Barbara Prammer: Ein Adieu vor dem Hohen Haus

Seit Sonntag weht die Österreich-Fahne auf dem Parlament auf Halbmast. Vor dem Hohen Haus liegen Rosen. Ein Trauerflor ziert die Tür des ehemaligen Büros der Nationalratspräsidentin
Trauerfeier für verstorbene Präsidentin am Samstag, Begräbnis im Familienkreis.

Der erste Mann im Staate wird der Erste sein, der der Ersten Präsidentin des Parlaments die letzte Ehre erweist. Heinz Fischer trägt sich heute Früh in das Kondolenzbuch ein. Im Empfangssalon des Hohen Hauses liegt es. Auch Regierungsmitglieder werden sich mit persönlichen Worten von Barbara Prammer, die am Samstag an Krebs verstorben ist, verabschieden. Diplomaten und Abgeordnete tun das ebenfalls. Bürgern ist das ab Dienstag im Besucherzentrum des Parlaments möglich. Bereits seit Montag können alle Österreicher online kondolieren. 2000 haben das schon gemacht. Wiens Kardinal Christoph Schönborn würdigte die Sozialdemokratin Prammer gestern via Radio Stephansdom als Frau, die auf "bescheidene, kluge und sehr menschliche Art" amtiert habe. Ihr Tod habe ihn "sehr bewegt".

Hausöffnerin

Die im 61. Lebensjahr verstorbene Nationalratspräsidentin wird dahin zurückkehren, wo sie trotz der 2013 diagnostizierten schweren Krankheit bis zuletzt gearbeitet hat: In der Säulenhalle des Parlaments wird ihr Sarg am Donnerstag aufgestellt; zwei Tage bleibt er dort. Der Weg der Trauernden führt über das – normalerweise gesperrte – historische Haupttor (über dem Besuchereingang). Die einstigen Kanzler Bruno Kreisky und Fred Sinowatz waren dort ebenfalls aufgebahrt.Kommenden Samstag gibt es eine Trauerfeier vor dem Hohen Haus – damit "möglichst viele Menschen die Gelegenheit haben, daran teilzunehmen", sagt der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf, der derzeit die Geschäfte führt. "Im Sinne der Präsidentin" sei das: "Sie war es, die das Haus geöffnet hat." Sprechen werden bei der Zeremonie Bundespräsident Fischer und Kanzler Werner Faymann; auch ausländische Politiker werden zugegen sein. Die Ringstraße ist während der Trauerfeier gesperrt. Da Prammer im Amt verstorben ist, steht ihr – wie Bundespräsidenten und Kanzlern – ein Staatsbegräbnis zu. Die gebürtige Oberösterreicherin wird aber im Familienkreis in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Offen ist, wer ihr im Amt folgt. Der oder die wird am 2. September in einer Sondersitzung gewählt. Zu erwarten ist, dass die SPÖ wieder eine Frau nominiert. Es wäre wohl Prammers Wunsch. Im Übrigen sind schon zwei Männer im Nationalratspräsidium – Kopf (VP) und Norbert Hofer (FP). SPÖ-Klubchef Andreas Schieder verweist auf einen Trauermonat: "Ich möchte ein paar Wochen nicht über diese Frage nachdenken."

Offizieller Abschied

Ab heute bis Freitag, jeweils von 8 bis 17 Uhr, liegt das Kondolenzbuch im Besucher- Zentrum des Parlaments auf.

Donnerstag, 9 Uhr: Sarg der Präsidentin kommt ins Parlament.

Donnerstag und Freitag, jeweils von 10 bis 17 Uhr besteht die Möglichkeit, in der Säulenhalle des Parlaments Abschied zu nehmen.

Samstag: Offizielle Trauerfeier vor dem Hohen Haus.

Jörg Haider Am 11. Oktober 2008 kam der Kärntner BZÖ-Landeshauptmann bei einem Autounfall ums Leben. Er war alkoholisiert und mit zu hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen.

Liese Prokop In der Silvesternacht 2006/2007 starb die damalige ÖVP-Innenministerin an einem Aorta-Riss.

Thomas Klestil Wenige Tage vor Ende der Amtszeit 2004 erkrankte der Bundespräsident schwer. Er starb vor der Amtsübergabe an Heinz Fischer. Insgesamt fünf von acht Staatsoberhäuptern starben im Amt. Karl Renner, erster Bundespräsident in der Zweiten Republik, zu Silvester 1950, Nachfolger Theodor Körner kurz vor Ende der ersten Periode am 4. Jänner 1957. Ebenfalls im Amt starb Adolf Schärf, am 28. Februar 1965. Nachfolger Franz Jonas erlag während der zweiten Amtsperiode am 24. April 1974 einem Krebsleiden.

Alfred Dallinger Der langjährige führende SPÖ-Gewerkschafter und Sozialminister unter den Kanzlern Kreisky, Sinowatz und Vranitzky starb am 23. Februar 1989 bei einem Flugzeugabsturz am Bodensee. Dallingers Maschine der "Rheintalflug" war im dichten Nebel abgestürzt.

Karl Schleinzer Der ÖVP-Chef starb am 19. Juli 1975 bei einem Autounfall.

Gerhard Weißenberg Der SPÖ-Sozialminister (1976 bis 1980) starb am 1. Oktober 1980 nach "kurzem Leiden".

