Syrien: "Bald vier Millionen Flüchtlinge"

Koordiniert die Hilfe der UNO für syrische Flüchtlinge: Awad
UNHCR-Direktor Awad über die verzweifelte Lage der Syrer.

Jedes Monat fliehen 100.000 Syrer vor dem Krieg aus ihrer Heimat", schildert Amin Awad, UNHCR-Koordinator für syrische Flüchtlinge. Umso wichtiger sei es, so drängt Awad im KURIER-Gespräch, dass Syriens Nachbarländer ihre Grenzen weiter offen halten, aber auch Europa mehr Flüchtlinge aufnimmt. Amin Awad über ....

... den nicht abreißenden Flüchtlingsstrom aus Syrien Wir befinden uns jetzt im vierten Krisenjahr. In den Nachbarländern Syriens hat die UNO bisher 2,8 Millionen Flüchtlinge registriert. Zusammen mit jenen, die sich nicht offiziell gemeldet haben, bedeutet das also: Es gibt weit über drei Millionen Flüchtlinge. In Syrien selbst sind 6,5 Millionen Flüchtlinge geworden und weitere drei Millionen Menschen haben keinen Zugang mehr zu medizinischer Versorgung oder zu Schulen – insgesamt reden wir da von etwa der Hälfte der syrischen Bevölkerung.

... Belagerungen wie im MittelalterIn Syrien gibt es sechs belagerte Regionen, vier werden von der syrischen Armee, zwei von den Rebellen belagert. Das muss man sich vorstellen wie im Mittelalter: Keiner kann dort rein, keiner raus – dort gibt es kein trinkbares Wasser, kein Essen, keine Medizin, keine Sanitäranlagen, aber dafür ständige Angriffe und Bombardierungen. Die Leute essen Gras oder Körner. Insgesamt betrifft es rund 240.000 Menschen. Nur dank manchmal eintreffender Hilfslieferungen können sie mit größten Mühen überleben.

... die schwierige Arbeit des UN-Flüchtlingshilfswerkes in Syrien Das UNHCR hat in Syrien sieben Büros. Es ist äußerst schwierig, sich von einem Punkt zu einem anderen zu bewegen. Es gibt an die 1000 verschiedene Gruppen, die im Land kämpfen.Wer auf der Straße fährt, muss unzählige Kontrollen durch Bewaffnete an Checkpoints überwinden. Zwischen 70 bis 80 der kämpfenden Gruppen kontrollieren Checkpoints, und mit jedem Einzelnen von ihnen muss man sich seine Weiterfahrt neu ausverhandeln.

... die Hoffnung auf ein Ende des Krieges Für Syrien gibt es keine militärische Lösung, und eine politische Lösung ist nicht in Sicht. Wenn weiter Monat für Monat 100.000 Syrer pro Monat aus dem Land fliehen, kann man sich leicht ausrechnen, dass wir bis Ende 2014 über vier Millionen Flüchtlinge haben werden. Die Frage ist: Wie sollen das die fünf Länder aushalten, die am meisten Flüchtlinge aufgenommen haben: Libanon, Jordanien, Irak, Türkei und Ägypten? Wie lange werden sie politisch stabil bleiben?... das Zurückschicken von FlüchtlingenDie Grenzen müssen unbedingt offen gehalten werden. Und auch an Europa geht die Bitte, die Grenzen zu öffnen und mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Der kleine Libanon hat über eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Auf Österreich umgemünzt wäre das so, als ob man hier zwei Millionen Flüchtlinge im Land hätte. ... Österreichs Angebot, 1500 syrische Flüchtlinge aufzunehmenMan versucht in Österreich, alles richtig zu machen, den Flüchtlingen eine gute Aufnahme zu ermöglichen und sie auch zu integrieren, und das braucht Zeit. Aber es reicht nicht. Seit Kriegsbeginn haben 3750 Syrer in Österreich um Asyl angesucht, und 2000 haben es bisher erhalten.

... die lebensgefährliche Fluchtroute übers Mittelmeer Etwa ein Viertel jener Menschen, die im Vorjahr in Booten übers Mittelmeer nach Europa kamen, sind Syrer. Von ihnen wiederum sind zehn Prozent nie angekommen, ertrunken, verschwunden, gestorben. Der Weg über das Mittelmeer, das ist sehr, sehr gefährlich.

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