Kerry: Kein Alleingang der USA

US-Außenminister stellt sich den Fragen der Senatoren im Ausschuss zur Außenpolitik
Der US-Außenminister schließt amerikanische Bodentruppen im Irak und Syrien aus.

Sogar von Enttäuschung war die Rede als sich US-Außenminister John Kerry den Fragen der Senatoren im Außenausschuss stellte. "Eines ist klar, wir müssen ISIL [Islamischer Staat] bis zum Ende bekämpfen", verkündet einer der Senatoren am Mittwoch. Die Anhörung glich einem Tribunal und Kerry war der Angeklagte, er musste sich verteidigen.

Kerry: Kein Alleingang der USA
U.S. Secretary of State John Kerry wipes his eyes as he testifies at a Senate Foreign Relations Committee hearing on "U.S. Strategy to Defeat the Islamic State in Iraq and the Levant" on Capitol Hill in Washington September 17, 2014. REUTERS/Joshua Roberts (UNITED STATES - Tags: POLITICS CIVIL UNREST CONFLICT)

In einem ersten Statement hat Kerry davor gewarnt, den Kampf gegen die Terrormiliz mit dem Zweiten Golfkrieg von 1991 oder dem Irakkrieg von 2003 zu vergleichen. Anders als bei den Operationen "Desert Storm" und "Iraqi Freedom" würden nun keine US-Bodentruppen in den Krieg geschickt.

Kerry: Kein Alleingang der USA
epa04404794 A Code Pink protester (back) holds up a sign as US Secretary of State John Kerry (front, C) testifies before the Senate Foreign Relations Committee hearing on the Islamic State (IS) on Capitol Hill in Washington, DC, USA, 17 September 2014. Code Pink is a US pacifist civil rights movement. US Secretary of State John Kerry dismissed comparisons between the US military effort against the Islamic State and past US actions in Iraq. Kerry pointed to anti-war protesters in the room and said they should be in favour of going after the Islamic State because of its human rights violations and violent ideology. EPA/SHAWN THEW

"Die Vereinigten Staaten werden es nicht im Alleingang machen", betonte Kerry, der in der Region und in Europa um Unterstützung für den Anti-IS-Kampf geworben hatte. Der Schlüssel zum Sieg liege vielmehr darin, örtliche Kräfte für den Kampf gegen die Sunnitenmiliz zu wappnen. Im Irak seien das die dortigen Sicherheitskräfte, im benachbarten Syrien sei die "moderate" Opposition das "beste Gegengewicht" der IS-Kämpfer.

Kritik des Ausschusses

Damit gaben sich die Senatoren jedoch nicht zufrieden. Mit harscher Kritik an der Vorgehensweise Kerrys und der Ratlosigkeit des US-Präsidenten Barack Obama äußerte der Ausschuss große Bedenken zur künftigen Strategie gegen den IS.

Kerry hingegen sah seine Bemühungen durch internationale Unterstützung bestätigt. Luftangriffe auf Stellungen des IS und eine Allianz aus 30 Staaten gegen die Terrormiliz seien große Schritte Richtung Ziel, ließ der US-Außenminister seine Gegenüber wissen.

Auf die Frage, welche Rolle Russland gegen die Extremisten spielen könnte, sagte Kerry knapp: "Wir wissen alle, dass Russland das syrische Regime unterstützt."

IS-Video mit Drohung

Noch ehe Kerry im US-Senat die Strategie gegen die Dschihadisten-Miliz erläuterte, drohte diese in einem Video den USA mit Widerstand: In dem "Trailer" mit dem Titel "Flammen des Krieges" sind Bilder der Extremisten zu sehen, die Panzer beschießen und zerstören, US-Soldaten und Barack Obama mit seinem Zitat, dass US-Kampftruppen nicht in den Irak zurückkehren würden. Der Film endet mit "Der Kampf hat erst begonnen".

Obama hat unterdessen alle Spekulationen widerlegt und schickt keine Bodentruppen in den Irak. "Als euer Oberbefehlshaber der Streitkräfte werde ich euch und den Rest unserer bewaffneten Streitkräfte nicht zu einem weiteren Bodenkrieg im Irak verpflichten". Das sagte Obama am Mittwoch bei einem Besuch des Zentralkommandos in Tampa (Florida), das auch für Irak und Syrien zuständig ist.

Zugleich warnte er die Terrormiliz vor dem langen Arm des US-Militärs. "Unsere Reichweite ist groß, letztendlich werden wir euch finden."

Dempsey: Bodentruppen möglich

Generalstabschef Martin Dempsey hatte am Dienstag die Entsendung von Kampftruppen in den Irak nicht mehr ausgeschlossen: Wenn die Strategie versage, der irakischen Armee mit Luftangriffen oder Geheimdienstinformationen zu helfen, würde er Obama "den Einsatz von US-Kampftruppen am Boden" empfehlen, so Dempsey. Derzeit sei das aber nicht nötig.

