Italiens staatliche "Geiselnehmer"
Die Entführung einer Kasachin und deren Tochter aus Rom mit Unterstützung der italienischen Geheimpolizei zeigt das gleiche Muster, wie die Verschleppung des islamistischen Imam Abu Omar durch die CIA nach Ägypten. Offizielle Stellen in Rom verweigern trotz intensiver Bemühungen des KURIER jeden Kommentar.
Rechtsanwalt Riccardo Olivo wollte die seiner Ansicht nach rechtswidrige Abschiebung stoppen. Denn die Familie der Frau sieht als Hintergrund eine Art Geiselnahme durch den kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Der würde eigentlich gerne den Ehemann der Frau, den kasachischen Ex-Banker Mukhtar Ablyazov, hinter Gitter sehen, weil er angeblich große Geldsummen unterschlagen hat. Der Gejagte sitzt im Asyl in Großbritannien und beschuldigt seinerseits den Alleinherrscher Nasarbajew der „kriminellen Privatisierung“.
Freitagabend kam plötzlich auf geheimnisvolle Weise die Flugfreigabe, und wenige Stunden später waren Frau und Kind in der „Obhut“ der kasachischen Geheimpolizei KNB in Astana.
Verschleppter Imam
Der Fall zeigt Parallelen mit der Affäre Abu Omar. Der Mailänder Imam wurde im Jahr 2003 auf offener Straße verschleppt und fand sich in einer ägyptischen Gefängniszelle mit „Verhörspezialisten“ der CIA wieder. Erhebungen der italienischen Staatsanwaltschaft ergaben, dass Agenten des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI auf illegale Weise die Kollegen der CIA bei der Entführung unterstützt hatten. Und die Telefonüberwachung des Imams wurde von der DIGOS durchgeführt. Es wurde auch aufgedeckt, dass der SISMI kritische Journalisten abhörte und unter Druck setzte. Auch die neue Affäre weckt – ebenso wie damals – zumindest bei den großen Medien nur wenig Interesse.
Wenn es um die Themen Völkerverständigung und Toleranz geht, holt Nursultan Nasarbajew gerne weit aus. Und er lässt keine sich bietende Bühne frei, um sich als Experte auf diesen Gebieten darzustellen. In Kasachstan leben 140 Nationalitäten unterschiedlicher Konfessionen, und anders als etwa in Usbekistan oder Tadschikistan verliefen die 90er-Jahre ohne gröbere Eskalationen. Genau für diesen Umstand macht er sich selbst höchstpersönlich verantwortlich: Nasarbajew regiert Kasachstan seit seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1990. Damals wurde er Präsident. Seit 2010 trägt er zusätzlich den vom Parlament an ihn verliehenen Titel „Führer der Nation“. Als Draufgabe gewährte das damit verbundene maßgeschneiderte Gesetz ihm und seiner Familie lebenslange Immunität vor Strafverfolgung.
Dabei ist Nasarbajew nicht unpopulär. Zum einen hat er sich gekonnt als Friedensstifter in Szene gesetzt. Zum anderen hat er es aber auch verstanden, den Gas-Reichtum des Landes zwischen dem Westen und Russland aufzuteilen und in verhältnismäßigen Wohlstand einer schmalen Mittelschicht zu verwandeln. Was ihm auf der anderen Seite wiederum über die Aussicht auf lukrative Geschäfte allzu heftige Kritik seitens des Westens an seinem Umgang mit Menschenrechen erspart.
Denn die so viel gepriesene Toleranz endet bei jedem, der sich mit dem Regime anlegt. Hausdurchsuchungen bei NGOs stehen an der Tagesordnung. So wie jene bei der Organisation Arqa Ende Mai. In diesem Fall war es die Finanzpolizei, die die Räumlichkeiten der Organisation durchsuchte und Unterlagen beschlagnahmte. Ihr wurden Kontakte zur verbotenen Partei Algha vorgeworfen. Die Partei ist ein Ableger der Staatspartei Nur Otan, die die überwältigende Mehrheit im 2012 gewählten Parlament hält: 83 von 107 Sitzen. Laut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte die Wahl demokratischen Standards nicht entsprochen.
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