Sarkozy nimmt Kurs auf den Elysée

Am Samstag will Nicolas Sarkozy (im Bild mit seiner Frau Carla Bruni) UMP-Chef werden, 2017 französischer Präsident
Ex-Präsident will wieder Präsident werden; Kampf um Parteivorsitz der Konservativen ist Auftakt.

Die Szene spielt sich vor zehn Tagen in einem gerammelt vollen Pariser Saal ab. Die Stimmung ist hitzig. Das Publikum, obwohl vielfach gediegen wirkende Familien aus den Nobelbezirken, ist in Wallung. Veranstalterin ist die erzkonservative Bewegung, die monatelang – vergeblich – gegen die Legalisierung der Homo-Ehe durch die SP-Regierung riesige Demonstrationen organisiert hatte. Jetzt hat diese Bewegung die Kandidaten vorgeladen, die kommenden Samstag bei der Kür des Vorsitzenden der konservativen Sammelpartei UMP (durch die Parteimitglieder) zur Auswahl stehen.

Unter ihnen auf der Tribüne natürlich auch der alle überragende Favorit Nicolas Sarkozy. Der Ex-Staatschef hat seinen vorgeblichen Rückzug aus der Politik vor wenigen Monaten jäh beendet und steuert jetzt mit überquellender Gewissheit die Rückeroberung des französischen Präsidentenamts bei den Wahlen 2017 an: Die Sozialisten unter dem extrem enttäuschenden Staatspräsidenten Francois Hollande gelten bereits als chancenlos, die Nationalistin Marine Le Pen hat zwar Aussicht auf einen spektakulären Durchbruch aber nicht auf einen Sieg bei Präsidentenwahlen. Da erscheint der jetzt anstehende Infight um den Parteivorsitz als harmlose Aufwärmrunde für Sarkozy.

Aus für Homo-Ehe – „wenn es Euch Freude bereitet“

Aber der bald 60 jährige Tribun wirkt bei seinem Auftritt vor den Gegnern der Homo-Ehe unsicher und zerfahren, das tobende Publikum scheint ihm zuzusetzen. Genervt, ruft er in die Menge: „Die Abschaffung (des Gesetzes über die Homo-Ehe) – wenn Euch das Freude bereitet, das kostet ja nicht viel“. Tags darauf geht ein Aufschrei durch die französische Öffentlichkeit: einige seiner engsten Gefährten signalisieren erstmals Distanz. Laut Umfragen akzeptiert die Mehrheit der Franzosen die Homo-Ehe. Eine Abschaffung und Annullierung der inzwischen vollzogenen Homo-Hochzeiten halten auch die wenigsten konservativen Politiker für möglich. Vor allem aber wirkt der Spruch von Sarkozy verstörend launisch und unüberlegt für einen Mann, der sich mit besonderer Sorgfalt für das höchste Amt im Staat vorbereitet.

Aber vielleicht war dieses Zugeständnis an die Gegner der Homo-Ehe ein wohl überlegterer Schachzug als es den Anschein hat. Die Abstimmung am Samstag wird von den rund 270.000 Parteimitgliedern entschieden, die weiter rechts als ein Gutteil der bürgerlichen Wähler stehen. Darüber hinaus will Sarkozys mit seiner harten, polarisierenden Kampagne der aufgebrachten Stimmung vieler Franzosen Genüge tun und dadurch Marine Le Pen das Wasser wieder abgraben.

Aus für Schengen

So häufte Sarkozy in der Kampagne für den UMP-Vorsitz scharfe Ansagen, namentlich gegen Muslime, Migranten und EU, die ihm jeweils den meisten Applaus bei seinen Auftritten vor Parteiversammlungen brachten: bei Schulausflügen sollten künftig Mütter, die ein islamisches Kopftuch tragen, nicht wie bisher üblich als Begleitpersonen akzeptiert werden (an den französischen Schulen sind alle „auffälligen religiösen Symbole“ bereits verboten), die kostenlose medizinische Mindestversorgung für Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung soll abgeschafft werden, Frankreich soll das Schengener Abkommen über den freien Personenverkehr kippen.