Sie hatte noch ein großes Ziel in ihrem Leben: Sie wollte die erste Frau an Österreichs Staatsspitze werden. Doch es sollte nicht sein. Barbara Prammer (60) musste sich einer bösartigen Krankheit geschlagen geben.

Barbara Prammer: Ein Adieu vor dem Hohen Haus
APA14796092-2 - 24092013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 223 II - (v.l.) Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) und der Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie am Wiener AKH Christoph Zielinski am Dienstag, 24. September 2013, anl. einer PK zu ihrem Gesundheitszustand im Parlament in Wien. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ist an Krebs erkrankt. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Seit September 2013, seit sie die Krebsdiagnose gestellt bekommen hatte, war klar, dass es mit der Kandidatur für die Hofburg wohl nichts werden würde. Prammer musste ab da um ihr Leben kämpfen – und verlor.

Die erste Frau an Österreichs Spitze der Republik – dieses Ziel verfolgte Prammer nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern weil es ein Triumph gewesen wäre. Ein Triumph für die heimische Frauenbewegung und ein symbolhafter Sieg für die Gleichstellung von Frauen.

Die letzten zehn Jahre, die die gebürtige Oberösterreicherin zuerst als Zweite, dann als Erste Nationalratspräsidentin tätig war, verstellen nämlich den Blick auf ihre politischen Wurzeln und ihr ursprüngliches Betätigungsfeld: Prammer war eine „Tochter“ Johanna Dohnals, der Ikone der österreichischen Frauenbewegung.

Barbara Prammer: Ein Adieu vor dem Hohen Haus
ZU APA048:Frauenministerin Barbara Prammer (li) und die EX-Frauenministerin Johanna Dohnal (re) während der gestrigen Pressekonferenz zum Frauenvolksbegehren.
Sie wurde von Dohnal gefördert, beide kämpften für die gleichen Ziele. Letztlich wurde die diplomierte Soziologin 1997 auf Dohnals Empfehlung hin vom damaligen SPÖ-Kanzler Viktor Klima als Frauenministerin in die Bundesregierung geholt. Dort setzte die zweifache Mutter das Werk ihrer Vor-Vorgängerin fort.
Die eingefleischte Sozialdemokratin war ungern nach Wien gegangen. In der Partei hieß es, eigentlich hätte sie SPÖ-Chefin von Oberösterreich werden und um den Posten der Landeshauptfrau kämpfen wollen.

1991 war Prammer in die Landespolitik eingestiegen. Zunächst war sie Landtagsabgeordnete und Zweite Landtagspräsidentin, vier Jahre später wurde sie Landesrätin für Wohnbau und Naturschutz – und damit das erste weibliche Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung.

1997 ließ sie sich breit schlagen und wechselte in die Bundesregierung.

Barbara Prammer: Ein Adieu vor dem Hohen Haus
APA15346294 - 29102013 - WIEN - ÖSTERREICH: Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und BP Heinz Fischer im Rahmen der Konstituierenden Sitzung des Nationalrates am Dienstag, 29. Oktober 2013, im Parlament in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Kurz darauf die nächste Wendung: Nach nur drei Jahren als Frauenministerin landete sie im Februar 2000 gemeinsam mit der SPÖ unsanft auf der Oppositionsbank.
Doch bald sollte das Leben wieder Unerwartetes für die Vollblutpolitikerin bereithalten. In Heinz Fischer, der 2004 von der Position des Zweiten Nationalratspräsidenten aus das Rennen um die Hofburg gewonnen hatte, fand sie einen neuen Förderer. Die zierliche Powerfrau wurde Fischers Nachfolgerin im Präsidium des Parlaments – und stieg mit dem Sieg der SPÖ bei der Wahl 2006 vom Silber- auf das Gold-Podest auf. Seither bekleidete sie die protokollarisch zweithöchste Position im Staat: Prammer war die erste Frau in der Funktion als Erste Nationalratspräsidentin. Insofern hat sie doch eine symbolhafte Markierung für die Frauen gesetzt.

Für den nächsten Karriere-Schritt blieb ihre keine Zeit mehr – trotz ihres offensiven Kampfes gegen den Krebs. Ihre Polit-Funktion aufzugeben kam nicht infrage. In einem KURIER-Interview im Jänner 2014 sagte Prammer: „Nur zu Hause zu sein, zu grübeln, plötzlich keine Aufgabe zu haben, wäre nichts für mich. Ich will aber niemandem Druck machen.“ Nicht alle Krebspatienten könnten arbeiten.

Zuletzt musste sie ihre Agenden aber doch an den Zweiten Präsidenten, Karlheinz Kopf, abgeben – man dachte freilich nur vorübergehend. Doch es kam anders.

Jungen Frauen gab die Vorkämpferin für Gleichberechtigung in einem KURIER-Gespräch im November des Vorjahres mit auf den Weg: „Traut Euch! Sagt nicht Nein, wenn ihre eine Chance bekommt. Scheitern kann man immer. Wissen tue ich es erst, wenn ich es probiert habe.“ Ihr Nachsatz: „Jeder und jede muss seinen beziehungsweise ihren Weg finden. In diesem Sinne Vorbild sein – das wäre ich gerne.“ Das war und ist Barbara Prammer für viele gewiss.

Aus Pietätsgründen können zu diesem Artikel keine Kommentare mehr gepostet werden.

Kommentare