Sebastian Kurz in Russland: Harte Bandagen

Sebastian Kurz in Russland: Harte Bandagen
Während Moskau für die Siegesfeier zum Weltkriegsende übt, trifft Außenminister Kurz seinen Kollegen Lawrow.

Es wird geprobt, was das Zeug hält und was der Platz an Platz hergibt. Panzer rollen in endlosen Kolonnen über den hell erleuchteten Roten Platz, die nächtliche Luft flirrt und dröhnt vom Rasseln der Ketten und vom Lärm der Motoren. Soldaten stapfen in strenger Formation. Derweil donnert der Nachschub an Panzern und Artillerie in langen Kolonnen über die Moskworetsi-Brücke und entlang der Moskwa in Richtung Kreml. Über der Stadt liegt der entschlossene Chorgesang Tausender Soldaten, der alleine imstande ist, jedem Gegner Angst einzuflößen.

Die ehemals Rote Armee gibt ihr Bestes. Denn die Parade des russischen Militärs zum 70. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland am Samstag soll die beeindruckendste werden, die Moskau je gesehen hat. Seit zwei Wochen wird geübt, drei große Proben gibt es, und als Beobachter mag man den Aufmarsch und das martialische Gehabe ein bisschen lächerlich, jedenfalls anachronistisch finden – wäre da nicht das Bewusstsein, dass Teile dieser Armee in der Ostukraine den Aufstand der prorussischen Separatisten unterstützen, wenn nicht gar selbst in die anhaltenden Kämpfe dort involviert sind.

Teilnahme unmöglich

Das ist auch der Grund, warum Politiker der EU-Staaten nicht an den Siegesfeiern am 9. Mai teilnehmen. "Es sind auch Einheiten der Krim Teil der Parade, und das Bedrohungsbild, das gezeigt wird, macht eine Teilnahme unmöglich", erklärt Außenminister Sebastian Kurz, der am Dienstag seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow trifft. Er selbst legt am Vormittag einen Kranz am Denkmal des Unbekannten Soldaten an der Kreml-Mauer nieder. "Um der Opfer des Weltkrieges zu gedenken, ohne sich instrumentalisieren zu lassen", sagt Kurz. "1941–1945" steht an dem Denkmal im Alexandergarten – die russische Rolle davor mit Hitler-Deutschland, die Teilung Polens, werden verschwiegen.

Der Besuch des österreichischen Außenministers wird in Moskau seit zwei Wochen medial transportiert – auch mit der schon lange gespielten Propaganda, dass Österreich die Sanktionen der EU gegen Russland lieber heute als morgen beendet sähe. Kurz gibt deshalb dem Sender Russia 24, der diesen Mythos am meisten pflegt, ein Interview und ist danach baff, wie die Interviewerin versucht, seine Aussagen in eine Richtung zu lenken. "So etwas habe ich noch nicht erlebt."

Danach fährt Kurz, der am Vortag Weißrussland besucht hat, ins Gästehaus seines russischen Amtskollegen und bringt eine klare Botschaft mit: Russlands Verhalten mit der Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine und der Annexion der Krim "ist völkerrechtswidrig. Wir haben in der EU alle Beschlüsse mitgetragen und stehen zu ihnen, wir weichen nicht von der EU-Position ab". Ohne Verbesserung der Situation vor Ort und der Umsetzung des Minsker Abkommens (zwischen Ukraine, Russland und der EU) samt des dort vereinbarten, aber sehr brüchigen Waffenstillstandes werde es auch keine Lockerung der Sanktionen gegen Russland geben, so der Minister beim Gespräch mit Lawrow und der anschließenden Pressekonferenz. Das lässt wenig Spielraum für anderslautende Propaganda.

Aber: Österreich suche neben den Sanktionen den Dialog, "weil Friede nicht gegen, sondern nur mit Russland gemacht werden kann". Zudem müsse das Blockdenken in Europa zurück in die Geschichtsbücher.

Der russische Außenminister, der vom "gegenseitigen Respekt" in den Beziehungen spricht, kontert: Russland gehe davon aus, dass alle Bestimmungen des Minsker Abkommens eingehalten werden müssten, aber darunter sei auch ein direkter Dialog Kiews mit Lugansk und Donezk (wo die Separatisten dominieren), den es nicht gebe; die Gesetzgebung in Kiew, die den Kommunismus verbieten und den Faschismus glorifizieren wolle, trage nicht dazu bei, den Konflikt zu lösen.

Und Lawrow attackiert die EU: Sie verbinde eine Lockerung der Sanktionen mit der Umsetzung des Minsker Abkommens und gehe davon aus, dass nur Russland es zu erfüllen habe. Ständige Brüche seitens der Ukraine würden toleriert – und es "deutet einiges darauf hin, dass irgendwer in der EU hofft, dass Minsk nicht umgesetzt wird". Moskau würde der EU jedenfalls "nicht hinterher laufen und um ein Ende der Sanktionen bitten".

Botschaft nach Kiew

Er hoffe, so Lawrow angesichts der abendlichen Weiterreise Kurz’ nach Kiew, dass dieser auch seinen ukrainischen Amtskollegen Pawlo Klimkin auf die Verpflichtungen der Ukraine hinweisen werde.

Dass Österreich und die anderen EU-Staaten nicht bei der Siegesfeier vertreten sein werden, für die in Moskau so eifrig geprobt wird, nimmt Lawrow demonstrativ gelassen: "Das ist unser Fest und keine Einladung zur Musterung" – wenn jemand nicht komme, sei das auch recht.

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