen ist, in die Milieus der Roten und auch Schwarzen vorzudringen.

"Sie lächeln in die Milieus von SPÖ und ÖVP hinein. Die wissen noch immer nicht, wie ihnen geschieht. Dass Norbert Hofer am Sonntag österreichischer Bundespräsident werden kann, ist ein Schock für die Parteien – für die Wähler nicht."

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