Ukraine will Mauer: Berlin zeigt Verständnis

Die Ukraine will ihre Grenzen mit einer Mauer sichern.
Deutschland findet Pläne der Ukraine, eine 2300 Kilometer lange Grenzmauer zu Russland zu errichten, "nachvollziehbar".

Der ukranische Regierungschef Arseni Jazenjuk will eine Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Russland errichten. Die deutsche Bundesregierung hat dafür Verständnis. "Die Entscheidung der Ukraine, die Grenzen zu sichern, ist natürlich eine freie Entscheidung der Ukraine", sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag in Berlin.

Wichtig sei, dass kein weiterer Nachschub von Waffen und Kämpfern für die Separatisten erfolgen könne. "Insofern ist das ein Anliegen, das nachzuvollziehen ist", sagte Wirtz. Die Mauer soll nach den Plänen Jazenjuks rund 2300 Kilometer lang werden.

Faymann reist nach Kiew

In Österreich hingegen plant der Kanzler eine Friedensmission - auch wenn er sie nicht so nennen mag. Werner Faymann will am Donnerstag kommender Woche in Rom mit der neuen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini zusammentreffen, um eine Reise nach Kiew zu akkordieren. Diese soll dann innerhalb der nächsten drei Wochen stattfinden. Die Krone berichtete auch darüber, dass Faymann mit den Separatisten zusammentreffen will – das sei allerdings nicht der Fall, wie man im Kanzleramt betont.

Geplant sei jedenfalls ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und seinem Premier Arseni Jazenjuk in Kiew. Eng miteingebunden werden soll laut der Zeitung dabei auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Dieser hatte sich zuletzt in der ZiB2 deutlich gegen die EU-Sanktionen gegen Russland positioniert – er halte sie für schädlich und zwecklos, meinte der Wirtschaftskammer-Boss, der generell eine recht gute Beziehung zu Russland unterhält.

Mit dem Kreml selbst wolle Faymann auch sprechen – wenn auch nicht persönlich, sondern telefonisch. Wann die Reise genau stattfinden wird, wurde offengelassen. Die Presse mutmaßt, dass es fraglich sei, ob der Zeitplan hält – denn Poroschenko sei oftmals Ausland, im September sei er etwa in Washington und auf der UN-Generalversammlung in New York.

Kurz legt Zwischenstopp in Kiew ein

Außenminister Sebastian Kurz begrüßt die Mission Faymanns: "Jede mit EU und OSZE abgestimmte Initiative kann hilfreich sein", sagte Kurz im Ö1 Morgenjournal. Wichtig sei, dass Faymann klargestellt habe, dass er keine russischen Separatisten in der Ostukraine treffen wolle. Kurz beendet am heutigen Freitag einen Reise durch den Südkaukasus. Laut mitreisenden Journalisten will der Außenminister am Rückflug aus Aserbaidschan einen kurzfristig angesetzten Zwischenstopp in Kiew einlegen -über konkrete Termine dort wurde vorerst nichts bekannt.

Österreich beteilige sich auch technologisch an einer Friedenslösung in der Ukraine-Krise, betonte Kurz und verwies darauf, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Österreich hergestellte Drohnen zur Überwachung der Grenzen zwischen der Ukraine und Russland einsetzen wolle. Dabei gehe es unter anderem auch darum sicherzustellen, dass "keine Soldaten die Grenze überqueren".

Gudenus wettert in Moskau

Eine andere Art von Krisendiplomatie scheint der FPÖ vorzuschweben: Johann Gudenus, Klubchef der Wiener FPÖ, trat am Donnerstag in Moskau bei einer offiziösen Veranstaltung namens "Internationales Forum 'Mehrkindfamilien und die Zukunft der Menschheit'" auf. Gudenus kritisierte in seiner Wortmeldung nicht nur die EU-Politik gegenüber Russland, er wetterte auch gegen eine "Homosexuellenlobby".

Abgesehen von prominenten Duma-Abgeordneten, konservativen Aktivisten und Spitzenvertretern der Geistlichkeit, darunter der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill, nahmen auch europäische Politiker an diesem Moskauer Forum teil. Die Nachrichtenagentur Interfax berichtete über den Auftritt Gudenus' und der liberale Fernsehsender Doschd strahlte eine größere Passage im Originalton aus: In seiner Rede kritisierte Gudenus die EU, aber insbesondere auch die NATO und die USA. "Europa ist mehr als die Europäische Union, wir sind eine große christliche Familie. Aber es gibt jemanden, der unsere Werte und unsere Familie zerstören will", wird er von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert: Dabei solle nicht vergessen werden, dass die USA bis zum letzten europäischen Soldaten Krieg führen würde.

