Ostjerusalem kommt nicht mehr zur Ruhe

Jerusalem kommt seit Juni nicht mehr zur Ruhe.
Aufstand: Die Palästinenser rebellieren. Attentat auf Rabbi.

Bist du Jehuda?", fragte der Mann auf dem Motorrad Mittwochabend vor dem Begin-Konferenz-Zentrum. Der auffallend rothaarige Rabbi Jehuda Glick, kurz vor einer Rede über das Gebetsrecht für Juden auf dem Tempelberg, trat trotz des geschlossenen Helmes und des arabischen Akzents näher. Da fielen die Schüsse, die den 48-Jährigen schwer verletzten. Sein Angreifer wurde am nächsten Morgen gestellt und erschossen, als er die Pistole zog.

Die militante Hamas aus Gaza lobte das Attentat "gegen den berüchtigten Zionisten" – auch wenn der Täter Muattas Hidschasi zur konkurrierenden Dschihad-Bewegung gehörte. Er hatte Untergrund-Erfahrung. Vor zwei Jahren kam er bei einem Gefangenenaustausch frei. Kein spontaner Täter wie der Amok-Raser, der vergangene Woche sein Auto an einer Haltestelle in eine Gruppe Wartender lenkte und einen drei Monate alten Säugling tötete.

Jerusalem kommt seit Juni nicht mehr zur Ruhe. Nach der Entführung und Ermordung dreier israelischer Jugendlicher und dem Rachemord an einem jungen Palästinenser, die letztlich zum Gaza-Krieg führten, hören die Randale in den Straßen des meist arabisch bewohnten Ostteils der Stadt nicht mehr auf. Immer öfter ist schon von einer Intifada 3 (Aufstand der Palästinenser) die Rede. Hubschrauber, Beobachtungsballons der Polizei und Tränengaswolken schweben über der Stadt.

Gleichzeitig mobilisiert Oberbürgermeister Nir Barkat die Kontrolleure von Ordnungsamt und Bauamt als Mittel der Repression: Stadtsteuern bis hin zu exzessiven Parkstrafen sollen die Bewohner im Osten mürbe machen. Dort, wo Wohltaten, die sonst vom Rathaus kommen, ohnehin deutlich weniger als in der Weststadt zu spüren sind.

Antwort: Siedlungen

Weiter angeheizt wurde die geladene Stimmung durch die Ankündigung neuer Siedlungs- und Stadtbaupläne der Regierung Benjamin NetanyahuOstjerusalem wird bald von israelischen Siedlungen im Westjordanland "umzingelt" sein.

Zu den Feiertagen im Oktober organisierte Rabbi Glick dann mit seinen Aktivisten Besuche auf dem Tempelberg. Gleichzeitig kündigten rechte Abgeordnete ein Gesetz an, das die umstrittenen Besuche und Gebetszeiten für Nicht-Muslime regeln soll. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas goss Öl ins Feuer, als er die Palästinenser zum Widerstand aufrief: "Gegen die Angriffe der Zionisten auf unser Heiligtum."

Abbas findet unterdessen verstärkt auch im Westen Befürworter für die Anerkennung eines Staates Palästina (Schweden hat das gestern bereits getan). Und die Beziehungen Israels zu den USA sind mittlerweile so angespannt, dass ein US-Veto im Sicherheitsrat im nächsten Jahr nicht mehr garantiert scheint.

Die Proteste der US-Regierung, der EU und des Sicherheitsrats gegen Israels Siedlungspläne werden von Netanyahu in den anlaufenden Wahlkampf eingespannt: "Alle Welt ist gegen uns!"

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