Amtsgeheimnis: Auskunft wird kein Gnadenakt

Amtsgeheimnis: Auskunft wird kein Gnadenakt
Für das neue Informationsfreiheitsgesetz fehlt der Regierung noch die Mehrheit.

Dazu kömma nix sagen, Sie wissen: das Amtsgeheimnis!" Wer sich als Steuerzahler für behördliche Gutachten, Studien oder Erlässe, kurzum: für amtliche Dokumente interessiert hat, bekam bislang oft diese oder eine ähnliche Antwort. Selbst bei Gewerbeberechtigungen, Flächenwidmungs- oder Bebauungsplänen werden Bürger nach wie vor alles andere als serviciert. Die Unterlagen sind oft nur vor Ort und in den Amtsstunden zugänglich – bürgerfreundlich geht anders. Das soll sich nun ändern.

Recht auf Information

Amtsgeheimnis: Auskunft wird kein Gnadenakt
APA20130920_04092014 - WIEN - ÖSTERREICH: Bundesminister Josef Ostermayer hält am Sarg des verstorbenen Schauspielers Gert Voss am Donnerstag, 4. September 2014, im Rahmen der Trauerfeier im Burgtheater in Wien eine Rede. FOTO: APA/HANS PUNZ
Am Dienstag goutierte der Ministerrat den Entwurf für das "Informationsfreiheitsgesetz". Und für österreichische Verhältnisse ist es ein Paradigmenwechsel. Denn ist heute de facto alles, was amtsintern abläuft, tendenziell geheim, soll sich die Situation ab 2016 umkehren: Das Amtsgeheimnis wird gestrichen – und im Gegenzug ein Recht auf den "freien Zugang zu Informationen" in der Bundesverfassung verankert.

In der Praxis bedeutet das: Behörden müssen künftig triftige Gründe (innere oder äußere Sicherheit etc.) vorbringen, um eine Geheimhaltung zu rechtfertigen.

Die Unterlagen müssen im Original eingesehen und kopiert werden können; und für Informationen, die "von allgemeinem Interesse" sind, (z. B. amtliche Statistiken, Flächenwidmungspläne) soll fortan gelten: Die Behörde hat dies alles von sich aus, also auch ohne konkrete Anfrage, im Internet zu veröffentlichen.

Streitschlichtung

Begehrt ein Bürger Auskunft und bekommt diese nicht wie gewünscht, so bleibt ihm der Weg zum Verwaltungsgerichtshof. Diese Entscheidungen werden durch den Verfassungsgerichtshof kontrolliert; und es besteht weiters die Möglichkeit, sich im Streitfall an die Volksanwaltschaft zu wenden.

Die Zahl der Streitschlichtungsinstanzen ist für den zuständigen Kanzleramtsminister Josef Ostermayer auch die Erklärung, warum Österreich – im Unterschied zu anderen Staaten – keinen neuen Informationsfreiheitsbeauftragten benötigt: "Wir haben erst kürzlich 120 Sonderbehörden durch die neuen Verwaltungsgerichte ersetzt. Es wäre absurd, ein Jahr später wieder eine neue Sonderbehörde einzurichten."

Die größte Hürde ist nun die verfassungsrechtliche Verankerung des Gesetzes. Denn für die nötige Zweidrittelmehrheit fehlt der Regierung die Zustimmung von Grünen oder FPÖ. Beide haben gestern signalisiert, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Warum? Da das Gesetz für die Verwaltung im ganzen Bundesgebiet, also auch alle Landes- und Bezirksbehörden, gilt, müssen die Länder noch Landesgesetze erlassen. Und da wittern Abgeordnete wie Albert Steinhauser eine Gefahr: "Es muss sichergestellt werden, dass die Informationsfreiheit nicht durch die einschränkenden Landesbestimmungen ausgehöhlt wird." Hier, sagt der Justizsprecher der Grünen, "besteht noch Nachbesserungsbedarf."

