Krim: Ukraine ordnet Truppenabzug an

Kiew gibt die Krim auf: Die Truppen werden abgezogen, im Osten ist man in Angst.

Russlands neue Landkarte soll laut Angaben der Moskauer Universität für Kartografie schon sehr bald fertig sein. Auf dieser Karte wird dann auch die Krim als Teil Russlands ausgewiesen sein, jene Halbinsel, die völkerrechtlich nach wie vor zur Ukraine gehört. Kiew hat dies offenbar auch resignierend akzeptiert: Die ukrainischen Truppen auf der Krim sollen sich nach Worten des Übergangspräsidenten Alexander Turtschinow von der Halbinsel zurückziehen. Dies habe das Verteidigungsministerium angeordnet.

Während dort die Angliederung an die Russische Föderation rasch vorangetrieben wird, wachsen in Kiew wie in Westeuropa die Sorgen davor, dass Russlands Kartografen bald noch weitere Aufträge aus dem Kreml erhalten könnten. Der Chef der alliierten Streitkräfte in Europa, US-Luftwaffengeneral Philip Breedlove, sagte am Sonntag in Brüssel, die Ansammlung russischer Truppen entlang der ukrainischen Landgrenze zu Russland sei so zahlreich und die Truppen so einsatzbereit, dass sie auch eine Bedrohung für Moldawien darstellen könnten. "Russland verhält sich eher wie ein Gegner, denn als Partner", so Breedlove. Der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates Andrij Parubij sprach von einer akuten Bedrohung, die Truppen seien "jederzeit zu einem Angriff bereit". Das Ziel des russischen Staatschefs Wladimir Putin sei nicht nur die Krim, so Parubij, "sondern die gesamte Ukraine".

Dass sich massive russische Verbände entlang der Grenze zur Ukraine sammeln, bestätigen auch Augenzeugen vor Ort. Ganze bis vor Kurzem verschlafene Dörfer auf der russischen Seite der Grenze seien von Militäreinheiten quasi besetzt worden. Russlands Verteidigungsministerium aber bestreitet, Truppen an der Grenze zur Ukraine zu sammeln. Man halte sich an alle Vereinbarungen, und vor allem die USA seien in der derzeitigen Lage aufgerufen, die militärischen Aktivitäten russischer Truppen "objektiv" zu betrachten, so Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow.

Eine der letzten Militärbasen gestürmt

Russische Soldaten haben am Montag auf der Krim dann auch einen Versuch zur Eroberung des Marine-Stützpunktes in Feodosia gestartet. Dabei setzten die Russen auch Hubschrauber ein, so ein Sprecher des ukrainischen Militärs - die Marinebasis in Feodosia ist eine der letzten Stützpunkte auf der Krim in der Hand der Ukrainer. Kiew soll im Gegenzug die Stromvesorgung gekappt haben: Die neuen Machthaber auf der Halbinsel werfen der Ukraine vor, die Stromversorgung zu drosseln - nur etwa 50 Prozent des vereinbarten Lieferumfangs komme derzeit auf der Krim an., sagte Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew in Simferopol am Montag. In Jalta, Sudak und Jewpatorija sei der Strom gänzlich ausgefallen.

Entspannung in der aufgeheizten Lage soll nun eine Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bringen. Ein Mandat, um über die Grenze zu blicken, werden die Beobachter zwar nicht haben und auch auf die von Russland annektierte Krim werden sie nicht reisen dürfen. Aber zumindest in der von pro-russischen Protesten gebeutelten Ostukraine werden sie aktiv werden. Ein Vorausteam von 40 Beobachtern sollte am Sonntag eintreffen. Im Laufe der Woche sollen es bis zu 100 werden. Zehn Österreicher sollen an der Mission teilnehmen. Ihre Aufgabe wird es sein, zu beobachten, ob der Schutz von Minderheiten in der Region gewährleistet ist und ob es Anzeichen für Interventionen von Außen gibt.

Die Übergangsführung in Kiew, aber auch pro-ukrainische Beobachter im Osten der Ukraine gehen davon aus, dass Russland gezielt separatistische Gruppen in Regionen wie Donezk oder Charkiw unterstützt – sowohl logistisch als auch finanziell und personell durch organisierten Protest-Tourismus.

