Polens öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird jetzt national

PiS-Regierung hievt konforme Journalisten in Top-Posten – und legt sich mit Berlin an.

Eine Woche politisch bedeutender Personalrochaden in Polens öffentlich-rechtlichen Medien steht bevor; die EU-Kommission will am Mittwoch eine Prüfung der Rechtsstaatlichkeit Polens in die Wege leiten; und ganz nebenbei greift Polens Justizminister Zbigniew Ziobro Deutschland verbal an. Der Grund für das alles: Die von der polnischen Regierung initiierten Reformen des Verfassungsgerichts und der öffentlich-rechtlichen Medien.

In einem offenen Brief an den für Medien zuständigen EU-Kommissar Günther Oettinger schreibt Ziobro von "Zensur der deutschen Medien" und nennt eingeleitete Reformen in Polen eine "bedeutend demokratischere Lösung" als in Deutschland.

Oettinger hatte vorgeschlagen, Polen wegen demokratiepolitisch bedenklicher Tendenzen unter EU-Aufsicht zu stellen. Ziobro dazu: "Solche Worte von einem deutschen Politiker wecken bei Polen die schlimmsten Assoziationen." Sein Vater habe im Zweiten Weltkrieg im Untergrund gegen "deutsche Aufsicht" gekämpft.

Neue Ängste

Dabei gärt auch in Polen breiter Widerstand gegen die von der seit Mitte November regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) unter Parteichef Jaroslaw Kaczynski eingeleitete Umwandlung des Staates. "Damals vor dreißig Jahren hatten wir Angst vor der Regierung, heute müssen wir wieder Angst haben" so eine ältere Dame, die vor dem "Platz der Aufständischen" in Warschau in einer Menschenmasse steht, die sich vor dem Gebäude des TV-Senders TVP versammelt hat.

Am Samstag demonstrierten in 20 polnischen Städten Zehntausende Menschen unter dem Motto "Freie Medien" gegen die Einnahme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens durch die PiS. Dazu aufgerufen hatte die außerparlamentarische Opposition "Komitee für die Verteidigung der Demokratie", die sich in der Tradition der ersten freien Gewerkschaft Polens, der Solidarnosc, sieht.

Erst am Freitag waren im Staatsfernsehen TVP wie im Polskie Radio dank des neuen Mediengesetzes die Intendanten ausgewechselt worden. Ausgesprochenes Ziel der alleine regierenden PiS: Die öffentlich-rechtlichen Medien sollen in "nationale Medien" umgewandelt werden und traditionelle und christliche Werte vermitteln.

Polens öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird jetzt national
A newly appointed president of Polish Television (TVP) Jacek Kurski speaks to the press in Warsaw, Poland January 8, 2016. The European Commission will discuss next week the situation in Poland, the bloc's biggest eastern member, where a new conservative and Eurosceptic government drew criticism that it was undermining democratic principles with its reforms of the country's state-funded media and the top constitutional court. REUTERS/Slawomir Kaminski/Agencja Gazeta THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. POLAND OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN POLAND.
Mit Barbara Stanislawczyk wurde eine Reporterin und Schrifstellerin für das Polskie Radio als Intendantin nominiert, die sich bisher weniger politisch betätigt hatte. Vor allem aber der neue TV-Intendant Jacek Kurski gilt als Hardliner. Seine TV-Erfahrungen beschränken sich auf die frühen 90er-Jahre, danach war er als Politiker der Rechten aktiv. "Als Fernsehen werden wir alles tun, um eine nationale Gemeinschaft zu schaffen", so Kurski bei seiner Antrittsrede. Politischen Einfluss wolle er aus TVP heraushalten.

Liberale Polen hegen daran massive Zweifel. "Heute übernehmen sie die Öffentlich-Rechtlichen, morgen die Privaten", warnte ausgerechnet der ältere Bruder Kurskis, Jaroslaw Kurski, auf der Demo. Dieser ist Vize-Chef der liberalen Gazeta Wyborcza, die sich gegen die PiS-Regierung positioniert.

Die PiS zeigt sich unbeeindruckt. "Wenn jemand auf der Straße herumhüpfen will, darf er das ruhig machen", so Joachim Brudzinski, Vize-Parlamentspräsident. Verteidigungsminister Macierewicz wiederum sagte, in der Protestbewegung agierten "Vertreter des kommunistischen Apparats".

Am Montag sollen weitere Führungspositionen in den künftigen "Nationalmedien" besetzt werden. Dabei würden, so Presseberichte, vor allem Vertreter der rechten bis nationalistischen Privatmedien nominiert. Mittels des geplanten "großen Mediengesetzes", das in den nächsten Monaten im Sejm diskutiert werden soll, kann dann jeder Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen gekündigt werden. Auch zurückhaltende Personen wie der Medienwissenschaftler Stanislaw Jedrzejewski sprechen von "Säuberungen", sollte es dann politisch motivierte Massenentlassungen geben.

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