Stunde der Hardliner: "Paris ändert alles"

Die Anschläge heizen die Flüchtlingsdebatte europaweit an: CSU für Grenzsperre, Polen setzt Verteilung aus.

Die Zeit des Innehaltens währte nur kurz. Nicht einmal ein Tag war nach den blutigen Anschlägen von Paris vergangen, da wurde in Deutschland bereits die Debatte über politische Konsequenzen eröffnet. Den Anfang machte Bayerns Finanzminister: "#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen", twitterte Markus Söder.

Dass Attentäter sich womöglich als Flüchtlinge getarnt haben, dass einer mit einem gefälschten syrischen Pass bis in die französische Hauptstadt gelangt sein soll (mehr dazu hier) – all das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Nichtsdestotrotz klinkten sich auch CSU-Chef Horst Seehofer und Stanislaw Tillich, CDU-Ministerpräsident in Sachsen, nur wenig später in die Debatte ein: "Wir müssen wissen, wer bei uns ist und wer durch unser Land fährt", ließen die beiden Kanzlerin Merkel wissen – die einzige Möglichkeit sei nun offensichtlich: Man erwartet die Schließung der Grenzen.

Polen boykottiert Quote

Stunde der Hardliner: "Paris ändert alles"
ABD0093_20150707 - Der bayerische Finanzminister Markus Söder spricht am 07.07.2015 auf einer Pressekonferenz im Finanzministerium in München (Bayern). Bayern und Österreich wollen den Milliarden-Streit um die einstige Staatsbank Hypo Alpe Adria außergerichtlich beilegen, wie das österreichische und das bayerische Finanzministerium bekannt gegeben haben. Foto: Andreas Gebert/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Diese Argumentationslinie hört man nicht nur in Deutschland. In Frankreich nutzt Front-National-Chefin Marine Le Pen die Attentate, um lautstark nach einem schärferen Kurs zu rufen; und auch in Polen spricht die kürzlich gewählte, nationalkonservative Regierung von einem Konnex zwischen Terror und Flüchtlingsfrage. Der designierte Europaminister Konrad Szymanski kündigte gar an, die Flüchtlingspolitik der EU zu boykottieren – Warschau will die EU-weite Flüchtlings-Verteilung aussetzen. "Angesichts der tragischen Taten in Paris haben wir nicht die politischen Möglichkeiten, (dies) umzusetzen", sagte er; die 4500 Flüchtlinge, die das Land hätte aufnehmen sollen, werden nicht umquartiert.

Es scheint, als hätte die Stunde der Hardliner geschlagen – und die schrecken auch vor Schuldzuweisungen nicht zurück. "Angela Merkel ist der größte Schadensverursacher Europas", sagte etwa Leszek Miller, ehemaliger polnischer Regierungschef und Chef der Linkspartei, als er sich ins Kondolenzbuch für die Opfer von Paris eintrug.

Opfer und Täter

Merkel hat sich zu solchen Anwürfen nicht geäußert, ebenso wenig wie sie etwas zu den Anstößen aus Bayern, ihren Kurs zu ändern, sagte. Das erledigten Parteikollegen für sie – und zwar mit Vehemenz. Alle sollten nun "innehalten" und überlegen, "was sie für Reden halten und was sie tun", maßregelte CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Bayern – eine deutliche Ansage, schließlich hatte er selbst erst kürzlich offen die Linie der Kanzlerin infrage gestellt. Noch deutlicher formulierte es der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet: Es sei "unverantwortlich", die abscheulichen Taten mit der Zuwanderungsdebatte zu verknüpfen, sagte er am Sonntag. Und Markus Söder schrieb er ins Twitter-Stammbuch, dass die Flüchtlinge schließlich genau vor diesen Terroristen nach Deutschland fliehen würden, die nun in Paris die Anschläge verübt hätten – seine Aussagen seien eine unzulässige Gleichsetzung von Opfern und Tätern.

"Eine neue Ära"

Söder ließ sich davon wenig beeindrucken. In einem Interview mit der Welt am Sonntag wiederholte er, was er zuvor via Twitter geschrieben hatte. "Paris ändert alles. Es beginnt eine neue Ära." Und er setzte nach: "Frankreich hat seine Grenzen geschlossen. Das sollten wir uns auch vorbehalten." Dass Paris dies verfügt hat, um die Attentäter aufzuhalten – und nicht um Flüchtlinge zu stoppen – ließ er aber unerwähnt.

Alle Infos und Hintergründe zum Terror in Paris finden Sie hier.

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