Temeswar: "Uns ist Wien näher als Bukarest"

Demo mit den Fahnen, aus denen man damals das Wappen herausriss
Wo Weihnachten ’89 Rumäniens Revolution begann, wächst eine Metropole, die nach Westen blickt.

Umzüge durch die Innenstadt, ein Lichtermeer am Hauptplatz, ein Meer von Kränzen vor und im Rathaus: Temeswar erinnert sich in diesen Weihnachtstagen an die rumänische Revolution von 1989. Hier in der Stadt im äußersten Westen des Landes begannen die Aufstände gegen das kommunistische Ceauceșcu-Regime. Dutzende Demonstranten starben, als die Polizei in die Menge schoss. "Die Helden unserer Revolution" nennen sie die meist jungen Demonstranten, die lautstark durch die Straßen ziehen.

Viele von ihnen meinen damit nicht nur die Revolution, die inzwischen 26 Jahre her ist. "Jetzt müssen wir uns um eine zweite Revolution kümmern", erklärt Dacian, der damals noch gar nicht auf der Welt war. Doch die alten Kommunisten, die seien immer noch an der Macht, "und das Geld landet immer noch in ihren Taschen".

Korruption, undurchsichtige politische Netzwerke und deren Kämpfe um die Macht: Das sind die Themen, um die auch in Temeswar jede politische Debatte kreist. Erst vor ein paar Wochen hat Rumäniens Regierungschef Viktor Ponta den Hut nehmen müssen – angeklagt wegen Korruption – und viele seiner Minister gleich dazu. Derzeit kümmert sich eine Expertenregierung um die Staatsgeschäfte. Im kommenden Jahr wird gewählt.

Doch der Politik, die "dort unten in Bukarest" gemacht wird, will man hier im Banat die eigene Zukunft hier ohnehin nicht mehr anvertrauen. Wenn Bürgermeister Nicolae Robu über seine Stadt spricht, dann erzählt er gerne von ihrer multikulturellen Tradition, von den deutschen und den ungarischen Siedlern, die hier das Land aufgebaut hätten – und natürlich von den Österreichern. Denn die – und darauf ist man in Temeswar richtig stolz – hätten die Region schon regiert, als anderswo in Rumänien noch die Osmanen herrschten. Bis heute steht Österreich für den europäischen Fortschrittsgeist, den man hier pflegen möchte. "Wien ist uns eben viel näher als Bukarest", meint etwa der Filmregisseur Florin Lepan, der derzeit einen Film über Prinz Eugen dreht. 300 Jahre ist es im nächsten Jahr her, dass der die Stadt für die Österreicher eroberte – und das wird groß gefeiert.

Um ein Stück österreichische Ingenieurskunst aus diesen Tagen hat sich der Unternehmer Ovidiu Sandor angenommen. Auf seine Initiative wurde ein Wasserwerk, mit dessen Hilfe die kaiserliche Armee einst ihre Befestigungsgräben auffüllte, geborgen und restauriert. Jetzt steht es als eindrucksvolles Schaustück vor dem City Business Centre, das der international tätige Geschäftsmann führt.

Der größte Investor kommt aus Südafrika, die Firmen, die in dem stylischen Bürokomplex eingemietet sind, reichen von deutschen und französischen Elektrounternehmen bis zu österreichischen Banken und Versicherungen. Auf die Frage, wie er mit der in Rumänien grassierenden Korruption umgeht, hat der smarte Endvierziger eine bemerkenswert klare Antwort parat: "Die internationalen Unternehmen, die sich hier einmieten, will jede Stadt in Europa haben. Die müssen niemanden bestechen."

Korruption konzentriert sich für Sandor dort, "wo private Unternehmen mit dem rumänischen Staat Geschäfte machen müssen. Straßenbau, Energie, Infrastruktur, da drängt sich die politische Macht hinein, da fließt das Schmiergeld."

Die internationalen Konzerne, die sich in Temesvar ansiedeln, würden sich vom Staat und seiner Einflusssphäre möglichst fernhalten. Was die bräuchten, ist für den Unternehmer rasch zusammengefasst:"Gute Rahmenbedingungen, rasche Abwicklung ihrer Projekte und natürlich gute Leute."

Und die finden in Temeswar offensichtlich reichlich Arbeit, wie der Bürgermeister stolz erklärt. Überall anderswo in Rumänien würden die Leute nach Westen abwandern: "Wir aber haben eine wachsende Bevölkerung und noch dazu kaum Arbeitslosigkeit."

Temeswar: "Uns ist Wien näher als Bukarest"
Ovidiu sandor, temsvar

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