Zwischen Erleichterung und Zorn

Mehr als 60 Euro pro Tag können Griechen derzeit nicht von Bankomaten abheben.
Die Bevölkerung ist verunsichert, die Meinungen zum Deal mit Brüssel sind geteilt.

Viele in Griechenland stehen noch unter einer Art Schock. Sie wissen nicht wirklich, was sie von den neuesten Entwicklungen halten sollen: Vor einer Woche erst hat eine Mehrheit von ihnen (61 Prozent) ein Abkommen mit den Gläubigern, das "Reformdiktat" aus Brüssel, wie Premier Alexis Tsipras und sein damaliger Finanzminister Yanis Varoufakis trommelten, per Referendum abgelehnt. Doch dann hat ihr Regierungschef in Brüssel seine eigenen Sparmaßnahmen vorgeschlagen. Und nun ist er mit einem dritten Memorandum nach Athen zurückgekehrt – gegen sein Wahlversprechen, dem "Spardiktat" ein Ende zu setzen.

"Tsipras hat versucht, das Schlimmste für Griechenland zu vermeiden, aber er hätte ein Abkommen früher unterzeichnen sollen", sagt der 39-jährige Automechaniker Yannis an einer Bankomatschlange in Athen zum KURIER. Der 23-jährige Spiros, der hinter ihm wartet, schließt sich Yannis an. "Vielleicht ist das gar nicht gut für uns, aber man muss erst ein bisschen abwarten und sehen, wie sich die Lage entwickelt. Wenn es hier zu schlimm wird, fliege ich zu meinen Verwandten nach Kanada", sagt Spiros, der in einem kleinen Kaffeehaus arbeitet.

"Ich vertraue ihnen"

Hätte denn Tsipras nicht lieber den Deal in Brüssel ablehnen sollen? "Nein", ist die 34-jährige Kunstkritikerin Iliana, eine Anhängerin der regierenden radikalen linken Partei Syriza, überzeugt. Sie glaubt weiter an die griechischen Regierung. "Ich vertraue ihnen, dass sie ihr Bestes gegeben haben, aber ich vertraue nicht diesem Reformvorschlag, und dass er Griechenland aus der Krise herausbringen kann, auch wenn man die Maßnahmen punktgenau durchführt", sagte sie.

Der 44-jährige Unternehmer Epaminondas zeigt sich auch nicht begeistert über den Abschluss der Verhandlungen in Brüssel, sieht aber keine Alternative: "Das ist die einzige Lösung für Griechenland unter den Umständen gewesen. Nur heißt es für die Arbeitslosen, Migranten und die anderen sozial schwachen Gruppen der Gesellschaft weiter leiden."

Froh über ein Abkommen

Ein anderer Unternehmer, der 48-jährige Yannis, ist dagegen froh. "Ich bin sehr glücklich, dass es ein Abkommen gibt, sonst wären wir alle in eine politische, soziale und wirtschaftliche Katastrophe geraten. Es wäre auch für die Sicherheit des Landes gefährlich", sagt er. "Ich kann es gut verstehen, dass die anderen Europäer unseren Regierungen nicht vertrauen, aber die Griechen haben auch ihr Vertrauen zu Europa verloren – weil sie durch parteipolitische Ideologie irregeführt wurden", meinte Yannis.

"Reformen notwendig"

Für das Geschäft seien es allerdings gute Nachrichten, dass sich Athen mit Brüssel endlich geeinigt hat. "Die vergangenen Wochen waren eine verrückte Zeit – die Wirtschaft stand still. Unsere Firma, die mit Importprodukten arbeitet, steht auch still, weil wir wegen der Kapitalkontrollen unseren Lieferanten kein Geld ins Ausland überweisen dürfen", erzählt der Unternehmer. "Ich bin absolut dafür, dass alle Reformen genau durchgeführt werden – sie sind alle notwendig", sagt Yannis.

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