Türkische Presse sieht "Hoffnung für die Welt"

Hoffnung für die Welt? So sieht es nicht nur die regierungsfreundlichen Zeitung Sabah.
Franziskus´ Besuch in der Türkei wurde von den Medien wohlwollend kommentiert.

Die Aufrufe von Papst Franziskus I. und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zu einem Dialog zwischen den Religionen und zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Extremismus bestimmten am Samstag die Titelseiten der türkischen Zeitungen. "Lass uns gemeinsam kämpfen", lautete die Schlagzeile der Zeitung Vatan, wie die Ökumenische Stiftung Pro Oriente aus Ankara berichtete.

"Friedensbündnis", titelte das regierungsnahe Blatt Star. Das Bild des gemeinsamen Auftritts von Papst und Erdogan "gibt Hoffnung für unsere Welt", hieß es in der ebenfalls regierungsfreundlichen Zeitung Sabah.

Islamfeindlichkeit im Westen

Die regierungsnahe Zeitung Aksam hob hervor, dass der Papst die Bemühungen der Türkei bei der Versorgung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge gelobt habe: "Gott schütze die Türkei", lautete die Schlagzeile. Die AKP-nahe Zeitung Yeni Safak strich heraus, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Beisein des Papstes auf die Gefahr der Islamfeindlichkeit im Westen hingewiesen habe. Erdogan habe dem Papst als Geschenk den auf Silber geprägten Text eines Erlasses ("firman") des osmanischen Sultans Mehmet II. aus dem 15. Jahrhundert überreicht; in dem der Sultan den Christen in Bosnien volle Religionsfreiheit zusicherte.

Versteckte Kritik am Papst?

Die gegenüber Erdogan kritisch eingestellte Hürriyet interpretierte dessen Hinweis darauf, dass Staatsstreiche in einigen Ländern von der Welt toleriert würden, als eine leise Kritik an Papst Franziskus. Der Papst hatte vor wenigen Tagen den ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi getroffen. Wie Hürriyet wertete auch die regierungskritische Cumhuriyet die Anspielung Erdogans auf Al-Sisi als versteckte Kritik am Papst.

Ein enger Berater des türkischen Präsidenten bescheinigte Franziskus einen "ernsthaften Willen zur Verständigung" zwischen den Religionen. Der Papst lege Bereitschaft an den Tag, das Ziel einer Verständigung zwischen Christen und Muslimen zu erreichen, schrieb Ibrahim Kalin in einer Kolumne für die regierungsnahe englischsprachige Zeitung Daily Sabah vom Samstag. Muslime und Christen sollten sich gemeinsam gegen Gewalt im Namen des Islam und gegen die Islamfeindlichkeit im Westen wenden.

Rolle des Patriarchen

Kalin würdigte auch die Rolle des orthodoxen Patriarchen Bartholomaios (Bartholomäus) I. Der Erdogan-Berater bezeichnete diesen ausdrücklich als "das geistliche Oberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen" in der Welt. Diese Rolle als Ökumenischer Patriarch wurde vom türkischen Staat bisher nicht anerkannt; offiziell gilt er lediglich als Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei. Der regierungskritische Anwalt und Kolumnist Orhan Kemal Cengiz rief Ankara auf, nicht nur dem Papst den nötigen Respekt zukommen zu lassen, sondern auch dem Patriarchen. Die bisherige Missachtung des Oberhaupts der Weltorthodoxie entspringe einer Furcht des türkischen Staates vor religiösen Minderheiten, schrieb Cengiz in der Zeitung Bugün.

Nach seinem vielbeachteten Besuch bei Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Papst Franziskus am zweiten Tag seiner Türkei-Reise mit der Hagia Sophia und der blauen Moschee zwei der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Istanbuls besucht.

Gen Mekka geneigt beten Papst Franziskus und der Istanbuler Mufti Rahmi Yaran einträchtig nebeneinander in der Blauen Moschee. Franziskus mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen. Der Mufti die Hände vor der Brust erhoben. Das gemeinsame Gebet sei Franziskus am Herzen gelegen, berichteten türkische Medien.

Die Schuhe hat er vor Betreten des Gotteshauses ausgezogen, wie es Vorschrift ist. Entspannt hört er dem Mufti zu, der ihn am Samstag durch die Moschee in Istanbul führt.

Auch Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. hatte 2006 in der Sultan-Ahmet-Moschee gebetet und damit einem spannungsgeladenen Besuch ein versöhnliches Ende gegeben. Franziskus gab mit dem Moment des Innehaltens vor allem ein starkes Zeichen - für das Miteinander der Religionen. Denn dieses steht für den Papst gemeinsam mit der Ökumene im Mittelpunkt seines dreitägigen Türkei-Besuchs, das unterstrich der Argentinier mit jeder Geste.

Politische Appelle

Den ersten Tag seiner Reise hatte der Pontifex zu eindringlichen politischen Appellen - für die Religionsfreiheit oder zur Einheit im Kampf gegen den Terrorismus - genutzt. Am zweiten Tag ließ er Taten und Gesten sprechen.

Der Moschee-Besuch in Istanbul war der erste für Papst Franziskus in seiner Amtszeit. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi bezeichnete den Augenblick des Gebets als "stille Verehrung", es sei ein "schöner Moment des interreligiösen Dialogs" gewesen. Sowohl Mufti als auch Papst betonten die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen - Franziskus ließ sich von seinem Gastgeber Koran-Verse und die Besonderheiten des islamischen Gotteshauses erläutern.

Besuch in Hagia Sophia

Beim anschließenden Besuch in der geschichtsträchtigen Hagia Sophia verewigte sich der Papst mit einem Gebet im Goldenen Buch. In dem Museum - das früher lange eine Kirche und später eine Moschee war - hörte Franziskus den Erklärungen des Direktors höflich und interessiert zu. Immer wieder auftauchende Forderungen aus der islamisch-konservativen türkischen Regierungspartei AKP, das Gebäude wieder in eine Moschee umzuwandeln, ließ der Papst unkommentiert.

Mäßiges Interesse

Türkische Presse sieht "Hoffnung für die Welt"
Pope Francis arrives by car at the Blue Mosque in Istanbul November 29, 2014. Pope Francis began a visit to Turkey on Friday with the delicate mission of strengthening ties with Muslim leaders while condemning violence against Christians and other minorities in the Middle East. REUTERS/Osman Orsal (TURKEY - Tags: RELIGION)

Die Türkei ist zu 99 Prozent muslimisch, entsprechend verhalten war das Interesse am Besuch des römisch-katholischen Kirchenoberhaupts. Doch das Auftreten des Papstes kam gut an - vor allem seine Fahrt durch Istanbul in einem schlichten grauen Mittelklassewagen. "Ein bescheidenes Auto für den bescheidenen Papst", titelte die regierungskritische Zeitung "Hürriyet". Vor allem mit Blick auf die laut Opposition enorm hohen Baukosten des neuen Palasts von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan schätzten viele Türken die offen gelebte Bescheidenheit des Papstes.

Der Abschluss des Besuchs stand schließlich ganz im Zeichen der Ökumene. Bei einer katholischen Messe wurden sowohl der Papst als auch der orthodoxe Patriarch Bartholomäus mit Applaus empfangen. Anschließend zogen sich beide zu einem ökumenischen Gebet in der Patriarchatskirche St. Georg und einer privaten Begegnung zurück. Und auch hier machte Franziskus einmal mehr deutlich, wie ernst es ihm mit seinem Anliegen des Dialogs und der Annäherung ist.

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