"Krieg unter Armen" an der Peripherie Roms

In verwahrlosten Vierteln machen Anrainer mobil – gegen Flüchtlinge und Roma.

Tor Sapienza ist ein heruntergekommenes Stadtviertel an der römischen Peripherie. Einer jener vergessenen Orte, wo niemand freiwillig hingeht. Im explosiven Dreieck aus verwahrlosten Hochhäusern, einem Flüchtlingsheim und einem Roma-Lager sind die sozialen Spannungen Anfang dieser Woche eskaliert.

Wurfgeschoße, angezündete Benzinkanister, zertrümmerte Fenster: Mit Gewalt versuchten Anrainer in das Flüchtlingsheim in der Viale Giorgio Morandi einzudringen. Flüchtlinge wurden auf der Straße mehrfach gewalttätig angegriffen. Auslöser für den Volkszorn war eine angebliche Belästigung einer Anrainerin durch einen Asylwerber im anliegenden Park. Berichte über Diebstähle und Überfälle erhitzten zusätzlich die Gemüter.

Tagelange Proteste

Nach tagelangen, heftigen Protesten wurden am Freitag schließlich 72 Flüchtlinge aus Bangladesch und Ägypten, darunter auch viele Jugendliche, aus dem sechsstöckigen Haus verlegt. Zu Spitzenzeiten waren hier bis zu 200 Personen untergebracht. Die Gemeinde Rom versucht dadurch weitere Ausschreitungen zu verhindern. "Wir haben gewonnen. Jetzt müssen alle weggebracht werden", jubelten Anrainer.

Vor ein paar Tagen wurde einer Flüchtlingsbetreuerin mit einer Gruppe Asylwerbern der Zutritt zur Lory Bar verwehrt. "Hier dürft ihr nicht rein. Verschwindet!", brüllten einige Gäste. "Viele haben Angst, nachdem aufgebrachte Bewohner mehrfach drohten, Immigranten umzubringen", so die Koordinatorin der Flüchtlingseinrichtung, Gabriella Errico. In Tor Sapienza herrscht hohe Arbeitslosigkeit. Die Zahl an Vorbestraften liegt laut der römischen Tageszeitung Il Messaggero bei 25 Prozent.

"Fünf vor zwölf"

Von einem "Krieg unter Armen" ist die Rede. Der Stadtregierung von Bürgermeister Ignazio Marino wird Chaos und das Fehlen eines Integrations- und Sozialplanes vorgeworfen. Während die Flüchtlinge großräumig von eleganten Stadtteilen wie Parioli, Trieste und dem Zentrum ferngehalten werden, konzentriert sich die Verteilung auf die östlichen Vororte. Verwahrlosung, fehlende Infrastruktur und schwache öffentliche Verkehrsanbindungen sowie steigende Kleinkriminalität, Arbeitslosigkeit und Armut prägen dort den Alltag. Die seit Jahren andauernde Wirtschaftskrise hat die Lage zusätzlich verschärft. "Es ist fünf vor zwölf, um einen Flächenbrand in den Banlieus zu verhindern, wie er sich im Herbst 2005 in Frankreich ereignete", analysiert Soziologe Matteo Ceccantini.

Rechte auf Wählerfang

In der von Ausländerfeindlichkeit und Rassismus geprägten Stimmung versucht die rechtsextreme Lega Nord, auf Wählerfang zu gehen. Die Lega-Nord-Kampagne richtet sich gegen die Einwanderungspolitik von Premier Renzi. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini will zu einer Anti-Ausländer-Kundgebung in Rom aufrufen. Giorgia Meloni, Parteivorsitzende von Fratelli d’Italia, einer Nachfolgepartei der ehemals faschistischen Alleanza Nazionale, wurde als "Retterin der Nation" in Tor Sapienza empfangen.

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