Die von der Regierung am Dienstag beschlossene Streichung des Amtsgeheimnisses soll 2016 in Kraft treten - vorausgesetzt FPÖ oder Grüne liefern die nötige Zweidrittelmehrheit. Erstmals hätten die Bürger damit ein Grundrecht auf Zugang zu behördlichen Informationen. Allerdings soll es auch weitreichende Ausnahmen geben. Für parlamentarische Anfragen würden diese Beschränkungen aber nicht mehr gelten.

AMTSGEHEIMNIS Derzeit sind sowohl Amtsgeheimnis als auch Auskunftspflicht in der Verfassung verankert. Dies führt dazu, dass sich Behörden bei Anfragen nach dem bestehenden "Auskunftspflichtgesetz" im Zweifel oft für die Geheimhaltung entscheiden. Kern der Neuregelung ist die Streichung des Amtsgeheimnisses und (anstelle der Auskunftspflicht der Behörden) ein Auskunftsrecht für die Bürger. Dieses "Recht auf Zugang zu Informationen" dürfte nur bei Vorliegen konkreter Geheimhaltungsgründe verweigert werden. Zweite wesentliche Änderung: Müssen Behörden derzeit nur Auskunft über Informationen geben, wäre künftig auch Akteneinsicht möglich.

GEHEIMHALTUNG Vorgesehen sind sechs Geheimhaltungsgründe: zwingende außen- und integrationspolitische (also EU-politische, Anm.) Gründe; nationale Sicherheit und Landesverteidigung; Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit; die "Vorbereitung einer Entscheidung"; die "wirtschaftlichen und finanziellen Interessen einer Gebietskörperschaft"; und die "Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen" (z.B. Datenschutz). Außerdem kann per einfachem Gesetz der Schutz "gleich wichtiger öffentlicher Interessen" angeordnet werden.

ALLGEMEINES INTERESSE "Informationen von allgemeinem Interesse" sollen Behörden von sich aus im Internet veröffentlichen. Als Beispiele nennen die Erläuterungen Statistiken, Gutachten und Studien sowie allgemeine Erlässe - etwa zur Auslegung von Steuergesetzen. Weitere Beispiele dafür wären Flächenwidmungspläne, Tätigkeitsberichte und Geschäftsordnungen.

INFORMATIONSPFLICHT Was nicht automatisch veröffentlicht wird, aber auch nicht der Geheimhaltung unterliegt, sollen Behörden auf Anfrage veröffentlichen. Geregelt werden soll das entsprechende Prozedere in einem "Informationspflichtgesetz" des Bundes sowie in neun Landesgesetzen. Für das Bundesgesetz liegt derzeit nur eine Punktation vor. Die Frist für die Beantwortung der Anfragen (derzeit acht Wochen) ist damit vorerst ebenso offen wie deren Kosten.

Wird ein Informationsbegehren abgelehnt, sind Klagen beim zuständigen Verwaltungsgericht und beim Verfassungsgerichtshof möglich. Nicht geplant ist ein Informationfreiheitsbeauftragter, der über die Einhaltung der Regeln wacht. Als Beispiele für künftig zu veröffentlichende Unterlagen nennt das Kanzleramt u.a. die Ergebnisse von Vorzugsstimmen bei Gemeinderatswahlen, die bisher teils unter Verschluss blieben, oder Ministerratsprotokolle.

AUSNAHMEN FÜR KAMMERN Eine deutliche Einschränkung der Informationspflicht gibt es für Kammern: Sie müssen lediglich ihren Mitgliedern Auskunft gewähren. Informationen von allgemeinem Interesse müssten sie nach Einschätzung des Kanzleramts aber trotzdem offenlegen.

INTERPELLATIONSRECHT Das Fragerecht der Nationalratsabgeordneten (Interpellationsrecht) würde übrigens nicht mehr vom Amtsgeheimnis beschränkt. Abgeordnete würden nach Ansicht des Kanzleramts damit also mehr Informationen erhalten als bisher. Allerdings dürften Anfragebeantwortungen, die vertrauliche Informationen enthalten, nicht veröffentlicht werden. Garantieren soll das die parallel zur U-Ausschuss-Reform geplante Informationsordnung des Parlaments.

Kommentare