China: Reich in der Mitte

Chinesische Tee-Zeremonie, die weltweit älteste ihrer Art, für Bundespräsident Heinz Fischer
Staatschef Xi Jinping sucht nun auch neue Bündnispartner in der EU. Heinz Fischer wurde beim Staatsbesuch hofiert wie nie zuvor.

Vor zwanzig Jahren dümpelten hier nur ein paar Fischerboote, es gab keine einzige Unterkunft. Heute steht in der Bucht von Sanya an der Südspitze von Hainan ein Luxushotel neben dem anderen. Denn auf Hainan gibt es im Überfluss, was in China zunehmend rar ist: Klares Wasser, gesunde Luft, unverbaute Natur – und abgeschiedene Plätze, die Ruhe garantieren. Das Paradies für Chinesen ist eine südlich des Festlands gelegene Insel auf der Höhe von Vietnam – geografisch gesehen die größte, in der politischen Diktion aber nur die zweitgrößte Insel Chinas.Das größte Eiland bleibt für die offizielle Führung weiterhin das abtrünnige Taiwan.

„Hawaii Chinas“

Wenn sich der rasant wachsende Mittelstand etwas gönnen will, fliegt er Hainan an. Viereinhalb Flugstunden trennen die Hauptstadt Peking vom „Hawaii Chinas“. Bundespräsident Heinz Fischer und sein hochrangiges Gefolge sind auf der letzten Station ihrer viertägigen China-Reise Freitagnacht nicht zum Ausspannen angekommen. Fischer war Samstag einer der Eröffnungsredner des Boao-Forums(benannt nach dem Tagungsort, einem unscheinbaren Ort auf Hainan).
Das Anfang der 2000er-Jahre gestartete jährliche Treffen der politischen und wirtschaftlichen Elite der ostasiatischen Staaten hat bis zur Machtübernahme von Xi Jinping 2013 ein Schattendasein geführt. Der machtbewusste chinesische Staatspräsident tut alles, um das Meeting von Politikern, Wirtschaftsbossen und Wissenschaftlern zum „Davos Asiens“ aufzumöbeln. Auf der Teilnehmerliste stehen heuer neben vielen Generaldirektoren und Vorständen internationaler Konzerne Schwergewichte: Microsoft-Gründer Bill Gates, Tesla-Chef Elon Musk und Indiens Wirtschafts-Tycoon Ratan Tata. Für das akademische Davos-Flair sorgen beispielsweise Jeffrey Sachs (Earth Institute) und Ernst Ulrich von Weizsäcker (Club of Rome). Neben Spitzenpolitikern aus dem ostasiatischen, pazifischen und osteuropäischen Raum entdecken nicht nur Lobbyisten und Ex-Politiker, sondern auch Premiers aus der EU das Boao-Forum als Anknüpfungspunkt zum Netzwerken. Für die Niederlande und Schweden sind heuer die Regierungschef angereist. Mit dem Staatspräsidenten, zwei Ministern (Wolfgang Brandstetter und Andrä Rupprechter) und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl stellen die Österreicher die hochrangigste Delegation aus Europa.

Davor war Österreich einmal durch den damaligen VP-Kanzler Wolfgang Schüssel, im Vorjahr durch Ex-EU-Kommissar Franz Fischler vertreten. Boao ist noch nicht Davos, aber ein Symbol für das demonstrative neue Selbstbewusstsein der Wirtschaftsmacht Chinas. Trotz des auf sieben Prozent heruntergebremsten Wachstums (siehe Bericht rechts) bricht das Land ökonomisch immer neue Rekorde. Das Riesen-Reich, das nur scheinbar am äußeren Rand der Welt liegt, ist dabei, allen zu zeigen, dass sein Platz in der Mitte der Welt ist.