Die Politik der EU sei die jene von NATO und Amerika, sagte Gudenus. "Ich schäme mich dafür. Das österreichische Volk, das Volk der Europäischen Union denken nicht so. Wir sind Freunde Russlands", zitiert Interfax. Ungemach drohe in Europa, so erklärte Gudenus zum Veranstaltungsthema, aber auch von einer "Homosexuellenlobby". Diese sei äußerst mächtig und verfüge über eigene Zeitungen und Fernsehsender. "Die europäische Homosexuellenlobby will eine absolute Gleichberechtigung von Homosexuellen und Lesben, darunter auch das Recht aus Adoption von Kindern, das es bereits in einigen EU-Staaten gibt. Es ist schwer vorstellbar, wohin das alles führen wird", so der Wiener Politiker in der Moskauer Erlöserkathedrale.

UNO plant umfangreiche Lebensmittel-Hilfe

Die Vereinten Nationen planen für die Konfliktregionen der Ukraine eine große Hilfsaktion, bei der bis zu 120.000 Menschen Lebensmittel erhalten sollen. Das Programm sei auf sechs Monate ausgelegt, teilte das UNO-Welternährungsprogramm (WFP) am Freitag in Genf mit. Demnach sollen etwa 40.000 besonders Bedürftige Essens-Pakete bekommen, an 80.000 sollen Gutscheine für Lebensmittel verteilt werden.

Freihandelspakt verzögert sich

Das von Moskau kritisierte Freihandelsabkommen zwischen EU und Ukraine soll später in Kraft treten als geplant. "Wir haben vereinbart, die provisorische Anwendung bis zum 31. Dezember nächsten Jahres zu verzögern", sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Freitag in Brüssel nach Gesprächen mit Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew und Ukraines Außenminister Pawel Klimkin.

Der EU-Ministerrat müsse diesem Vorschlag aber noch zustimmen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte zuvor in Kiew angekündigt, das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine solle am 1. November in Kraft treten. Der Freihandelspakt ist ein wichtiger Bestandteil des Partnerschaftsabkommens.

Eine Woche nach Inkrafttreten einer Waffenruhe in der Ostukraine haben die Führung in Kiew und die Separatisten den Austausch von Gefangenen fortgesetzt. Die Aufständischen hätten innerhalb von 24 Stunden insgesamt 57 Soldaten übergeben, teilte das Präsidialamt in Kiew am Freitag mit. Die Regierung habe im Gegenzug 31 prorussische Kämpfer freigelassen.

Schätzungen zufolge hält jede Seite nach den monatelangen Kämpfen noch jeweils Hunderte Gefangene fest. Die Konfliktparteien hatten sich am 5. September auf eine unbefristete beidseitige Feuerpause geeinigt, die aber brüchig ist.

EU-Handelskommissar Karel De Gucht kam am Freitag noch einmal mit Vertretern der Ukraine und Russlands zusammen, um über die konkrete Umsetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Kiew zu verhandeln. Ein Sprecher von De Gucht sagte am Freitag in Brüssel, der vorliegende Text gestatte eine gewisse Flexibilität und mögliche Verzögerungen, wann etwa bestimmte Zölle in Kraft treten.

"Wir sind offen, um Russland zuzuhören, aber das Abkommen ist zwischen der Ukraine und der EU", sagte der Sprecher. Für jegliche Änderungen am Abkommen selbst müssten auch die Ukraine und die EU zustimmen.

"Das Ziel des Treffens ist es, ausständige Fragen in Hinblick auf die Umsetzung des Abkommens zu diskutieren", erklärte die EU-Kommission. De Gucht wolle nach dem Treffen selbst die Presse über den Ausgang informieren, sagte der Sprecher.

Und die ausständigen Fragen dürften zahlreich sein: Laut einem Bericht der Süddeutschen begehrt Moskau mehr als 2.300 Änderungen.

Ratifizierung am Dienstag

Das Europaparlament wird Dienstagmittag (16. September) das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine ratifizieren. Aus symbolischen Gründen soll auch das ukrainische Parlament in Kiew, die Rada, das Abkommen am Dienstag ratifizieren.

Die Ukraine hatte ein entsprechendes Abkommen bereits im vergangenen November unterzeichnen wollen. Der damalige Präsident Viktor Janukowitsch stoppte das Vorhaben aber auf Druck aus Moskau. Die Kehrtwende löste eine politische Krise in der Ukraine aus, die im März zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland sowie zu schweren Kämpfen mit pro-russischen Separatisten in der Ost-Ukraine führte.

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