Am Sonntag kam es in Donezk erneut zu Protesten für einen Anschluss an Russland. 5000 Menschen gingen auf die Straße. Zu Zusammenstößen, wie in den vergangenen Wochen, kam es nicht.

Inmitten dieser Krise herrscht weiterhin Unklarheit über den Verbleib ukrainischer Soldaten auf der Krim. Alle ukrainischen Basen sind seit Samstag in der Hand russischer Kräfte. Es gibt zahlreiche Berichte von Übergriffen und Einschüchterungsversuchen sowohl gegenüber Soldaten selbst als auch ihren Familien. Diese zeigten, "wie gefährlich die von Russland geschaffene Situation ist", so die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Laura Lucas Magnuson. Sie forderte Moskau auf, mit Kiew das Gespräch über Sicherheit der ukrainischen Militärs zu suchen.

Telefonat zwischen Merkel und Putin

Unterdessen haben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der russische Präsident Wladimir Putin am Sonntag über die Lage in der Ukraine gesprochen. Beide Seiten hätten in dem Telefonat die Einigung auf ein Mandat für eine Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) begrüßt, teilte der Kreml in Moskau am Sonntagabend mit.

In dem Gespräch sei es zudem um die Situation nach der Eingliederung der Schwarzmeerhalbinsel Krim in russisches Staatsgebiet gegangen, hieß es in der Erklärung der russischen Präsidentschaft weiter.

Österreich wird sich an der OSZE-Mission vorerst mit zehn Experten beteiligen (fünf Militärs und fünf Diplomaten), sagt Außenminister Sebastian Kurz dem KURIER. Der Ministerrat wird sich am Dienstag auf den Einsatz einigen. Es ist möglich, dass es einen Vorratsbeschluss für die Entsendung von 15 OSZE-Experten geben werde. Insgesamt könnte die Ukraine-Mission der Organisation für Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bis zu 500 Personen umfassen.

Kurz begrüßt diesen Einsatz, um "ein klares Bild über die Lage in der Ost- und Südukraine zu bekommen". Hier leben viele Russen, und von Seiten der russischen Regierung heißt es, dass es in der Region "nationalistische, ultraradikale und faschistische Tendenzen" gebe. "Ein Propaganda-Krieg", sagt Kurz, die OSZE-Experten werden helfen, die Sache aufzuklären. "Das ist ein erster, wichtiger Schritt zur Deeskalation."

Stabilisierung

In der Region befinden sich bereits einige Menschenrechtsexperten des Europarates, eine "österreichische Initiative", betont Kurz. Um die Ukraine dauerhaft zu stabilisieren und "eine neue Spaltung in Europa" zu verhindern, schlägt der Außenminister einen "Vierstufen-Plan" für die Ukraine vor.

Erstens, eine "militärische Neutralität" oder "Blockfreiheit". Kurz hat dabei auch die Unterstützung seines ukrainischen Amtskollegen. "Ich bin froh, dass in Kiew nicht alle nach der NATO rufen."

Zweitens verlangt Kurz "dringend den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit, die Untersuchung der Verbrechen und der Todesschüsse am Maidan-Platz und den entschlossenen Kampf gegen Korruption.

Drittens brauche die Ukraine ein modernes, auf EU-Standards basierendes Minderheiten-recht und einen Minderheitenschutz. "Der Umgang mit der russischen Minderheit sowie mit anderen Minderheiten muss von der neuen ukrainischen Regierung geregelt werden."

Elf Milliarden Euro

Als vierten Punkt nennt der Außenminister Maßnahmen, die die Ukraine ökonomisch überlebensfähig machen. Elf Milliarden Euro von der EU seien "ein erster Schritt". Mittelfristig brauche die Ukraine "Handelsbeziehungen mit den EU-Staaten sowie mit den regionalen Partnerländern".

Kurz spricht sich für die Schaffung einer "Freihandelszone der EU mit der Ukraine, Russland und der Republik Moldau" aus. "Es braucht eine Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok. Es braucht eine Freihandelszone der EU mit dem Osten."

Was sich Unternehmensvertreter schon lange wünschen, hat kein EU-Politiker so offen ausgesprochen wie Kurz. Sein Fazit: "Wir müssen das Blockdenken beenden."

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