Die USA haben nach ihrem Abzug aus dem Irak Ende 2011 noch 1500 Soldaten stationiert, die Hälfte zur Sicherung diplomatischer Einrichtungen. Und dass weitere Amerikaner unter CIA-Mandat, also nicht offizielle "US-Truppen" zur Aufklärung im Land sind, gilt als sicher.

Die Extremisten des "Islamischen Staates" haben auf einschlägigen Internetseiten zu Anschlägen in den USA aufgerufen – und gleich auch Anleitungen für den Bau von Bomben mitgeliefert. Das berichtet das amerikanische Nachrichtenportal Vocativ. Bill Bratton, ein hoher Polizeibeamte in New York, dazu: "Wir sind sehr besorgt."

Konkret wendet sich der Aufruf an "einsame Wölfe" in den USA. Sie sollten Ziele im ganzen Land ins Visier nehmen, darunter den Times Square, den touristischen Hotspot in New York, sowie Las Vegas und auch Punkte in Texas. Dann wird aufgelistet, wie man mit einfachsten Materialien, wie Streichholzköpfen, Zucker und Christbaumkerzen, Bomben herstellen kann.

Die Anleitung ist die modifizierte Variante eines Manuals, das 2010 von der Terror-Gruppierung El Kaida ins Netz gestellt wurde. Dieses diente den beiden Zarnajew-Brüdern als Grundlage zur Herstellung ihrer Sprengkörper, mit denen sie 2013 den Anschlag auf den Boston-Marathon verübten.Auf Islamisten-Homepages wird zudem intensiv darüber diskutiert, wie man das eigene Gedankengut zu den Muslimen in den USA bringen könne.

Als mögliche "Ansprechpartner" werden dabei die "wütenden Schwarzen" identifiziert. Deren Frustration nach den Vorkommnissen in Ferguson könnte als Anknüpfungspunkt gesehen werden. In der Stadt war es zu massiven Protesten gekommen, nachdem ein schwarzer Jugendlicher von weißen Polizisten erschossen worden war.

Die Unterstützung für die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) hat laut der US-Bundespolizei seit Beginn der US-Luftangriffe im Irak zugenommen. Die IS-Milizen hätten den Einsatz der sozialen Medien verstärkt und die Unterstützung im Internet sei gewachsen, sagte der FBI-Direktor James Comey am Mittwoch im US-Abgeordnetenhaus.

Bis zu 31.000 IS-Kämpfer

Der Direktor des Nationalen Anti-Terror-Zentrums, Matthew Olsen, sagte seinerseits, die Zahl der IS-Kämpfer im Irak und in Syrien liege nunmehr zwischen 20.000 und 31.000. Dies bedeute insgesamt einen Anstieg der Truppenstärke. Laut Olsen verfügt die Gruppe aus Lösegeldzahlungen und Erdölverkäufen über tägliche Einnahmen von rund einer Million Dollar (772.000 Euro). Sie habe eine sehr entwickelte Propaganda, die sich auf die Rekrutierung auswirken würde, wobei Syrien der Hauptrekrutierungsort für neue Kämpfer sei.

Mit 15.000 ausländischen Kämpfern sei der Zustrom in das Bürgerkriegsland deutlich größer als nach Afghanistan, Irak, Jemen oder Somalia während der vergangenen zehn Jahre, sagte Olsen. Er verwies auf die Gefahr für die USA und Europa durch Rückkehrer, die radikalisiert und kampferprobt seien.

Zeugenberichten von Rückzug

Ein syrischer Aktivist sagte indes, die IS-Kämpfer würden in der östlichen Provinz Deir Essor aus Angst vor US-Luftangriffen ihre Stellungen räumen. Der Aktivist Abu Ossama sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Jihadisten hätten alle bekannten Stellungen in der Stadt Eshara "geschlossen". Zudem hätten sie das frühere Gouverneursgebäude in der Stadt Deir Essor geräumt, das ihr Hauptwaffenlager in der Region war. In der Stadt Majadin habe sich die Gruppe zudem aus acht Stützpunkten zurückgezogen. Selbst aus den Ölfeldern würden sie Kämpfer und deren Familien abziehen, sagte Abu Ossama.

Die USA haben seit dem 8. August 174 Luftangriffe auf Stellungen der Jihadisten im Irak geflogen. Präsident Barack Obama hat zudem angekündigt, die Angriffe auf Syrien auszudehnen, doch ist die Luftwaffe bisher noch keine Angriffe dort geflogen. Während im Irak der Einsatz der US-Kampfflugzeuge mit der Regierung in Bagdad abgestimmt ist, lehnt Washington in Syrien eine Kooperation mit Präsident Bashar al-Assad ab. Dieser geht seit März 2011 mit großer Härte gegen die Opposition im Land vor, wobei sich die Rebellen zunehmend radikalisiert und islamisiert haben.

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