China will „ eine neue regionale Ordnung schaffen, die zu Asien und dem Rest der Welt passt“, proklamierte Xi Jinping am Samstag zum Start der internationalen Konferenz. „Bei der Eröffnungsrede herrschte auffallend gespannte Aufmerksamkeit, so gut wie niemand spielte mit dem Handy“, berichtet Justizminister Wolfgang Brandstetter, der als einer der 2800 Teilnehmer im Saal saß. Xi Jinping warb einmal mehr für das aktuelle Lieblingsprojekt Chinas, die „ Seidenstraßen“-Initiative: Der historische Handelsweg als Vorbild für die Verbindung zwischen China und der Welt. Jinpings wichtigster Hebel für die Konkretisierung der Vision: Die „ Asiatische Infrastrukturinvestment-Bank“ (AIIB), für deren Gründungsmitglieder kommenden Dienstag Nennschluss ist, und die mit einem Startkapital mit 50 Milliarden Dollar beginnen soll. Zu den bereits fixen Gründungsmitgliedern aus Europa gehören Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien. Am Dienstag hat der Ministerrat auch die Teilnahme Österreichs beschlossen.

Geduld als Handelswährung

Es ist wohl kein Zufall, dass zur Eröffnung des Boao-Forums der Beitritt Russlands unter Applaus verkündet wurde. Die USA lobbyieren vor und hinter den Kulissen heftig gegen die AIIB. Sie sehen diese als verlängerten Arm Chinas und Konkurrenz zur westlich dominierten Weltbank . „Was für einige große europäische Länder interessant ist, sollte auch für uns interessant sein“, verteidigt Bundespräsident Heinz Fischer die Teilnahme Österreichs gegen Kritik: „Gerade in einer Zeit, wo die Konjunktur schwächelt.“ China-Kenner wenden ein, dass in China nicht alles sofort für bare Münze zu nehmen ist: Geduld ist bei großen und kleinen Projekten mit chinesischen Partnern nach wie vor die wichtigste Handelswährung. Plakativstes Beispiel an einem vergleichsweise kleinen Einzelfall: Im Fall Österreichs hat es 20 Jahre gedauert, bis die ersten unverbindlichen Gespräche über eine Import-Erlaubnis von heimischem Schweinefleisch jetzt im März in der Unterzeichnung eines Vertrags mündeten. Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl glaubt aber, dass die Zeiten, wo nur „ Freundlichkeiten und Unverbindlichkeiten“ ausgetauscht wurden, endgültig vorbei sind: „ Die neue Führung geht sehr konkret und – to the point – zur Sache.“

Die mitgereisten ÖVP-Minister werden daher auch nicht müde, die Rolle Heinz Fischers als Türöffner in China zu preisen. „Es ist beeindruckend, wie sehr der Bundespräsident als Gesprächspartner hier geschätzt wird. Das zeigt sich auch darin, dass alle Gespräche länger gedauert haben als geplant“ (Justizminister Wolfgang Brandstetter).

Heikle Fragen & ein Superstar

Christoph Leitl, der in der ÖVP die besten Beziehungen zur Hofburg unterhält, resümierte enthusiastisch vor der ganzen Delegation Richtung Fischer: „ Ich bedanke mich für deinen Einsatz für die Wirtschaft. Man hat das gesehen: Jeder unserer Wirtschaftstreibenden wollte sich beim Empfang mit ihm fotografieren lassen – Heinz Fischer Superstar.“ Der Hausherr in der Hofburg ist auf seine Art stolz auf den großen Bahnhof, der Österreich in Peking und Hainan gemacht wurde: „Es gibt kein einziges Land, wo wir einen zweiten Staatsbesuch innerhalb meiner Amtszeit gemacht haben.“ Eine heikle Frage wird er im Gepäck mit nach Hause nehmen. China drängt vermehrt auf Teilnahme Deutschlands und Österreichs an seiner „16 plus 1“-Initiative: 1 steht für China; 16 für die Zahl bisher ausschließlich südosteuropäischer Staaten, zu einem Gutteil EU-Mitglieder. Sie entwickeln sehr zum Ärger der EU-Kommission an Brüssel vorbei gemeinsame Projekte mit China. Sie sieht Pekings offensive Einladung an westliche EU-Staaten, auch mitzutun, als weiteren Versuch, die Union zu spalten.

