IS-Kolonie in Libyen wird zu massivem Problem

Truppen der Tripolis-Allianz beschießen Stellungen des IS, der ihnen materiell um ein vielfaches überlegen sein dürfte.
Angesichts von Niederlagen in Nahost weicht der IS nach Libyen aus. Dort baut er Präsenz aus.

In Libyens einstiger Hauptstadt und heute zumindest Halb-Hauptstadt (schließlich hat das Land mindestens zwei Regierungen) Tripolis ist der "Islamische Staat" in Gedanken ganz weit weg. Ex-Revolutionäre kämpfen heute oft vielmehr statt mit der Waffe schlicht im Alltag ums Überleben angesichts des herrschenden Chaos. Aber er ist nicht so weit entfernt, der "Islamische Staat". Und er baut seine Präsenz in Libyen aus. In und um die Stadt Sirte kontrolliert er einen breiten Küstenstreifen. Angst hat er keine, sagt ein junger Ex-Rebell, der in Tripolis lebt. Aber vertiefen will er das Thema nicht. Zu sensibel. Ein anderer sagt, in urbanen Gebieten hätte der IS nie eine Chance in Libyen. Bestenfalls in ländlichen Regionen.

IS-Kolonie in Libyen wird zu massivem Problem
Sirte aber, einst Hochburg und letzter Rückzugsort des gestürzten Diktators Gaddafi, ist heute unter voller Kontrolle des libyschen IS-Ablegers. Und unter den Ablegern des IS außerhalb Syriens und des Irak (Ägypten, Afghanistan, Jemen, Nigeria, Pakistan, Russland, um die wichtigsten zu nennen) dürfte die Filiale in Sirte westlichen Geheimdiensten zufolge als einzige unter direkter Kontrolle der IS-Zentrale stehen. Zuletzt, so die New York Times seien gar hochrangige IS-Kommandanten aus dem Irak nach Libyen gekommen, um die Kolonie in Sirte mit ihren laut UNO bis zu 3000 Kämpfern auf Linie zu bringen. Eine straffe IS-Verwaltung nach syrisch-irakischem Muster samt Steuerbehörde, Justiz sowie Exekutive wurde eingesetzt, Gegner wurden aus dem Weg geräumt. Es gab erste Kreuzigungen und öffentliche Enthauptungen in Sirte. Und ehemalige Geiseln der Gruppe berichten, dass IS-Leute äußerst gut über Gefangene informiert waren und bei Befragungen extrem systematisch vorgingen. Das lässt den Schluss zu, dass sich der IS in Libyen (so wie im Irak) auf Geheimdienstkader stützen kann.

Außerdem dürfte es dem IS gelungen sein, eine sichere Passage zwischen Syrien sowie dem Irak und Sirte zu etablieren, über die Kämpfer, aber auch Bargeld und Material transportiert werden.

Nährboden Chaos

Zugute kommt dem IS das Chaos in Libyen: Zwei rivalisierende Regierungen, Milizentum und wechselnde Allianzen auch innerhalb der beiden Machtblöcke in Tripolis (Sitz einer selbst ernannten Regierung) und Tobruk (Sitz der international anerkannten Führung).

Dass sich der IS derzeit so sehr seinen Ablegern und dabei vor allem seiner libyschen Filiale annimmt, hat aber auch damit zu tun, dass es in seinem Kerngebiet eng wird. Militärische Niederlagen in Syrien und dem Irak setzen der Organisation zu, die vom Zustrom ausländischer Kämpfer und damit von propagandistisch verwertbaren Siegen abhängig ist. Zudem werden die internationalen Allianzen gegen den IS – wie zerstritten sie auch seien mögen – stärker. Deutschland hat sich der US-geführten Allianz angeschlossen, die Briten wollten am Mittwoch über eine Beteiligung abstimmen. Der Irak hat indes einem geplanten Einsatz von US-Spezialeinheiten gegen den IS im Irak eine Absage erteilt.

In Libyen ließen sich Siege für den IS verwirklichen. Und: Die Küstenregion um Sirte ist zentraler Export-Punkt für libysches Öl – und somit gewinnbringend.

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