Ungarisches Flüchtlingslager: Elend und Hunger

Bei ihrer Ankunft werden die Flüchtlinge von Polizisten und Soldaten mit Maschinengewehren erwartet.
Tausende nahe Röszke aufgegriffen. Aktivisten beklagen katastrophale Lage, Österreich mangelnde Kommunikation.

Im ungarischen Flüchtlingslager Röszke an der Grenze zu Serbien sollen die Menschen im Dreck leben und Hunger leiden. Laut Human Rights Watch ist die Situation in dem Camp katastrophal. Ein von Österreichern aufgenommenes Video empörte vergangene Woche: Es zeigt wie Polizisten Brot und Wasserflaschen in eine Flüchtlingsmenge werfen. Österreichische Aktivisten kritisierten Zustände wie bei der "Fütterung von Tieren".

Und es kommen immer mehr Menschen: Am Samstag ist mit 4.079 Flüchtlingen eine Rekordzahl an Migranten aufgegriffen worden, darunter 1.026 Kinder. In ganz Ungarn betrug die Zahl 4.330, wie die Ungarische Nachrichtenagentur MTI am Sonntag berichtete. Die Flüchtlinge bei Röszke treffen über die Bahngleise in Ungarn ein.

Maschinengewehre bei Ankunft

Bei ihrer Ankunft werden sie von Polizisten und Soldaten mit Maschinengewehren erwartet. Ärzte im ungarischen Flüchtlingslager Röszke an der Grenze zu Serbien haben vor einer Ausbreitung von Krankheiten in dem Camp gewarnt. "Wenn es kein fließendes Wasser und keine Waschmöglichkeiten gibt und Menschen mit ansteckenden Krankheiten ankommen, dann ist das ein Problem," sagte Teresa Sancristobal, Chefin des örtlichen Teams der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Samstag in Röszke. Da es an Toiletten fehle, verrichteten die Menschen ihre Notdurft nahezu überall. "Bei dem warmen Wetter droht rasch eine Epidemie", warnte Schober.

Ausbrüche

Auch am Samstag kam es immer wieder zu Ausbrüchen von Flüchtlingen. Laut Medienberichten wurde die Geflohenen zumeist in der südungarischen Stadt Szeged oder noch im Raum Röszke wieder gestellt. Das war auch der Fall am Samstagabend, als mehrere Hundert Migranten flohen, dann aber mit Bussen der Polizei wieder in das Auffanglager Röszke zur Registrierung zurücktransportiert wurden.

Solidaritätsdemo

Am Ostbahnhof in Budapest warteten am Samstag wieder Tausende von Migranten auf ihren Weitertransport an die österreichische Grenze, wie der Fernsehsender TV2 berichtete. Am Samstag hatte die Hilfsorganisation Migration Aid am Ostbahnhof zu einer Solidaritätsdemonstration mit den Flüchtlingen aufgerufen, an der laut Medienberichten mehrere Tausend Menschen teilnahmen. Bei der Protestaktion wurde eine gemeinsame, auf Solidarität beruhende europäische Flüchtlingspolitik sowie die Herausbildung eines letzten durch Ungarn nach Westeuropa führenden Transit-Korridors gefordert.

In Röszke trifft ein Großteil der Flüchtlinge von der sogenannten Balkanroute ein, die Westeuropa erreichen wollen. Die Lage an dem Grenzübergang ist seit Tagen angespannt. Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge will weiter Richtung Deutschland oder Skandinavien reisen.

Faymann erbost Ungarn

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat die Flüchtlingspolitik von Ungarns Premier Viktor Orban implizit mit dem Holocaust verglichen und damit am Wochenende im Nachbarland für große Verstimmung in Regierungskreisen gesorgt. Orban hingegen betonte am Samstag erneut: "Es gibt kein Grundrecht auf ein besseres Leben."

Am Grenzübergang Nickelsdorf im Burgenland sind seit 7.00 Uhr wieder Flüchtlinge aus Ungarn angekommen. "Derzeit sind es 1.500" sagte Polizeisprecher Helmut Marban. Die Behörden rechneten für Sonntag erneut mit bis zu 10.000 Migranten in Nickelsdorf. Die Personen würden im Stundentakt in Zügen in Hegyeshalom ankommen und dann zu Fuß die Grenze überqueren.

Logistisch wird der Zustrom auch am Sonntag verkraftbar sein, sagte Marban. Die Flüchtlinge würden mit extra geführten Zügen der ÖBB und Bussen an den Westbahnhof gebracht werden, von wo sie nach Deutschland weiterreisen wollen. Falls es zu Engpässen am Westbahnhof kommen sollte, stehen auch andere Bahnhöfe zu Verfügung.

Wie sich die Lage entwickeln wird, wenn Ungarn am Dienstag die Grenzen schließt, sei noch nicht abzusehen. "Die Menschen sind auf der Flucht, sie werden dann auf anderen Routen kommen", meinte Marban.

Die ÖBB werden mit einem extra Zug mehr als am Samstag unterwegs sein, sagte ÖBB-Sprecherin Sonja Horner zur APA. Vier Züge werden nach Salzburg fahren, vier weitere werden als Shuttlezüge zwischen dem Westbahnhof und Nickelsdorf verkehren. Auch die ÖBB waren optimistisch, den Zustrom erneut zu bewältigen. Zum einen seien die Einsatzkräfte gut koordiniert, zum anderen würden "viele reguläre Fahrgäste aufgrund der Lage von einer Reise per Bahn absehen und auf alternative Transportmittel umsteigen", sagte Horner.

"Null-Kommunikation" Ungarns

Die Organisation von Versorgung und Transport der Flüchtlinge in Nickelsdorf verläuft zwar routiniert - allerdings herrsche seit Samstagabend wieder "faktische Null-Kommunikation" mit den ungarischen Behörden, wie der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, am Sonntag der APA sagte. Das fordere von allen eingesetzten Organisationen "ein Mehr an Flexibilität".

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