Ukraine: Polit-Risiko aus dem Bankensektor drängen

Interview: Banker Rashkowan im Gespräch.

Wladislaw Rashkowan (37) ist Vize-Direktor der ukrainischen Nationalbank und als solcher verantwortlich für die Reform des Bankensektors – Reformen, an die internationale Geldgeber die Ausschüttung dringend benötigter Kredite geknüpft haben.

KURIER: Der Oligarch Igor Kolomoisky wurde als Gouverneur von Dnjepropetrowsk abgesetzt, Regierungsvertreter wurden festgenommen – wie wirkt das auf Sie?

Ukraine: Polit-Risiko aus dem Bankensektor drängen
Vladislav Rashkovan
Wladislaw Rashkowan:Eine der Reformen, die wir am dringendsten benötigen, ist, das politische Risiko auf den Bankensektor zu minimieren. Es gibt so viele Risiken im Bankensektor der Ukraine, da können wir nicht zusätzlich auch noch ein politisches Risiko brauchen. Zu den Festnahmen: Ich kenne die Fälle nicht.

Sie haben über politische Risiken gesprochen. Aber es gibt auch sehr hohe Kredit-Risiken. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Leider spiegelt das Niveau der Kreditausfälle zu einem signifikanten Teil die Situation der Wirtschaft wieder. Wenn Sie einen Krieg haben in einer Region, in der ein großer Teil der Industrie angesiedelt ist, wenn Sie minus 6,5 Prozent BIP haben, wenn Sie einen Teil des Staates okkupiert haben: Wie kann es möglich sein, das Wachstum an Kreditausfällen zu bremsen? Da ist noch ein Faktor: Gerichtswesen und Exekutive. Es gab Hunderte Fälle, in denen Verfahren wegen Korruption verloren wurden. Und viele der Gewinner, die Unternehmen besitzen und ihre Kredite nie bezahlt haben, sitzen heute im Parlament. Da sind Hunderte Milliarden Dollar in den Bilanzen unserer Banken.

Wie damit verfahren?

Helft uns: Wir arbeiten jetzt mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) zusammen, um sozusagen einen Business-Ombudsmann im Land zu installieren. Und auch ein Anti-Korruptionsbüro ist im Entstehen.

Wie hoch sind die Kreditausfälle?

Wir haben in der Ukraine noch keine internationalen Bilanzierungsstandards. Daher ist der Stand nach ukrainischen Standards 20 Prozent. Wenn man nach Fitch geht, sind es 40 Prozent.

All die Reformen, wie groß ist da der Druck des IWF?

Dass das alles vom IWF ausgeht, ist ein falscher Eindruck. Wir wissen in vielen Fällen, wo diese Reformen benötigt werden – aber es ist nicht schlau zu sagen, dass wir alles wissen. Es ist besser, mit Menschen zu reden, die Reformen in anderen Ländern durchgeführt haben. Durch IWF und EBRD haben wir Zugang zu diesen Leuten. Wir glauben an die Reformen, diese Leute helfen uns, sie zu strukturieren.

Die ukrainische Wirtschaft ist mit Russland eng vernetzt. Wie geht man damit um?

Die niedrigen Energiepreise bis 2004 waren eine Falle. Reformen waren nicht nötig. Nach 2004 wurde nichts getan. Jetzt wurde verlautet, dass wir mit Lieferungen aus Europa und eigener Produktion von Russland unabhängig werden. Und der Exportmarkt nach Russland? Das waren alles Überbleibsel der Sowjetunion. Wir arbeiten daran, den Exportmarkt umzuleiten. Ist das schmerzhaft? Ja. Ist es unlösbar? Nein.

Sie benötigen Investments, dafür. Woher sollen die kommen?

Was auch immer man in der Vergangenheit als ausländische Investments gesehen hat. Zu einem großen Teil ist es einfach Geld, das Oligarchen außer Landes und wieder ins Land gebracht haben. Zugleich haben wir freilich nach 2004 große, echte Investments gesehen, vor allem im Bankensektor mit Raiffeisen oder Unicredit. Die Frage sollte eher lauten: Wieso sollen sie kommen? Weil das Investitionsklima besser wird. Ganz wichtig: das Gerichtswesen. Das hat Priorität, weil es alle Ebenen der Wirtschaft betrifft. Ich bin sicher, das Geld wird kommen. Woher: Europa, China, Türkei, die baltischen Staaten.

Klingt toll. Auf der anderen Seite aber gab es kaum jemals ein tiefer sitzendes Misstrauen in die politische Elite.

Vertrauen kommt nicht aus der Gegenwart. Es kommt aus der Vergangenheit. Misstrauen wurde akkumuliert über viele, viele Jahre. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Bürokratie und Korruptionisten nach wie vor hart kämpfen. Wollen wir das? Nein. Wollen wir Oligarchen-Banken? Nein. Banken dürfen kein Staubsauger für Oligarchen sein, Einlagen aufzusaugen, um ihre Unternehmen zu finanzieren.

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