Türkische Panzer stoßen nach Syrien vor

.
Türkische Einheiten rücken in Grenzstadt Dscharablus ein. Die meisten IS-Kämpfer haben sich offenbar zurückgezogen oder ergeben.
  • Die Türkei schickt nun auch Bodentruppen in den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" in Syrien.
  • Mehrere Panzer haben am Mittwoch die Grenze zu Syrien überquert.
  • Ziel ist die IS-Bastion Dscharablus in Nordsyrien, die bereits seit den Nachtstunden von türkischen Jets bombardiert wird.
  • Die von Ankara unterstützten Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) konnten bereits erste Gewinne vermelden. Ein Großteil der Stadt sei befreit.
  • Laut türkischen Medienberichten wurden zudem vier Ortschaften rund um Jarablus der Kontrolle des IS entrissen werden, 46 IS-Kämpfer seien getötet worden.
  • Die meisten IS-Kämpfer sollen sich entweder zurückgezogen oder ergeben haben.

Um 4.00 Uhr morgens Lokalzeit startete das türkische Militär am Mittwoch seine Offensive in Syrien. Der Einsatz sei "gegen Bedrohungen gerichtet", die für die Türkei von Terrororganisationen wie dem IS oder der YPG ausgingen, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan. "Hinter diese Angriffe muss jetzt ein Schlusspunkt gesetzt werden", forderte Erdogan. "Das müssen wir lösen".

Die Lösung sollte zunächst in der Einnahme der IS-Bastion Dscharablus in Nordsyrien, keine zwei Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, liegen. Erste Erfolge waren am Mittwoch schnell vermeldet. Die von der Türkei unterstützten moderaten Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) nahmen bereits vier von der Dschihadistenmiliz kontrollierte Ortschaften ein. Zudem seien laut Angaben türkischer Militärs 46 IS-Kämpfer getötet worden. Die meisten IS-Kämpfer hätten sich zurückgezogen oder ergeben, sagte ein Kommandant der Aufständischen, der namentlich nicht genannt werden wollte. Türkische Medien berichten von rund 1.500 FSA-Kämpfer, die sich in der Region aufhalten.

Türkische Panzer stoßen nach Syrien vor
Turkish army tanks are stationed on a hill in the Syrian border town of Jarablus as they are pictured from the Turkish town of Karkamis, in the southeastern Gaziantep province, Turkey, August 24, 2016. REUTERS/Umit Bektas

Türkische Panzer beteiligt

Ein Reuters-Journalist an der Grenze beobachtete nach eigenen Angaben rund sechs Panzer bei der Überquerung der Grenze. Ein AFP-Fotograf sprach von "einem Dutzend" Panzer, die das Feuer auf Jarablus eröffnet hätten. Über der Stadt waren Rauchschwaden zu sehen. Türkische Panzer feuerten von der Grenze aus Geschosse auf die Stadt ab. Aus Armeekreisen wurde verlautet, eine Bodenoffensive habe zwar noch nicht begonnen, Spezialkräfte seien aber im Land.

Zuletzt waren türkische Sondereinheiten im Februar 2015 für einen kurzen Einsatz nach Syrien vorgerückt, um ein historisch bedeutsames Grabmal zu verlegen.

Gegen IS und Kurden

Wie heillos Ankara in den syrischen Bürgerkrieg verstrickt ist, zeigte sich zuletzt am vergangenem Samstag: In der südostanatolischen Stadt Gaziantep starben 54 Menschen, die an einer Hochzeit teilnahmen. Die türkische Regierung machte den "Islamische Staat" (IS) für den Anschlag verantwortlich. Die nunmehrige Militäraktion ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Türkei hatte angekündigt, die IS-Miliz aus der Grenzregion „komplett zu vertreiben“. Mit dem Angriff auf Dscharablus verhindert die Türkei jedoch auch, dass die kurdischen Milizen weiter nach Westen vorrücken können und damit an der Südgrenze der Türkei ein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet der Kurden entsteht.

Türkische Panzer stoßen nach Syrien vor
Smoke rises from the Syrian border town of Jarablus as it is pictured from the Turkish town of Karkamis, in the southeastern Gaziantep province, Turkey, August 24, 2016. REUTERS/Stringer EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVE.

Biden-Besuch in Ankara

Die Offensive begann nur wenige Stunden vor dem erwarteten Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden in Ankara. Die USA hatten sehen die Freie Syrische Armee und die Kurdischen YPG-Kämpfer als Verbündete gegen Assad. Mitte August - nach der Vertreibung des IS aus der wichtigen syrischen Stadt Manbij durch die YPG - hatte Außenminister Mevlüt Cavusolgu gefordert, die YPG sollten sich auf das Gebiet östlich des Euphrats in Syrien zurückziehen. Die USA hätten einen solchen Rückzug vor Beginn der Offensive zugesagt. "Jetzt müssen die USA ihr Wort halten", sagte Cavusoglu.

Scharfe Kritik aus von syrischer Regierung

Syriens Regierung hat die türkische Militäroffensive indes scharf verurteilt. Bei dem Einsatz handle es sich um einen offenen Verstoß gegen die Souveränität Syriens, hieß es am Mittwoch aus dem syrischen Außenministerium. Es gehe nicht darum, den Terrorismus zu bekämpfen, sondern ihn durch einen anderen zu ersetzen. Der Kampf gegen den Terrorismus in Syrien dürfe nur in Abstimmung mit der Regierung und Armee des Landes erfolgen.

Türkische Panzer stoßen nach Syrien vor
Smoke rises from the Syrian border town of Jarablus as it is pictured from the Turkish town of Karkamis, in the southeastern Gaziantep province, Turkey, August 24, 2016. REUTERS/Stringer EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVE.

Bereits am Dienstag hatten kurdische Rebellen die Stadt Hasaka im Osten Syriens erobert. Sie kontrollieren inzwischen weite Teile Nordsyriens. Die Regierung in Ankara beobachtet die militärischen Erfolge der Kurden in Syrien mit Argwohn.

Historisch wichtiges Datum

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bemüht sich seit längerem darum, die von Mustafa Kemal Atatürk gegründete moderne Türkei wieder stärker in die Tradition des Osmanischen Reiches zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist das Datum der Militäroffensive gegen die IS-Terrormiliz in Syrien interessant: Sie begann auf den Tag genau 500 Jahre nach einer der wichtigsten Schlachten in der Geschichte des Osmanischen Reiches.

Am 24. August 1516 besiegte das osmanische Heer im Norden des heutigen Syriens die Armee der Mamelucken, die damals große Teile der arabischen Welt beherrschten. Doch in der Schlacht von Mardsh Dabik - rund 80 Kilometer südwestlich des heutigen Kampfschauplatzes gelegen - ließen die überlegenen Truppen Konstantinopels den Mamelucken keine Chance. Der Sieg öffnete den Osmanen den Weg zur Eroberung von Damaskus, Kairo und großen Gebieten der arabischen Welt.

Die osmanischen Truppen standen damals unter dem Kommando von Sultan Selim I., "Der Gestrenge" genannt. Nach ihm ist auch die dritte Bosporus-Brücke zwischen Europa und Asien benannt, die an diesem Freitag in Istanbul eröffnet wird.

Türkische Panzer stoßen nach Syrien vor
Turkish army tanks and Turkish-backed Syrian fighters make their way in the Syrian border town of Jarablus as it is pictured from the Turkish town of Karkamis, in the southeastern Gaziantep province, Turkey, August 24, 2016. REUTERS/Stringer EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVE. TPX IMAGES OF THE DAY

Kommentare