Keine Fenster und immer in Ketten

In this April 27, 2010 file photo, reviewed by a U.S. Department of Defense official, a Guantanamo detainee's feet are shackled to the floor as he attends a "Life Skills" class inside the Camp 6 high-security detention facility at Guantanamo Bay U.S. Naval Base. January 11, 2012 marks the 10th anniversary of the opening of the U.S. military detention camp at the Guantanamo Bay U.S. naval base in eastern Cuba. REUTERS/Michelle Shephard/Pool/Files (MILITARY POLITICS CRIME LAW) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS
Der KURIER besuchte Guantanamo. Mit den Insassen reden darf niemand.

Hochsicherheitstrakt des Guantanamo-Gefängnisses, Camp 7: Hier sind die „prominentesten“ Insassen des Gefangenenlagers untergebracht – allen voran Khalid Sheik Mohammed, der als Hauptdrahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 angesehen wird. Kein Journalist durfte je durch die Eingangstore gehen. Kategorisch verboten ist es den Besuchern auch, an die 166 Insassen des Lagers auch nur ein Wort zu richten.

Selbst den Anwälten jener fünf mutmaßlichen Terroristen, die sich für die Attentate von 9/11 zu verantworten haben, wurde dieser Tage ein erstmaliges, wenn auch nur sparsames Angebot gemacht: Eine zweistündige geführte Tour durch das berüchtigte Camp. Sprechen dürfen die Anwälte jedoch nur mit dem Militärpersonal. Und schon gar nicht dürfen die Juristen, wie sie es am Donnerstag gefordert haben, bei ihren Mandanten im Camp 7 übernachten. „Ich will dort schlafen“, verkündete Walter Ruiz, ein Offizier der Marine, der den Saudi al-Hawi vertritt. „Sie wollen mit Ihrem Klienten schlafen?“, spöttelte daraufhin Militärrichter Oberst James Pohl – und lehnte ab.

Diese Woche hat eine Anhörung gegen die fünf Männer begonnen, ein Termin für den Prozessbeginn liegt noch in weiter Ferne, inoffiziell spricht man von 2015 oder 2016.

„Es ist mühsam“, klagt John Woods. Sein 26-jähriger Sohn Jim war in einem der World-Trade-Center-Türme ums Leben gekommen, erzählt er dem KURIER. Woods ist einer von acht Angehörigen von 9/11-Opfern, die mittels eines Loses diese Woche auf der Zuschauerbank bei der Guantanamo-Anhörung Platz bekommen haben. Mit dabei ist auch Matthew Sellitto. Auch er verlor seinen Sohn Sam beim World-Trade-Center-Anschlag. Dass sich das Verfahren noch jahrelang hinziehen dürfte, ehe der Prozess tatsächlich beginnt, macht ihn nicht ungeduldig: „Ich verstehe das. Und ich glaube, die USA sind ein großartiges Land, in dem auch zwielichtige Geschöpfe wie diese Menschen einen Gerichtsprozess bekommen“, sagt Sellitto.

„Kooperative Häftlinge“

Fast 6000 Soldaten und Zivilisten leben und arbeiten auf dem riesigen Areal der amerikanischen Basis Guantanamo Bay auf der Insel Kuba. Doch nur die allerwenigsten haben Zutritt zum berühmt-berüchtigten Gefängnis, wie jetzt der KURIER, in dem früher bis zu 800 Taliban-Kämpfer und mutmaßliche Terroristen eingesperrt waren. Heute ist es nur noch knapp ein Fünftel davon, wer sich wohl verhält, darf ins „liberalere“ Camp 6. Dort dürfen die Gefangenen miteinander reden, essen, beten, selbst Fußball zu spielen steht ihnen frei. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften dürfen ausgeliehen werden. Beliebteste Lektüre der streng gläubigen Insassen: Studien über den Koran, aber auch Harry Potter wird gern gelesen. Neueste Errungenschaft: Alle paar Monate dürfen die Gefangenen via Skype mit ihren Verwandten kommunizieren.

Mit baldiger Freilassung können aber auch diese „kooperativen “ Häftlinge nicht rechnen. Auch in der Ära Präsident Obamas dürfen sie ohne Anklage und unbegrenzt lange festgehalten werden, weil man sie als „terroristische Feinde“ der USA einstuft. Nur rund 40 Insassen leben in den härtesten Lagerblocks, als besonders berüchtigt gilt darunter Block-5-Echo. Welche Strafen dort angewandt werden, ist streng geheim.

Einblicke gestatten die gestrengen Militärs auf Guantanamo hingegen in die Einzelzellen neben dem Gerichtssaal: Knapp sieben Quadratmeter große Räume, vier fensterlose, weiße Wände, ein Feldbett, eine Toilette mit angeschlossenem Waschbecken aus Metall, eine Videokamera zur 24-stündigen Überraschung. Ein grüner Pfeil auf dem Boden zeigt Richtung Mekka. Doch schon am zweiten Tag der Anhörung weigerten sich Khaled Sheik Mohammed und die vier anderen Angeklagten, ihre Zellen zu betreten. Und am dritten Tag fiel die Anhörung überhaupt aus.

Weiterbildung

Zusehen, ohne Fragen stellen zu dürfen, kann man als Besucher auch bei sogenannten „Life Skills“-Kursen. Da sitzt eine Handvoll Gefangener mit ihrem Trainer vor Laptops und lernt, wie man mit Computern arbeitet. Es mutet wie ein Seminar für Weiterbildung an, wären die Interessenten nicht in oranger Häftlingsuniform gekleidet und hätten sie nicht Stahlketten um ihre Fußfesseln.

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