Ukraine benötigt dringend Hilfe

Viele heimkehrende Flüchtlinge in der Ostukraine haben alles verloren. Die UNO bat um Hilfe, Österreich gibt 700.000 Euro
Über eine Viertelmillion Menschen in der Ukraine auf der Flucht. Österreich hilft mit 700.000 Euro.

Für vier Millionen Menschen in der Ostukraine bleibt die Lage verzweifelt: Der am Dienstag vom Parlament in Kiew verabschiedete Sonderstatus für den Osten des Landes wird schon jetzt von einigen Abgeordneten bekämpft (siehe unten). Und auch von einer allgemeinen Waffenruhe ist noch wenig zu spüren: Zwei Zivilisten starben bei Gefechten in der Nähe eines Marktes in Donezk, mehrere wurden verletzt.

Tausende vor den Kämpfen geflohenen Ukrainer aber wollen nicht länger warten. An die 20.000 Menschen sind in den vergangenen Tagen in ihrer Dörfer und Städte zurückgekehrt – und fanden dort oft zerstörte Wohnungen, zerschossene Schulen, keine funktionierende Wasserversorgung mehr, keine ärztliche Versorgung, nicht einmal mehr genug Lebensmittel. Eine weitere Viertelmillion Ukrainer ist in andere Landesteile geflohen, weit über 300.000 Menschen retteten sich ins benachbarte Russland.

Angesichts der nahenden Wintermonate und einer drohenden Versorgungskatastrophe hat das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Ukraine dringend um internationale Hilfe gebeten. Österreich kommt diesem Appell mit 500.000 Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds nach, wie am Dienstag im Ministerrat beschlossen wurde. Weitere 200.000 wird die Austrian Development Agency (ADA) zur Verfügung stellen. Diese Gelder kommen konkreten Projekten zugute – etwa der Aufbereitung von Trinkwasser oder der Sicherung von Notunterkünften. "Die Mittel werden so schnell wie möglich vergeben", heißt es dazu vonseiten der ADA.

Kaum Flüchtlinge in Österreich

Hilfe für Flüchtlinge in der Ukraine am besten vor Ort, lautet die österreichische Position. In Österreich sind bisher nur wenige Flüchtlinge aus der Ukraine eingetroffen. Von Jänner bis Ende Juli stellten nach Angaben des Innenministeriums nur 199 Ukrainer in Österreich Antrag auf Asyl – das ist drei Mal so viel wie im gesamten Vorjahr. Auch die Zahl der Verletzten, die in Österreich spezielle medizinische Betreuung erhalten haben , ist gering. Außenminister Kurz nahm zuletzt am Montag von seinem Besuch bei Ukraines Präsidenten Poroschenko aus Kiew drei verletzte Zivilisten mit nach Wien. Sie werden in Spitälern in Niederösterreich medizinisch versorgt.

Auch seine Vermittlungsbemühungen treibt Österreich weiter voran. Kanzler Werner Faymann reist heute nach Rom zur designierten EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, um sich mit dem EU-Kurs abzustimmen. Später peilt er auch Gespräche mit den Präsidenten der Ukraine und Russlands, Poroschenko und Putin, an.

Nach der Verabschiedung des Sonderstatus für die Ostukraine haben mehrere ukrainische Abgeordnete eine Rücknahme des Gesetzes gefordert. Mitglieder der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko und weitere Abgeordnete reichten am Mittwoch einen Antrag ein.Vor dem Präsidialamt protestierten auch etwa 300 Anhänger des "Rechten Sektors" gegen das Gesetz.
Das Parlament hatte das Gesetz über einen Sonderstatus für die Gebiete Donezk und Luhansk am Vortag in einer nicht öffentlichen Sitzung angenommen. Unmittelbar darauf ratifizierte die Rada gleichzeitig mit dem per Video zugeschalteten Europaparlament in Straßburg ein von Moskau kritisiertes Partnerschaftsabkommen zwischen Kiew und Brüssel.

Die ukrainischen Beschwerdeführer wollen das Gesetz nun wegen angeblicher Verstöße gegen Abstimmungsregeln für ungültig erklären. Um das Votum geheim zu halten, seien am Vortag elektronische Abstimmungsmaschinen verwendet worden, sagten die Abgeordneten. Dadurch stehe die Glaubwürdigkeit der Wahl infrage, weil nicht klar sei, wie die Volksvertreter gestimmt hätten, argumentierten sie.

Mit dem Sonderstatus räumt Kiew den beiden Gebieten für drei Jahre Selbstverwaltungsrechte ein. Vorgesehen sind zudem örtliche Wahlen am 7. Dezember sowie die Gründung einer eigenen Volksmiliz. Ein Amnestiegesetz gewährt den Separatisten zudem weitgehende Straffreiheit. Nur besonders schwere Verbrechen sollen geahndet werden.

Poroschenko soll nicht unterzeichnen

Ministerpräsident Arseni Jazenjuk betonte am Mittwoch, dass seine Regierung die beiden "Volksrepubliken" nicht anerkennen werde. "Das ist meine politische Position", sagte er. Der Rechte Sektor kritisierte, dass das Autonomiegesetz sowie der Straferlass "nicht eindeutig" seien. Parteisprecher Artjom Skoropadski forderte Präsident Petro Poroschenko auf, die Gesetze nicht zu unterzeichnen.

Jazenjuk forderte zugleich die Armee auf, trotz der geltenden Waffenruhe "volle Gefechtsbereitschaft" aufrechtzuerhalten. "Wir können niemandem trauen, vor allem den Russen nicht", sagte er nach einer Kabinettssitzung. Tatsächlich gab es auch am Mittwoch gewaltsame Zwischenfälle. Zwei Menschen starben durch Schüsse in Donezk.

Der ukrainische Regierungschef teilte zugleich mit, dass rund eine Million Staatsbeamte einer Lustration unterzogen werden sollen: Anhänger des im Februar gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch sollen mit dieser Überprüfung aus der öffentlichen Verwaltung entfernt werden.

Moskau will Garantie

Russland reagierte positiv auf das Autonomiegesetz. Es sei "ein Schritt in die richtige Richtung", sagte die Föderationsratschefin Valentina Matwijenko der Zeitung "Rossijskaja Gaseta". Separatistenführer Alexander Sachartschenko erteilte jedoch den für den 7. Dezember angesetzten Wahlen eine Absage. "Wir werden selber entscheiden, wann wir welche Wahlen abhalten", sagte er der Agentur Interfax zufolge. "Von der Ukraine organisierte Wahlen wird es bei uns nicht geben."

Russland forderte unterdessen eine Stellungnahme Kiews zur Umsetzung des EU-Assoziierungsabkommens. Moskau erwarte eine "Bestätigung", dass das Freihandelsabkommen wie in der Vorwoche mit Brüssel und Kiew vereinbart erst Anfang 2016 umgesetzt werde, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax am Mittwoch. Russland droht mit hohen Steuern auf ukrainische Waren, um die befürchtete Überschwemmung des eigenen Marktes mit billigen Produkten aus der EU zu verhindern.

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