Neue Intifada: Einzeltäter und Hetzkampagnen

Palästinensische Jugendliche werfen Steine und Molotowcoctails auf israelische Soldaten in Hebron.
Hinter den jüngsten Terroranschlägen steht keine politische Gruppe, aber die Attentate sind gut geplant.

Sonntagabend in der zentralen Busstation von Beer Schewa in Südisrael: Im Dunkeln schleicht sich Muhanad Ukbi hinter den wartenden Soldaten Omri Levi. Dann schießt er aus einer Pistole und sticht zwei Mal mit dem Messer zu. Er reißt das Gewehr des Sterbenden an sich und feuert wild um sich. Fünf weitere Passanten werden verletzt. Ein Wachmann schießt zurück. Er verwundet einen unbeteiligten Asylanten aus Eritrea. Den hält daraufhin ein wütender Mob für den Angreifer. Es hagelt tödliche Schläge und Fußtritte. In dieser Zeit rennt der Terrorist auf die offene Straße. Im Schusswechsel mit der Polizei verletzt er fünf Polizisten zum Teil schwer. Dann stirbt auch er.

So endete ein bis dahin auffallend ruhiger Sonntag in Israel, wo Ruhe zurzeit trügt. Auch der Amokläufer in Beer Schewa kam ohne jede Vorwarnung. Aus Israel, nicht aus den besetzten Gebieten. Seine Mutter ist eine Beduinin aus Gaza, die in Israel einheiratete. "Er gehörte nicht wirklich zu unserem Stamm", hieß es am Montag im Dorf Chura.

Was die Herkunft erklärt, erhellt wohl auch einen Teil des Motivs. Hinzu kommen Facebook-Aufrufe, die Ukbi in den letzten Tagen immer eifriger verfolgte. "Er kam völlig allein", lautete das Fazit der Polizei nach ersten Ermittlungen.

Amok-Läufe

Der Anschlag verdeutlicht noch einmal die Unvorhersehbarkeit solcher Amok-Läufe. Die Pistole im Besitz Ukbis signalisiert aber auch deren wachsende Gefährlichkeit. An Waffen mangelt es nicht in den besetzten Gebieten und nicht in Israel. Ein Anschlag folgt dem nächsten, jeder Attentäter lernt vom Vorgänger. Keine Terror-Organisationen sind hinter den Attentätern zu finden, aber die Spontan-Mörder kommen immer organisierter.

Wie in der ersten Intifada Ende der 80er-Jahre könnten organisierte Untergrundzellen jetzt auf den fahrenden Zug springen. Die Tansim-Zellen der Al-Fatah im palästinensischen Autonomiegebiet stehen mit Waffen bereit. Auch die Hamas hat dort Schläfer-Zellen. Solche Zellen sind zwar leichter vom Geheimdienst aufzuspüren, könnten aber mit ihren Bomben das jetzige Chaos zur Hölle machen.

Präsident Mahmud Abbas bricht die Sicherheitszusammenarbeit seiner Polizei mit der israelischen Armee vorerst nicht ab. Doch auch aus der Al-Fatah-Führung tönen immer lauter Rufe nach Gewalt. Der Kampf um die Nachfolge des stark geschwächten 80-Jährigen hat begonnen. Wer sich radikaler zeigt, rechnet sich größere Chancen in der Erbfolge aus.

Doch bleibt die Gewalt zurzeit auf spontane Einzeltäter vom Rande und Hetzrufer einer in sich zerstrittenen Führung beschränkt. Die breite palästinensische Öffentlichkeit zeigt nicht die erwarteten Sympathien. Auch die Teilnahme an Randalen und Demonstrationen wächst nicht an.

Ein Schwelbrand, der trotzdem jederzeit auflodern kann. Den Führungen – in Jerusalem wie in Ramallah – ist ein Ausweg durch die politische Hintertüre durch innere Querelen blockiert.

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