Israel: Persilschein für rechten Hardliner

Ex-Außenminister Lieberman freigesprochen. Gegner des Friedensprozesses wieder in Regierung

Einstimmiger Freispruch durch drei Richter für Israels politischen Poltergeist und Ex-Außenminister Avigdor Lieberman. Schon Ende 2012 schloss die Staatsanwaltschaft die Akten mit den schwersten Vorwürfen: Finanzkorruption, Betrug und Veruntreuung. In ihr standen auch Namen österreichischer Banken sowie die der Investoren Martin Schlaff und Robert Milkowsky. Am Mittwoch schloss das Jerusalemer Bezirksgericht auch die letzte Akte – zur Amtsbegünstigung bei der Ernennung eines Botschafters. Ein strahlender Lieberman: „Ende des Kapitels. Jetzt kommen die Aufgaben vor uns.“

Lieberman kehrt gestärkt in die Politik zurück. Auf ihn wartet seit Monaten der Sessel des Außenministers. Sein enger Freund und Premier Benjamin Netanyahu rief ihn gleich nach dem Freispruch an: „Ich freue mich über unsere weitere Zusammenarbeit zum Wohle Israels.“

Hätte Lieberman die politische Laufbahn aufgeben müssen, hätte sich seine Partei Israel Beytenu über kurz oder lang mit Netanyahus Likud vereinigt. Im Gegensatz zum Premier wird es die Likud-Führungsriege mit der Einigung jetzt nicht mehr eilig haben: Lieberman wäre möglichen Netanyahu-Nachfolgern ein allzu schwerer Konkurrent.

Rechte Lichtgestalt

Da könnten die laufenden Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern für Israel Beytenu leicht als Vorwand zum Verlassen der Koalition herhalten. Lieberman könnte sich in der Opposition bessere Chancen ausrechnen, die neue rechte Lichtgestalt zu werden. In letzten Popularitätsumfragen schnitt seine kopflose Partei in der Koalition nicht gut ab.

Die Staatsanwaltschaft könnte auch noch in Berufung gehen, was Juristen aber nicht erwarten. Kritiker werfen der Justiz vor, in Korruptionsangelegenheiten nicht sehr akribisch vorzugehen. Andere halten dagegen: Die Zahl der Freisprüche in Korruptionsverfahren sei nicht gestiegen. Doch Freisprüche wie für Lieberman oder auch Ex-Premier Ehud Olmert machten eben größere Schlagzeilen als Routine-Verurteilungen. Liebermans Verteidiger, Jakov Weinroth: „Ich könnte keine Namen nennen, ohne die Israels Justiz besser laufen würde. Das Monster ist die bürokratische Justiz an sich.“

Was die Medien etwas anders sehen: Für die Verschleppung der Ermittlungen über 15 Jahre und drei Kontinente hinweg sei letztlich Lieberman selbst verantwortlich. In Österreich kamen die Behörden nur widerwillig einer Bitte Israels um Rechtshilfe nach. Martin Schlaff nahm 2010 nicht einmal an der Beerdigung seines Vaters in Jerusalem teil. Die Polizei hatte angekündigt, ihn danach zum Verhör festzuhalten.

In Zypern verlor eine Kronzeugin über Nacht jede Erinnerung. „Ein Zeuge ist verschollen, einer verübte Selbstmord“, erinnerte sich letzten Samstag in der Zeitung Haaretz die ehemalige Staatsanwältin Avia Alef: „Wir hatten ständig das Gefühl, jemand sei uns überall um einen Schritt voraus.“ Mal verweigerte der Verdächtigte die Aussage, mal die Zeugen.

Kerry vermittelt wieder

Israel: Persilschein für rechten Hardliner
epa03937858 A handoout photograph supplied by the US Embassy in Tel Aviv shows US Secretary of State John Kerry (L) as he meets with Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu in a hotel in Jerusalem, Israel, 06 November 2013. Kerry began a day of meetings in Jerusalem and Bethlehem aimed at rescuing the faltering three-month-old Israeli-Palestinian peace talks. Kerry was expected to head to the West Bank city of Bethlehem for talks with Palestinian President Mahmoud Abbas later in the day. EPA/MATTY STERN / US EMBASSY TEL AVIV / HANDOUT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
US-Präsident John Kerry traf indes am Mittwoch mit Netanyahu und Palästinenserpräsident Abbas zusammen, um dem Verhandlungsprozess neuen Schwung zu geben. Die Palästinenser hatten zuvor angekündigt, den Verhandlungstisch zu verlassen, sollte Israel den Bau jüdischer Siedlungen nicht einstellen.

Ganz schlechte Nachricht für die ohne Fortschritte dahindümpelnden Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern: Nach dem Freispruch von Avigdor Lieberman (Vorwurf des Betrugs und des Vertrauensbruchs) ist der frühere – und wohl auch künftige – israelische Außenminister wieder voll im politischen Geschäft. Ausgestattet mit dem richterlichen Persilschein wird der rechte Hardliner seinen Bündnispartner, Premier Benjamin Netanyahu, vor sich hertreiben und den Dialog mit den Palästinensern gegen die Wand fahren lassen.

Von dem hält Lieberman nämlich gar nichts. Er ist von einem tiefen Misstrauen gegenüber allen Arabern geprägt. Und hinsichtlich einer Übereinkunft mit den Palästinensern meinte er einmal sinngemäß: Das wird’s in den nächsten Jahrzehnten nicht spielen.

Mittelfristig dürfte er recht behalten. Die USA haben die beiden Kontrahenten zwar an den Verhandlungstisch gezerrt. Aber nach der De-facto-Kapitulation Washingtons in der Syrien-Krise stehen die Amerikaner kraftlos und ohne Druckmittel im nahöstlichen Raum, aus dem sich die Europäer schon vor Jahrzehnten diplomatisch verabschiedet haben.

Fazit: Weiterwursteln wie bisher – ohne echte Perspektive.

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