Merkel und Obama sprachen erstmals seit Spitzelaffäre

Barack Obama und Angela Merkel bei einem gemeinsamen Pressetermin im Mai. Seither haben sich die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA nicht verbessert
Die beiden Staatschefs telefonierten in der Nacht. Dabei sprachen sie auch über Geheimdienst-Agenden.

Die Beziehungen zwischen Berlin und Washington sind bekanntermaßen belastet: Die jüngsten Enthüllungen über zwei Spitzel der CIA in deutschen Behörden ließen die beiden Länder, deren Freundschaft nach dem NSA-Skandal ohnehin schon angeschlagen war, noch weiter auseinanderdriften.

Jetzt haben die beiden Regierungschefs erstmals das Gespräch gesucht: Angela Merkel und Barack Obama griffen in der Nacht zum Hörer. Wie das Weiße Haus wissen ließ, sprach man über die Ukraine-Krise und die laufenden Atomverhandlungen mit dem Iran - aber auch über die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit.

Konkret besprachen die beiden die künftige Kooperation der Geheimdienste: Laut Obama will man in engem Kontakt mit der Kanzlerin bleiben, um zu eruieren, wie die Zusammenarbeit der Geheimdienste in Zukunft verbessert werden könne. Ein Sprecher der Bundesregierung konnte – oder wollte - zunächst keine Angaben zu dem Telefonat machen.

"Kein Kalter Krieg"

Die Kanzlerin hatte am Sonntag im ZDF-"Sommerinterview" zu den jüngsten Verdachtsfällen gesagt, die geheimdienstliche Zusammenarbeit Deutschlands mit den USA sei wichtig. Die Welt befinde sich nicht mehr im Kalten Krieg, "wo jeder jedem wahrscheinlich misstraut hat". Sie hoffe auf eine Verhaltensänderung der USA, allerdings sei es nicht einfach, die USA davon zu überzeugen.

Wegen der Spionageaffäre kamen am Sonntag bereits Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein US-Kollege John Kerry am Rande der Atomverhandlungen mit dem Iran in Wien zu einem Gespräch zusammen. Kerry sagte danach an der Seite Steinmeiers, Deutschland und die USA seien "große Freunde". Steinmeier erklärte, die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien für beide Seiten "notwendig und unverzichtbar". "Deshalb wollen wir daran arbeiten, diese Beziehungen zu beleben - auf Grundlage von gegenseitigem Respekt und Vertrauen."

Hintergrund

Die deutsche Bundesanwaltschaft ermittelt gegen je einen Mitarbeiter von Bundesnachrichtendienst (BND) und Verteidigungsministerium wegen des Verdachts auf Spionage für die USA. Die deutsche Bundesregierung forderte als Konsequenz den Vertreter des US-Geheimdienstes CIA in Deutschland zur Ausreise auf. Washington reagierte darauf verstimmt. Es ist nicht die erste Geheimdienstaffäre zwischen den USA und Deutschland: Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst NSA vermutlich Merkels Handy ausgespäht hat.

Die Facebook-Seite der deutschen Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel ist von einer Spam-Welle überrollt worden. Auf der Seite gab es am Dienstag "einen Spam-Angriff, der alle Beiträge mit bestimmten Kommentaren flutet", schrieb die Online-Redaktion der CDU an die Facebook-Fans. Unter den Beiträgen fanden sich viele wortgleiche Kommentare verschiedener Nutzer.

Außerdem explodierte die Zahl der Kommentare: Ein Beitrag kam nachmittags auf fast 50.000 Kommentare, Hunderte davon allein innerhalb einer Stunde.

Ukraine-Konflikt als Grund?

Hintergrund ist offenbar der Konflikt in der Ukraine. Viele Kommentatoren stellten Nazi-Vergleiche an. So hieß es teilweise "Danke, Frau Führer" oder "SS-Merkel". Anlass der Kritik ist, dass Merkel mit dem in der Ukraine viel gehassten Kremlchef Wladimir Putin spricht. Merkel wird aufgefordert, die Interessen des in die EU strebenden Landes nicht für ein gutes Verhältnis zu Russland aufs Spiel zu setzen.

Die Online-Redaktion der CDU versucht nun, der Spam-Flut Herr zu werden. Man freue sich über einen sachlichen Dialog, hieß es. "Wir behalten uns aber vor, Beiträge zu löschen, die gegen geltendes Recht verstoßen oder etwa Beleidigungen, Verleumdungen, Rassismus oder politischen Extremismus enthalten.

Ein deutscher BND-Mitarbeiter wurde von US-Agenten nach Salzburg zur Übergabe geheimer Unterlagen gebeten. Und in der Wiener US-Botschaft wird ein geheimes FBI-Büro vermutet, das den Auftrag hat, gezielt gegen Tschechien und Polen zu spionieren. Laut Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind auch österreichische Einrichtungen im Visier der CIA.

Außenminister Sebastian Kurz sprach bei einem Treffen mit US-Außenminister John Kerry und der amerikanischen Botschafterin auf dem Flughafen Schwechat die Spionagevorwürfe an. Man vereinbarte, "dass die Zuständigen auf amerikanischer Seite den Sicherheitsexperten aus Innen- und Verteidigungsministerium zur Verfügung stehen, um diese offenen Fragen zu klären", sagte kurz danach.

Die Verfolgung der US-Schnüffler in Österreich ist schwierig, denn im Gesetz wird Spionage wie ein Kavaliersdelikt behandelt.

Universitätsprofessor Siegfried Beer schätzt die Zahl der in Österreich tätigen Agenten auf bis 8000. Eine Erklärung dafür liefert der Verfassungsschutz: "Die geopolitisch zentrale Lage, der Sitz zahlreicher internationaler Organisationen, eine gute Infrastruktur, niedrige Strafbestimmungen und kurze Verjährungsfristen scheinen nachrichtendienstliche Tätigkeiten in Österreich zu begünstigen."

Nachrichtendienst

Ausspähungsziele sind Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Forschung, Verteidigungspolitik und Energiewirtschaft. Wer laut § 256 einen "Geheimen Nachrichtendienst zum Nachteil der Republik Österreich" betreibt, ist aber nur mit maximal drei Jahren Haft bedroht. Wer einen militärischen Nachrichtendienst für einen fremden Staat betreibt (§ 319), kommt mit zwei Jahren davon. Wer gegen einen Nachbarstaat spioniert, dem passiert gar nichts. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es für den Verfassungsschutz schwierig, sämtliche Instrumente von der Telefonüberwachung bis zum Lauschangriff bewilligt zu bekommen.

Die Anhebung der Strafen sei Teil von Überlegungen für ein neues Verfassungsschutzgesetz, erklärt ein Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Derzeit würde ausgelotet, wie hoch der Grad der Betroffenheit in der Bevölkerung sei. Dass auch der Normalbürger von der Sammelwut der US-Dienste betroffen ist, bestätigt ein weiterer Verfassungsschutzbericht: "Bis vor wenigen Jahren richtete sich Spionage weitestgehend auf Staats- bzw. Wirtschaftsgeheimnisse, in großem Umfang jedoch nicht auf die Privatsphäre der Menschen, die mittlerweile von Nachrichtendiensten mit entsprechenden technischen Mitteln umfassend ausgespäht werden kann."

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