Hohn für gemäßigten Rivalen

Ein einziger bürgerlicher Rivale könnte Sarkozy bei der künftigen Ernennung des UMP-Kandidaten für die französischen Präsidentenwahlen in die Quere kommen: der Ex-Premier und Bürgermeister der Stadt Bordeaux, Alain Juppé. Dieser wesentlich moderater auftretende UMP-Politiker schneidet einstweilen in Umfragen besser als Sarkozy ab. Sarkozy ließ ihn bei einer Versammlung seiner Anhänger ausbuhen und verhöhnt ihn immer wieder wegen seines Alters: 69 Jahre.

Bleiben die vielen Affären um Korruption, Günstlingswirtschaft und illegale Finanzflüsse, in denen Sarkozy unter Verdacht steht. Aber alle bisherigen Justizverfahren gegen Sarkozy versandeten. Für die Bevölkerung, die wegen dieser endlosen Zahl von Verdächtigungen längst den Überblick verloren hat, sind diese Affären derzeit auch nicht maßgeblich. Was nicht bedeutet, dass Sarkozy im Endspurt der Präsidentenkampagne nicht doch noch über eine weitere Justizerhebung stolpern könnte.

In der Haltung zum Euro und zu Israel toben ideologische Grabenkämpfe in der französischen Rechtspartei „Front National“ (FN). Beim Parteitag am Wochenende wird zwar die Vorsitzende Marine Le Pen eine triumphale Show hinlegen, nachdem der FN aus den EU-Wahlen mit 25 Prozent Stimmen als relativ stärkste Partei Frankreichs hervorging. Außerdem bescheinigen Umfragen der FN weitere spektakuläre Erfolge bei Lokal- und Regionalwahlen 2015.

Aber hinter den Kulissen ist ein internes Ringen im Gange: Marine Le Pen will den FN auf eine Regierungsteilnahme vorbereiten und nicht zuletzt dafür eine weitere Abnabelung von ihrem Vater, dem radikaler auftretenden 86 jährigen Parteigründer Jean-Marie Le Pen, bewerkstelligen. Sie setzt dabei auf eine Riege jüngerer FN-Politiker, die ursprünglich zu einem linksnationalistischen Kreis in der Sozialistischen Partei gehörten, und die nunmehr den FN wirtschaftspolitisch auf Staatsinterventionismus und Euro-Austritt getrimmt haben. Außerdem beanspruchen die neuen FN-Politiker das Erbe des legendären Staatschefs Charles De Gaulle, der Zeitlebens von den Rechtsradikalen um Jean-Marie Le Pen bekämpft wurde.

Rechte gegen Euro-Austritt

Gegen den Anti-Euro-Kurs stemmt sich paradoxerweise der rechtere Flügel, der Jean-Marie Le Pen die Treue hält und sich um seine Enkelin Marion Marechal-Le Pen schart. Diese 25 jährige Parlamentarierin ist eher wirtschaftsliberal orientiert und sucht den Brückenschlag mit den rechtskonservativen Gegnern der Homo-Ehe.

Beide Fraktionen stemmen sich gegen den außenpolitischen Berater von Marine Le Pen, den Politologen Aymeric Chauprade. Dieser hat die Unterstützung Israels „gegen die Islamisten“ sinngemäß zur Pflicht für „französische Patrioten“ erklärt – „es sei denn, man gehorche einem zwanghaften Antisemitismus“, wie Chapraude schreibt.

Kredit aus Moskau

Chauprade, der seinen Hauptwohnsitz in Wien hat, wirkt auch als Bindeglied zu radikalen russischen Pro-Putin-Persönlichkeiten. Marine Le Pen schwärmt für Putin (so bezeichnete sie ihn in einem Kurier-Interview als „Verteidiger der europäischen Zivilisation“). Das FN hat soeben einen Kredit von neuen Millionen Euro von der in Moskau etablierten „First Czech Russian Bank“ bekommen, der laut Russland-Experten ohne Einverständnis der Staatsführung um Putin nicht zustande gekommen wäre.

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