US-Lager als Brutstätte des IS-Terrors

IS-Kämpfer schildert, wie Gefangene unter den Augen ihrer amerikanischen Bewacher Pläne schmiedeten.

Wenn US-Kampfflugzeuge heute im Irak und in Syrien Stellungen des "Islamischen Staates" (IS) bombardieren, greifen sie auch Terroristen an, die sie schon einmal hinter massivem Stacheldrahtverhau gefangen gehalten haben. Genauer – im ehemaligen Lager Bucca, im Süden des Irak. Dort, in dem riesigen Gefangenenlager, das zwischen 2003 und 2009 insgesamt an die 100.000 Inhaftierte zählte, soll die Keimzelle für den Terrors des "Islamischen Staates" liegen.

Denn in Bucca wurde Seite an Seite eingesperrt, wen die US-Truppen für gefährlich hielten: Kriminelle, Dschihadisten, Saddam-Hussein-Anhänger, schiitische Extremisten. Der größte Aufwand für die amerikanischen Bewacher war es , offene Gewalt zwischen den verfeindeten Gefängnisinsassen zu verhindern. Dabei wurde übersehen, wie sich eine Gruppe radikal-islamischer Sunniten zusammenfand – und die Wiege einer Terrorbewegung bildete, die sich heute IS nennt.

"Anderswo hätten wir nie alle so zusammentreffen können. Es wäre viel zu gefährlich gewesen", schildert der hochrangige IS-Kämpfer Abu Ahmed nun einem Reporter des britischen Guardian. "Hätte es das Gefängnis damals nicht gegeben, gäbe es heute keinen IS. Bucca war wie eine Fabrik. Es hat uns alle gemacht – unsere Ideologie geformt."

Bagdadi war schon da

Als Abu Ahmed im Sommer 2004 ins Lager eingeliefert wurde, hatte dort schon ein Häftling namens Abu Bakr al-Bagdadi eine Gruppe Anhänger um sich geschart. "Die Amerikaner wussten überhaupt nicht, wen sie da gefangen hielten", sagt Abu Ahmend, "und wir wussten auch nicht, dass er eines Tages ein großer Führer sein würde."

Heute nennt sich al-Bagdadi "Kalif"; als Chef des "Islamischen Staates" gilt er als einer der meist gesuchten Terroristen der Welt. Damals aber stand der heutige IS-Führer noch im Schatten des extrem gewalttätigen Terroristen al-Zarqawi (der 2006 getötet wurde).

Quasi unter den Augen der US-Bewacher knüpfte al-Bagdadi jene Beziehungen, die den IS später so verheerend schlagkräftig machen sollten: Er vereinigte seine radikal-sunnitischen Fanatiker mit den ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei von Ex-Diktator Saddam Hussein. Die einen brachten den religiös-ideologischen Überbau mit, die anderen organisatorisches und militärisches Know-how. Mindestens neun heutige IS-Führungsmitglieder, so viel weiß man heute, saßen vor zehn Jahren in aller Ruhe in Camp Bucca bei ihren Planungen zusammen.

Zugesperrt

Das Gefangenenlager im Südirak wurden 2009 geschlossen, zwei Jahre später zogen die US-Truppen aus dem Zweistromland ab. Einer jener US-Offiziere, die in Bucca eingesetzt waren, schrieb heuer im Juli auf twitter: "Viele von uns waren besorgt, dass wir in Camp Bucca einen Schnellkochtopf für Extremismus geschaffen haben."

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