Heldentaten inmitten des Gemetzels

Ludovic Boumbas (40) warf sich schützend vor eine junge Frau. Er wurde getötet
Sébastien, Ludovic, José und zwei unbekannte Streifenpolizisten: Sie alle sind Helden von Paris.

Freitagabend bei der Pariser Konzerthalle Bataclan: Eine Frau klammert sich in 15 Metern Höhe an das Sims eines Fensters und brüllt in die Tiefe: "Hilfe! Ich bin schwanger! Kann mich wer auffangen, wenn ich falle?" Aber unter ihr auf der Straße herrscht Chaos, Menschen rennen um ihr Leben, Schüsse knallen durch die Nacht.

Im Bataclan ist das Gemetzel der Terroristen voll im Gange. Als einer davon seine Kalaschnikow nachladen muss, nutzt Sébastien seine Chance, hechtet über die Bühne, rennt die Stiege hinauf zu den Balkonen des Konzertsaals. "Direkt vor mir waren zwei Fenster und an einem hing eine schwangere Frau, die Menschen unten auf der Straße anschrie, sie aufzufangen, wenn sie fällt", erzählt Sébastien der französischen Zeitung La Provence. Der Mann aus Arles zögert nicht lang, hängt sich aus dem Fenster und hält die Frau fest, die noch immer Ausschau nach Rettung am Boden hält. Fünf Minuten lang, dann kann sie nicht mehr und er zieht sie auf ihren Wunsch wieder herauf ins Innere. "Das ist es, was ich gemacht habe", sagt der Franzose – und es klingt nicht, als ob er als Held gefeiert werden will. Sein Name bleibt unbekannt wie jener der Frau. Sie überlebte wie Sébastien den Horror und wollte ihm danken. Via Twitter findet sie ihn, die beiden haben einander laut La Provence schon getroffen.

Beherztes Eingreifen

Unbekannt sind auch die Namen von zwei Streifenpolizisten, die vor dem Sonderkommando ins Bataclan stürmten und einen Terroristen erschossen. Dann mussten sie sich zurückziehen, da sie nur ihre Dienstpistolen und eine Schutzweste dabeihatten.

Als Held wird Ludovic Boumbas von seinen Freunden gefeiert, sein Tod beweint. Der 40-jährige gebürtige Kongolese war bei einem Geburtstagsessen im Café "La Belle Epique" , als die Terroristen ins Lokal stürmten und um sich schossen. "Ludo warf sich im Kugelhagel vor eine junge Frau und wurde selbst getroffen", sagte ein Freund des getöteten Mannes der Daily Mail. "Das Mädchen wurde zwar trotzdem getroffen, überlebte aber schwer verletzt."

Boumbas starb wie 18 weitere Gäste des Cafés, darunter das Geburtstagskind Houda Saadi (35) und ihre Schwester Halima (36), Mutter von zwei Kindern, drei und sechs Jahre alt.

Drei Minuten dauerte die Schießerei, dann rasten die Terroristen davon. Neben den Leichen lagen schwer verletzte Menschen, für die letztlich jede Rettung zu spät kam. "Niemand soll allein sterben", der Gedanke war es, der Romain Ranouil antrieb. "Eine Frau wurde von mehreren Kalaschnikow-Kugeln an der Seite verletzt. Dort klaffte ein riesiges Loch, eine tiefe offene Wunde. Niemand konnte etwas für sie tun. Sie war vielleicht 20 Jahre alt", erzählt er. "Ich kniete mich hin und sprach mit ihr. Ich sagte ihr, sie solle sich nicht bewegen und ruhig atmen. Sie hat sich nicht beschwert, sie hat gar nichts gesagt. Sie hat mich nur angeschaut – bis sie starb. Ich werde mich an ihr Gesicht und ihre Augen ein Leben lang erinnern."

Schutz in Hinterhof

Erinnern werden sich alle an diese furchtbare Nacht. Auch José (48), der ein paar Häuser vom Bataclan entfernt Hausmeister ist. In seinem Hinterhof fanden 70 Menschen Zuflucht. Sie hatten in ihrer Flucht vor den Terroristen an die Tür des Hauses gehämmert, José ließ sie herein und half gemeinsam mit seiner Frau Manuela, so gut es ging. Decken gegen die Kälte, was zu essen, zu trinken. "Keine große Sache", winkt Josée ab. "Es gab nur kleinere Verletzungen, aber alle standen unter Schock. Viele waren mit Blut verschmiert, dem Blut von neben ihnen getöteten Menschen."

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