So lebt angeblich "Zar Putin"

Das US-Magazin Newsweek beschreibt den Alltag des Kreml-Chefs minutiös.

Wladimir Putin ist ein mysteriöser Mann – man weiß von seinen Hobbys zwar durch heldenhafte Bilder vom Spielfeld, der Jagd und im Cockpit. Was ihn umtreibt aber bleibt immer Spekulation. Was geht in ihm vor, was denkt er und wieso – darüber dringt nichts aus den dicken Brokatwänden des Kreml. Um das Bild des russischen Präsidenten etwas abzurunden, hat das amerikanische Magazin Newsweek den britischen Journalisten Ben Judah auf die Fährte nach Moskau geschickt. Rausgekommen ist die Titelgeschichte "Der Paria – Hinter den Kulissen von Putins Hof: Die privaten Gepflogenheiten eines heutigen Diktators".

Der Journalist sammelte dafür drei Jahre lang Informationen und angebliches Geheimwissen aus dem Umfeld des Kreml-Chefs und beschreibt dessen vermuteten Tagesablauf – bis ins Detail. So viel vorab: Es ist keine Spaßgesellschaft, die sich in Moskaus allerhöchsten Kreisen herumtreibt; Putins Welt scheint hingegen recht begrenzt und freudlos.

Entgegen möglichen Erwartungen steht Putin laut Judah erst am späten Vormittag auf - er soll ein Nachtmensch sein. Er frühstückt einfach mit Kaffee und Hüttenkäse, er mag aber auch Haferbrei oder Wachteleier. Sein Essen stammt von den Ländereien des Patriarchen Kyrill, dem religiösen Führer Russlands. Bevor die Arbeit für den Kremlchef eigentlich beginnt, geht er noch schwimmen (Judah will sogar wissen, dass es sich um Brustkraulen handelt) – kein Wunder, dass die Beamten, die ihn erwarten, gerne mal Stunden auf ihn warten müssen. Putin genießt die Zeit allein im Wasser, hier soll er nachdenken können. Auch im Fitnessraum ist Putin zugegen – hier freilich lieber an den Hanteln als am Rad.

"Besessen von Information"

Wenn der Büroalltag beginnt, kommt er laut dem Magazin zunächst zu den Berichten vom In- und Auslandsgeheimdienst, sowie von den Mitarbeitern. Putin sei besessen von Information, schreibt Newsweek. Das wichtigste sei ihm dabei die Presseclippings, ein Überblick über die Putin-bezogene Berichterstattung. Auch hier eine Hierarchie: Die für Putin bedeutendsten seien natürlich die beliebten russischen Massenblätter, dann die Qualitätszeitungen, zuletzt in seiner Aufmerksamkeit rangiere die ausländische Presse. Schlechte Nachrichten würden nicht ausgeklammert: Putins Stab habe ein Interesse daran, dass er stets sieht, wie das Ausland ihn schlechtschreibt.

Im Büro sitzt Putin an seinem massiven Holztisch, er benutzt nur die sichersten Technologien: Papier und Festnetztelefone aus der Sowjet-Ära. Vor der Tür sitzen laut Judah die „Höflinge“, die auf Einlass warten – beim „Zaren“, wie Mitarbeiter ihn hinter vorgehaltener Hand nennen. Putin könne die Höflinge per Video beobachten, während sie warten, tratschen und sich langweilen. Doch viel lieber halte er sich auf seinem Landsitz in Novo Ogarjowo auf, eine halbe Stunde von Moskau entfernt.

Aber auch dort sei sein Tagesablauf die reine Routine: Aufgeteilt in Tausende Einheiten von Viertelstündigen Terminen, verplant auf Monate. Ausbruch aus dem Alltag biete ihm etwa Eishockey, es gibt regelmäßig Spiele mit Vertrauten und Bodyguards – „Sie spielen und sie verlieren“, schreibt Judah.

Offen gesprochen

Privatleben soll Putin keines haben: Seine Eltern tot, seine Frau geschieden, seine Töchter ein Staatsgeheimnis. Die beiden leben nicht in Russland. Offen sprechen hört man Putin mehr als selten; einer seiner „Höflinge“ soll einmal an einem lauen Abend dabei gewesen sein, als der Präsident über Russland und seine Rollen sinnierte. Die größten Verräter Russlands, so wird er später zitiert und in Newsweek beschrieben, seien die gewesen, die die große Macht des Landes auf den Boden geworfen hätten: Zar Nikolaus II und Michail Gorbatschow. Die Macht sei dann von „Hysterikern und Verrückten“ aufgenommen worden - ein Fehler, den er, Putin, niemals machen wolle.

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