Türkei erhöht den Preis für Flüchtlingsdeal mit der EU

Die EU-Kommission steht nach Sieg der AKP vor schwierigen Verhandlungen über einen Aktionsplan. Ankara stellt vier Forderungen.

Knapper geht es nicht mehr: "Die EU wird mit der künftigen türkischen Regierung zum Wohle der Bürger zusammenarbeiten." – So lautet die offizielle Reaktion der EU-Kommission, die von Chefdiplomatin Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn am Montag veröffentlicht wurde.

Die dürftige Stellungnahme erklären Experten mit der uneinheitlichen Türkei-Position in der Kommission. Die Spitze um KommissionspräsidentJean-Claude Juncker ist für eine Vorwärtsstrategie. Man will Ankara trotz bisheriger Vorbehalte (Demokratiedefizit, Unterdrückung der Pressefreiheit) entgegenkommen, um rasch einen Deal zu erzielen, den die EU in der Flüchtlingsfrage so dringend braucht. Einen Aktionsplan mit der Türkei gibt es noch nicht.

Hahn gehört zur Gruppe der Kommissare, die keine Zugeständnisse an Erdogan um jeden Preis machen wollen. Welche Strategie die Kommission nach dem Wahltriumph der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP und dem Machtzuwachs für den sultanesken Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einschlagen wird, macht der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), deutlich: "Ob es uns passt oder nicht: Erdogan ist da." Und weiter: "Jetzt, wo der Flüchtlingsstrom vor unserer Haustür steht, hat die Türkei natürlich ein erhebliches Druckinstrument, um uns zu mehr Maßnahmen zu zwingen, als es uns vielleicht lieb ist."

Vier konkrete Forderungen hat Ankara an die EU: Teilnahme an EU-Gipfeltreffen, Öffnung neuer Kapitel bei den Beitrittsverhandlungen, Visa-Liberalisierung 2016 und Geld. Drei Milliarden Euro pro Jahr will die Türkei, um Flüchtlinge im Land zu versorgen, Schlepper zu bekämpfen und den Flüchtlingsstrom nach Europa einzudämmen.

Erpressungspotenzial

Hochrangige Diplomaten befürchten, dass die Türkei nach dem AKP-Wahlsieg den Preis für ein Flüchtlingsabkommen in die Höhe treiben werde. "Erdogan hat die Hebel in der Hand, er kann die Schleusen für Flüchtlinge öffnen oder schließen, und er wird weitere Konzessionen verlangen", befürchtet ein EU-Beamter. Kurzum: Das Erpressungspotenzial der Türken gegenüber der EU wird größer.

Kritik gibt es daran, dass die Kommission den Termin für die Veröffentlichung der Fortschrittsberichte für die EU-Kandidaten aus Rücksicht auf die Türkei-Wahlen auf den 5. November vorschoben hat. Entwürfe dieses Berichtes kursieren, angeblich werde es aber keine Zugeständnisse an Ankara geben, weil die Beurteilung nach einem bestimmten Kriterien-Katalog erfolgt. Schwere Mängel dürfte der Bericht bei der Rechtsstaatlichkeit, den Minderheitenrechten und der Medien- und Pressefreiheit feststellen. "Das ist ein großer Prüfstein für die EU, sich seriös auf Verhandlungen mit der Türkei einzulassen", sagt EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer, Menschenrechtssprecher der Sozialdemokratischen Fraktion. Für ihn ist auch das Verhalten der türkischen Regierung gegenüber den Kurden "inakzeptabel". Eine "friedliche Kurdenlösung" sei für Weidenholzer eine Bedingung für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen und für den Flüchtlingspakt.

Noch werden die Gespräche über den Beitritt der Türkei von Zypern blockiert. Aber still und heimlich laufen Verhandlungen mit Zyprioten im türkisch besetzten Nordteil und im griechischen Süden. Eine neuerliche Volksabstimmung über eine Wiedervereinigung der geteilten Insel soll 2016 stattfinden.

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