Die offenherzige Reaktion des umsichtigen Diplomaten Fischer auf die nun in Peking erneuerte Offert der 17. Partner bei „16 plus 1“ zu werden, wird so noch für Diskussionen sorgen: „Die Einladung Chinas, uns als Beobachter zu beteiligen, interessiert uns. Wir wollen keine Chance versäumen. Ich werde das nach meiner Rückkehr mit dem Bundeskanzler und der Regierung besprechen.

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Sonntag früh im Sanya-Hilton auf Hainan: Das Hotel in dem Heinz Fischer wohnt ist ein Hochsicherheitsareal. Jeder der hinein will wird gecheckt wie am Flughafen. Im Hotelgarten stehen alle 50 Meter Zivilisten unter Sonnenschirmen, die Umgebung stramm im Blick (Fotografieren streng verboten).

Erstmals beim Boao-Forum zum Einsatz kommt beim Securitycheck ein Gesichtsscanner. Die Maschine erkennt binnen Sekunden ob der Passant zum Ausweis oder Presse-Badge passt, den er mit sich trägt. Durchschwindeln mit geborgtem Presse-Badge oder Betreten mit gefälschten Dokumenten, sagt der Sicherheitsofficer am Hotel-Gate, ab sofort unmöglich.

China: Reich in der Mitte

Spontane Geburtstagsparty für Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl Samstag Abend beim Staatsbesuch in China. Bundespräsident Heinz Fischer gratuliert mit Torte, die Delegation singt Happy Birthday zum bevorstehen Wiegenfest am Sonntag. Umweltminister Andrä Rupprechter schenkt die bald passende CD von Udo Jürgens: Mit 66 Jahren fängt das Leben erst an.....

Besonders stolz ist China auf die gepanzerte Limousine "Rote Fahne". Sie kommt nicht in den Verkauf, sondern steht nur dem Staatsoberhaupt und Staatsgästen zur Verfügung. Sie ist hochmoderne, hat kein herkömmliches Armaturenbrett und nur wird über das Display gesteuert.

China: Reich in der Mitte

Auf Margit Fischer und die Minister Brandstetter und Rupprechter wartet bereits die Verbotene Stadt. An der Vorderfront des ehemaligen Kaiserpalastes grüsst Mao - heute rotweissrot beflaggt.

Zeit den roten Teppich wieder flugs einzurollen .

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Das Üben hat sich gelohnt: Jubelnde und fahnenschwingende Kinder beenden die in unseren Breiten unvorstellbare Staatsoperette

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Ihnen gilt die Riesenparade im Saal: Präsidenten Heinz Fischer und Xi Jingping

Der Chef ist auch in China in der Regel aber noch immer ein Mann

Gardesoldatinnen gehören in China längst zum Alltag.

Die Parade findet im Saal statt.

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Letzter Schliff für den Roten Teppich für Fischer.

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Kein Gespräch ohne Gesprächskarte: Einer der Mitarbeiter Fischers liest mit, ob der Meinungsaustausch nach Plan verläuft.

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Präsidenten unter sich: Der Chef eines 8-Millionen-Volks und der Herr über 1.3 Milliarden.

Großer Bahnhof bei Staatspräsident Xi Jingping für Präsident Fischer, Justizminister Brandstetter und Landwirtschaftsminister Rupprechter.

Rüsten durch Rasten, Warten auf "Audili" Fischer: In der Halle des chinesischen Volkskongresses sitzen ein paar Gardesoldaten Freitag früh in Reih und Glied. Österreichs Bundespräsident wird vom Präsidenten des Volkskongresses und vom Staatspräsidenten mit allen militärischen Ehren empfangen.

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